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- DAZ 40/2007
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Seite 3
Unsicherheiten bleiben
Eines war ziemlich anders: Bei diesem Apothekertag war auf einmal wieder die erste Riege der Berliner Gesundheitspolitiker da. Sieh an! Bei den letzten beiden Apothekertagen hatten sie – parteiübergreifend, mit nur wenigen Ausnahmen – noch durch nahezu demonstrative Abwesenheit geglänzt. Mag sein, dass damals auch Terminschwierigkeiten eine Rolle spielten. Über weitere Gründe für jetzt neu erwachte Aufmerksamkeit kann man jedoch trefflich spekulieren.
Hat die Politik z. B. erkannt, dass die von ihr gewollten Rabattverträge zwischen Pharmaindustrie und Krankenkassen in der Umsetzung schlicht zum Desaster geworden wären, wenn ihr die Apotheker nicht aus der Patsche geholfen hätten? Es ist ja richtig: Die für die Apotheken arbeitenden Softwarehäuser haben in einer Kraftanstrengung sondergleichen dafür gesorgt, dass gleich zum Start der Rabattverträge schon brauchbare Programme in die Apotheken-EDV integriert waren, die schnell weiter verfeinert wurden. Die Apotheken haben ihre Warenläger angepasst, die Großhandlungen im Hintergrund die über lange Zeit haarsträubenden Lieferengpässe "gemanagt". Vor allem aber haben die Apothekenteams wieder und wieder erläutert und erklärt – und so verhindert, dass die Wut der Patienten so hochkochte, dass sie zum politischen Problem geworden wäre.
Bevor die Rabattverträge in die zweite Runde gehen, bevor wir vielen Patienten erneut erklären müssen, dass ihre Medikation umgestellt werden soll, müssen wir der Politik verdeutlichen, dass wir bei der weiteren Umsetzung der Rabattverträge mehr Spielraum, mehr Flexibilität benötigen. Wo eine Umstellung deutlich erkennbar die Compliance eines Patienten zerstört, erst recht wo sie gegen die Essentials einer guten Substitutionspraxis verstößt, brauchen wir Ausnahmeregeln und keine mit Regressdrohungen aufgeladenen dogmatischen Festlegungen.
Ein weiterer Grund, dass wir uns der Präsenz führender Politiker erfreuen durften, liegt ebenfalls nah. Klare Aussagen gegen eine Aufhebung des Fremdbesitzverbotes und gegen Auswüchse des Versandhandels, durch die faktisch – sogar für verschreibungspflichtige Arzneimittel – die Apothekenpflicht und die dahinter stehenden Verbraucherschutzregelungen unterlaufen werden, sind politisch nicht mehr sonderlich riskant. In den wichtigsten Fällen sind jetzt die Gerichte am Zug. Wir sollten jedoch nicht zulassen, dass sich die Politik so aus der Verantwortung mogelt. Immerhin wurden die Gesetze, die Auswüchse wie einen Arzneivertrieb über beliebige Pick-up-Stationen (vom Dromarkt über die Tankstelle bis zum Eroscenter) nicht verhindern, von der rotgrünen oder der Großen Koalition zusammengezimmert und durchgepaukt – oft gegen den Rat der Fachleute und Fachbeamten.
Um den Auswüchsen Herr zu werden, sollte in einem ersten Schritt – wie vom nordrhein-westfälischen Sozialminister Laumann gefordert – der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln wieder verboten werden. Nicht wenige Arzneiversender würden sich darüber allerdings sogar freuen. Sie wären damit dem Kontrahierungszwang für verschreibungspflichtige Arzneimittel enthoben, könnten sich in aller Stille ihren einträglicheren Geschäften mit OTC-Arzneimitteln widmen, die nach dem EuGH-Urteil (leider!) ungefährdet erscheinen. Für die Akutversorgung ihrer Versandkunden, für den Not- und Nachtdienst, Rezepturen und alles, was – wie Information und Beratung – aufwendig ist, werden sie praktisch nicht in Anspruch genommen; das überlassen sie gern den Kollegen vor Ort. Hier müsste die Politik deshalb für einen Leistungsstrukturausgleich sorgen – damit nicht die einen die Rosinen picken und die anderen die Arbeit machen.
Gefährdungen der Apotheken vor Ort gehen aber auch von ihnen selbst aus. Mit welcher Nonchalance sich manche Kollegen in die Fänge von Franchise-Gebern und anderen dubiosen Beratern begeben, ist schon frappierend. Natürlich ist nicht jede Art der Kooperation eine Gefahr – was freilich nicht den Umkehrschluss erlaubt, dass sie wirklich nützlich wäre. Die Franchise-Geber und auch einige Kooperationsberater legen es offensichtlich darauf an, die Schamgrenze zu verschieben, um der Politik zu signalisieren, die Apotheker selbst seien doch schon auf dem Trip, sich von den Spielregeln des freien, unabhängigen Heilberufs zu verabschieden.
Für die große Mehrheit der Apotheker trifft das nicht zu. Trotz des öffentlichen Getöses und erheblicher Investitionen verbuchen die Rattenfänger bislang nur mäßige Erfolge. Die Apotheker sind gut beraten, sich ihre pharmazeutische und wirtschaftliche Unabhängigkeit nicht entwinden zu lassen. Da hat ABDA-Präsident Wolf sicher recht: Die größte Gefahr ist, dass sich ein verunsicherter Apothekenmarkt selbst in den Umbruch redet.
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