Kommentar
Der Deutsche Apothekertag hat ein überzeugendes Votum für die Rezeptur abgegeben. Ohne Gegenstimme wurde ein Antrag angenommen, die Herstellung in allen Apotheken als Verpflichtung zu erhalten. Differenzierter waren die Aussagen zu Rezepturen mit außergewöhnlichen Anforderungen. Auch über Zytostatikazubereitungen hinaus gibt es spezielle Fälle, die besondere Ausrüstungen, Ausgangsstoffe oder Fertigkeiten erfordern. Da nicht jeder Experte für alles sein kann, erscheint das Weiterreichen an einen Spezialisten in solchen Fällen sinnvoll. Als Nachbarschaftshilfe im Ausnahmefall funktioniert dies schon immer problemlos. Wahrscheinlich bleibt eine solche unbürokratische Lösung auch für die Zukunft besser als ein Aufweichen des gesamten Regelwerkes wegen einiger seltener Kuriositäten. Zu groß wäre die Gefahr juristischer und politischer Neben- und Wechselwirkungen, wie sie von anderen Änderungen in der Arzneimittelversorgung bekannt sind – die Folgen des Versandhandels dürften abschreckend genug sein.
Handlungsbedarf besteht dagegen bei den standardisierten Rezepturen: Das klare Votum der Hauptversammlung für den verstärkten Einsatz standardisierter Rezepturen, beispielsweise im NRF, ist uneingeschränkt zu begrüßen. Nur so können moderne Konzepte der Qualität und Reproduzierbarkeit glaubwürdig gelebt werden. Das Signal des Apothekertages ist zugleich eine Bestätigung für die Apotheker, die sich schon lange – auch gemeinsam mit Dermatologen – für die Verordnung kodifizierter Rezepturen einsetzen. Das Argument, die Standardisierung würde die industrielle Fertigung ermöglichen und die Rezeptur langfristig erübrigen, greift nicht. Denn es gibt viele Lücken im Programm der Fertigarzneimittelindustrie, mit steigendem Aufwand für Zulassung und Dokumentation werden es sogar mehr. Mit wachsender Nachfrage bei Apothekern und Ärzten werden dagegen die Rezeptursammlungen immer umfangreicher – und damit das Einsatzgebiet der Rezeptur. Die Apotheker haben es selbst in der Hand, weitere Rezepturvorschläge einzubringen.
Berechtigt wäre eher die Sorge vor den Folgen eines zu geringen Anteils standardisierter Rezepturen: Angesichts des internationalen Trends zur Standardisierung von Rezepturen könnte die Standardisierung eines Tages sogar zur Voraussetzung für die Herstellung in der Apotheke werden. Denn nur so lassen sich überhaupt validierte Herstellungsverfahren einsetzen und Aussagen zur Stabilität begründen, die als Voraussetzungen für die Produktqualität nach heutigem Verständnis unverzichtbar sind. So dürfte gerade die Standardisierung langfristig zum Garanten der Rezeptur und damit einer möglichst individuellen Arzneimittelversorgung werden, so widersinnig dies auf den ersten Blick erscheinen mag. Für die Glaubwürdigkeit des Qualitätsanspruchs der Rezepturen ist die Standardisierung schon heute bedeutend. So ist zu hoffen, dass das klare Votum für die Standardisierung Wirkung zeigt. Die Apotheker sind aufgerufen, bei den Verordnern für diese zeitgemäße Therapie zu werben - im Interesse der individuellen Versorgung der Patienten und als Signal für Qualität aus der Apotheke.
Thomas Müller-Bohn
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