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DAZ aktuell
Methylphenidat-Festbeträge
Bald Ritalin-Handel auf Schulhöfen?
(du). Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Bildung einer gemeinsamen Festbetragsgruppe für kurzwirksame und retardiert freisetzende Methylphenidat-Darreichungsformen beschlossen. Wenn es nach dem Vorschlag der Krankenkassen geht, sollen sich die Festbeträge an denen der kurzwirksamen Präparate orientieren. Dagegen regt sich Widerstand. Manche Kritiker befürchten einen regen Handel mit Methylphenidat auf Schulhöfen. Andere sehen Nachteile für Betroffene aus sozial schwachen Schichten.
Viele Kinder und Jugendliche mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung sind auf die Behandlung mit Methylphenidat angewiesen. Bei Behandlung mit kurzwirksamen Präparaten mit nur einer Wirkdauer von vier Stunden lässt es sich nicht umgehen, dass diese auch in der Schule eingenommen werden müssen. Wenn nun die Preise normal freisetzender Präparate die Basis für die Festbeträge bilden, dann muss bei Retardpräparaten mit Aufzahlungen bis zu 50 Euro gerechnet werden. Das, so die Befürchtung, werde zu einer Mehrverordnung kurzwirksamer Präparate führen.
Die Ärzte Zeitung zitiert in ihrer Online-Ausgabe vom 12. Oktober 2007 Dr. Manfred Zipperer, einen ehemaligen Leiter der Gesundheitsabteilung im Bundesministerium für Gesundheit (BMG). Er soll in einer Expertise darauf verwiesen haben, dass das Betäubungsmittel Methylphenidat keinesfalls Lehrern, Mitschülern oder auch dem Kind selber überlassen werden dürfe. Bei normal freisetzenden Präparaten bestehe die Gefahr der unbedachten Weitergabe oder sogar des Verkaufs an Mitschüler und andere Personen. Prof. Dr. Manfred Döpfner, geschäftsführender Leiter des zentralen adhs-netzes, schätzt die Gefahr, dass schnell freisetzendes Methylphenidat gehandelt oder dass es missbraucht wird, eher gering ein. Denn auch jetzt werde schnell freisetzendes Methylphenidat verordnet. Eine Häufung der Missbrauchsfälle sei, so Döpfner gegenüber der Deutschen Apotheker Zeitung, nicht erkennbar.
Unzureichende Versorgung
Das zentrale adhs-netz sieht jedoch andere Nachteile, wenn retardierte Präparate nicht mehr ohne Zuzahlung erhältlich sein sollten. In einer Stellungnahme wird darauf verwiesen, dass viele Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit ADHS nur unzureichend durch schnell freisetzende Methylphenidat-Präparate versorgt werden können. Viele Menschen mit ADHS hätten aufgrund ihrer Symptomatik keine angemessene Ausbildung absolvieren können. Sie würden daher oft in schwierigen finanziellen Verhältnissen leben, die eine Zuzahlung zu Retardpräparaten nicht erlauben würden. Auf der anderen Seite seien gerade Kinder aus solchen belasteten Familien auf die einfache Handhabung der Medikation in Form eines Ganztagespräparates angewiesen. Nur so könnten sie die notwendige Konzentration und Anpassungsleistung erbringen, die für einen erfolgreichen Schul- und Ausbildungsweg notwendig sind. Das zentrale adhs-netz befürchtet daher eine deutliche Verschlechterung der Versorgung von sozial schwachen Betroffenen, wenn Retardpräparate nicht mehr ohne Zuzahlung erhältlich sind. Deshalb plädiert es an die Entscheidungsgremien, eine Lösung zu finden, die die Zuzahlung vermeidet.
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