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Arzneimittelabgabestellen
"dm-Modell": Der Streit geht in die nächste Runde
(cr). Noch ist nichts entschieden: In Sachen "dm-Arzneimittelabgabestellen" hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. September 2007 die Revision gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom November letzten Jahres zugelassen. Damit wird die dm-Problematik rechtlich noch einmal aufgerollt. Trotzdem äußerte sich die ABDA in einer ersten Stellungnahme gegenüber ihren Mitgliedsorganisationen pessimistisch zum weiteren Gang des Verfahrens. In Deckung geht auch die Bundesregierung: Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Rolf Schwanitz, wollte sich auf eine schriftliche Anfrage des Gesundheitspolitischen Sprechers der FDP-Bundestagsfraktion, Daniel Bahr, zur "Nutzung von Drogeriemärkten als Annahmestellen für Arzneimittelrezepte und Abgabestellen für Arzneimittel" inhaltlich nicht äußern.
In seinem soeben veröffentlichten Beschluss vom 18. September 2007 stellt das Bundesverwaltungsgericht fest, dass die Frage, wie der Begriff des "Versandes an den Endverbraucher" im Arzneimittelgesetz auszulegen ist und welche Bedeutung in diesem Zusammenhang den Regelungen für Rezeptsammelstellen zukommt, der grundsätzlichen rechtlichen Klärung bedarf. Mit ihrer Entscheidung gaben die obersten Verwaltungsrichter einer so genannten Nichtzulassungsbeschwerde der Stadt Düsseldorf gegen das umstrittene dm-Urteil des Oberverwaltungsgerichts in Münster vom 7. November 2006 statt. In diesem – heftig kritisierten – Urteil hatte das OVG entschieden, dass ein sog. Bestell- und Abholservice für Arzneimittel in Filialen der dm -Drogeriemarktkette in Kooperation mit dem niederländischen Arzneimittelversender Europa Apotheek rechtlich zulässig sei. Noch ein Jahr zuvor war derselbe Senat des Gerichts im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes und in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht Düsseldorf zum gegenteiligen Ergebnis gekommen. Dies hatte in der Folge für Verwunderung gesorgt – und in der juristischen Literatur zu heftiger Urteilsschelte, zumal die Münsteraner Richter gegen ihren Überraschungs-Coup nicht einmal eine Revision zugelassen hatten. Diese "Nichtzulassung der Revision" hat das Bundesverwaltungsgericht jetzt mit knappen Worten kassiert (vgl. Kasten). Wann sich das Gericht in der Sache mit der dm -Problematik beschäftigen wird, ist offen. Frühestens ist damit in einigen Monaten zu rechnen.
In einem Rundschreiben an ihre Mitgliedsorganisationen zeigt sich die ABDA zwar zufrieden über die Zulassung der Revision, äußert sich jedoch über den weiteren Gang des Verfahrens pessimistisch. Unter Hinweis auf die "Außenschalter"-Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. April 2005 halten es die beiden Unterzeichner des Rundschreibens, die ABDA-Geschäftsführer Sebastian Schmitz und Lutz Tisch, für "unwahrscheinlich, dass es (vor dem Bundesverwaltungsgericht) zu einem von der Entscheidung des OVG abweichenden Ergebnis kommen wird". In der Außenschalter-Entscheidung hatte das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass nach Zulassung des Versandhandels mit Medikamenten die Abgabe apothekenpflichtiger Arzneimittel über den Außenschalter einer Apotheke nicht mehr gegen § 17 Abs. 1 der Apothekenbetriebsordnung verstoße. Offensichtlich gehen die ABDA-Juristen davon aus, dass diese Entscheidung inhaltlich auch auf die Problematik des dm-Vertriebsmodells übertragen werden kann.
Weiter weist die ABDA darauf hin, dass die Zulassung der Revision nicht als Grund dafür dienen dürfe, die Anstrengungen für den Erfolg der nordrhein-westfälischen Initiative zum Versandhandelsverbot bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu verringern. Eine "verfassungsrechtlich haltbare Lösung" der dm-Problematik sei, wie es in dem Rundschreiben heißt, "nach unserer bisher nicht widerlegten Auffassung nur durch die Verankerung eines Verbots des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln möglich". Damit bringen die Unterzeichner zum Ausdruck, dass ihrer Ansicht nach das "dm -Vertriebsmodell" ausschließlich (!) durch eine Wiedereinführung des Versandhandelsverbots bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verhindert werden könne. Ob dies die Auffassung aller ABDA-Mitgliedsorganisationen ist?
Bundesregierung: Nichts Genaues weiß man nicht
Zeitgleich zur Veröffentlichung des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts äußerte sich auch Ralf Schwanitz, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, zum Fall "dm ". Auf eine schriftliche Anfrage seines Kollegen Daniel Bahr zur Frage, wie die Bundesregierung die Nutzung von Drogerien im Rahmen des Versandhandels im Hinblick auf die Arzneimittelversorgung beurteile, antwortete Schwanitz lapidar: "Der auf Basis des Gesetzes zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung ab dem 1. Januar 2004 mögliche Versand apothekenpflichtiger Arzneimittel kann nur von einer öffentlichen Apotheke zusätzlich zu ihrem normalen Betrieb erfolgen. Versandapotheken sind daher immer gleichzeitig Präsenzapotheken, die behördlich überwacht werden. Insoweit erfolgt auch die Abgabe von Arzneimitteln immer durch eine öffentliche Apotheke. Für den Versandhandel hat der Gesetzgeber Regelungen zur Qualitätssicherung vorgeschrieben, die unabhängig von der Art des Versandes gelten.
Zu neuen Vertriebsformen hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen entschieden, dass ein Bestell- und Abholservice für apothekenpflichtige Arzneimittel in Drogeriemärkten in Zusammenarbeit mit einer Apotheke, die Versandhandel mit Apotheken betreibt, zulässig ist. Auch bei weiteren Vertriebsformen, die sich aus dem Versandhandel entwickeln, ist die versendende Apotheke für die Beratung des Kunden und die korrekte Auslieferung verantwortlich. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Bundesregierung äußert sich zu laufenden Rechtsstreitigkeiten nicht."
Offensichtlich beabsichtigt die Bundesregierung zurzeit nicht, das "dm -Modell" unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes und der Arzneimittelsicherheit rechtlich zu unterbinden. Auch den dezenten Hinweis des Bundesverwaltungsgerichts, dass man den Begriff des "Versandes an den Endverbraucher" im Arzneimittelgesetz durchaus restriktiv konkretisieren könne, scheint man im Bundesgesundheitsministerium zumindest bis zum Abschluss des anhängigen Gerichtsverfahrens nicht aufgreifen zu wollen. Bei der Einführung des Versandhandels war der Gesetzgeber da noch ganz anders vorgegangen: Zwei Wochen vor dem DocMorris-Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 11. Dezember 2003 war in Deutschland der Versandhandel mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln legalisiert worden – und zwar weit über das hinaus, was europarechtlich geboten war …
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