- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 43/2007
- Arzneimittelsicherheit ...
Fortbildungskongress
Arzneimittelsicherheit und Bakterien kennen keine Grenzen
Den Nutzen und die Vorteile der inhabergeführten Apotheke im Vergleich zu Kettenapotheke stellte Hans-Günter Friese, Präsident der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, in seinem Referat dar. Er machte deutlich, dass zusammen mit einer fixen Apothekervergütung nur die inhabergeführte Apotheke die Unhabhängigkeit der Apotheke garantiert und nur diese eine hochwertige heilberufliche Beratung, Arzneimittelsicherheit und die flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln ermöglicht. Damit, so Friese, stelle die inhabergeführte Apotheke die optimale Antwort auf die Bedürfnisse der Patienten dar. Arzneimittelversorgung muss sicher, flächendeckend und sollte dazu noch preisgünstig sein – an diesen drei Vorgaben habe sich jede Form der Arzneimittelversorgung zu messen. Euuropaweit gilt für etwa 100.000 Apotheken das Fremdbesitzverbot, derzeit rund 45.000 Apotheken befinden sich in einem Mitgliedsstaat der EU, in dem Fremdbesitz möglich ist. Mit Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien halten die apothekenreichsten Länder Europas zurzeit zumindest am eingeschränkten Fremd- und/oder Mehrbesitzverbot fest. In Norwegen und den baltischen Ländern gehören bis zu 80% aller Apotheken einer Kette an; in Großbritannien, dem ältesten und größten Markt mit Apothekenketten in Europa, besitzen Branchenriesen wie Lloyds und Alliance Boots mehr als die Hälfte aller Apotheken.
Das Arzneimittel bezeichnet Friese als "janusköpfig", deswegen muss es durch den unabhängigen Apotheker dispensiert werden. Apotheker in Kettenapotheken sind im Gegensatz zu Apothekern in inhabergeführten Apotheken nicht unabhängig – sondern weisungsgebunden. Es stellt sich die Frage, ob die Gesellschaft eine Arzneimittelversorgung will, die der Gewinnoptimierung des eingesetzten Fremdkapitals dient oder der Therapieoptimierung für den Patienten? Vor allem auf kleineren Märkten haben sich schnell Kettenstrukturen herausgebildet. In den ehemaligen Ostblockstaaten gab es nach dem Wegfall der staatlichen Strukturen und Regeln viele Veränderungen: Mit wenigen Ausnahmen sind in allen Ländern Fremd- und Mehrbesitzverbot gefallen. Auch im Westen stehen immer mehr selbstständige Apotheker vor der Entscheidung zwischen Unabhängigkeit und Angestelltenkarriere: Während in einigen Ländern die inhabergeführte Apotheke Bestandsschutz genießt, sind in Norwegen, Island, Belgien und den Niederlanden Fremd- und Mehrbesitzverbot in den vergangenen Jahren gefallen. In Großbritannien, Irland und in der Schweiz sind die Märkte seit jeher strukturell dereguliert. Darüber hinaus haben in allen Ländern unabhängige Apotheken Einkaufskooperationen gegründet oder sich Franchise-Konzepten angeschlossen, die häufig von Großhändlern geführt werden. Die einzelnen Märkte unterscheiden sich hinsichtlich Größe und Struktur zum Teil erheblich.
Obwohl auch in Deutschland politisch immer wieder der Ruf nach einer Deregulierung des Apothekenmarktes laut wird, gibt es bislang keinen stichhaltigen Beweis für eine volkswirtschaftliche oder qualitative Überlegenheit von Kettenapotheken.
Gesetzliche Unsicherheit und Personalmangel in Polen
Dass die polnischen Apotheker ganz andere Probleme haben, legte Mag. Pharm. Andrzej Wrobel, Präsident des polnischen Apothekerrates, in seinem Referat dar. Die aktuellen Gesetze über die medizinische Versorgung seien in Polen sehr lückenhaft, so dass sehr große Auslegungsmöglichkeiten bestehen. Kein Entscheidungsträger möchte sich hier festlegen lassen. Wrobel hofft daher auf eine Zukunft Polens innerhalb der europäischen Gemeinschaft, mit allgemeingültigen Standars und eindeutigen Gesetzen.
Als das eigentliche Problem in Polen hob Wrobel aber die personelle Situation hervor. In Polen stehen rein statistisch gesehen nur 1,8 Apotheker in jeder Apotheke zur Verfügung. Damit lässt sich nur mühsam ein einwandfreier Betrieb aufrechterhalten. Nur in jeder vierten Apotheke sind drei Apotheker beschäftigt - das ist die Zahl, die man nach Ansicht von Wrobel unbedingt für ein funktionierendes Zwei-Schicht-System mit Grundversorgung und Nachtdienst benötigt. Die große Schlüsselfrage für die Zukunft polnischer Apotheken lautet daher, ob überhaupt alle Stellen mit Fachkräften besetzt werden können. Auch die Zahl der Studenten und der Berufsneuanfänger, die nach ihrem Studium dann im Endeffekt eine Zulassung erhalten, sind erschreckend, so Wrobel, 2004 waren dies nur 1400. Gerade in der Altersgruppe der 36- bis 45-Jährigen müssen man feststellen, dass diese sehr gut ausgebildeten Fachkräfte zunehmend nach Irland, Großbritannien und Skandinavien auswandern. Auch aus den Diskussionsbeiträgen aus dem Auditorium wurde die große Angst der polnischen Apotheker vor einem Personalschwund deutlich. Die größte Herausforderung sahen die Diskutanten darin, den jungen Apothekern die außerordentlich guten Zukunftschancen ihres Berufsstandes zu vermitteln, die sich neben der öffentlichen Apotheke auch in der Industrie, im Krankenhaus oder der Verwaltung ergeben, denn die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung ist ein Wachstumsmarkt.
Den apothekergeführten Großhandel stärken
Als ein weiteres Problem sprach Wrobel die Entwicklung des polnischen Großhandels an. Im Zeitraum von 1990 bis 2005 sei die Anzahl der Apotheken kontinuierlich gestiegen. Anders die Zahl der Großhändler: bis 1995 nahm sie zu, seit 1995 habe die Zahl jedoch extrem abgenommen, so dass heute nur noch fünf Großhändler den Markt dominieren. Wrobel beklagte, dass es fast keinen apothekergeführten Großhandel gibt. Hinzu kommt, dass sich viele Apotheker mit Dauerverträgen an einen Großhandel gebunden haben und sich damit freiwillig seinen Regeln unterordnen. 68% der polnischen Apotheken beziehen ihre Waren sogar nur bei einem Großhändler und begäben sich damit in eine starke Abhängigkeit. Wrobel fordert daher verstärkt seine Berufskollegen auf, stärker Vertriebswege in Anspruch zu nehmen, die ohne den Großhandel laufen, z. B. direkt bei den Herstellern zu bestellen, bzw. die apothekergeführten Großhändler zu stärken.
Gesundheitssystem muss nationale Angelegenheit bleiben
Der Vizepräsident der Österreichischen Apothekerkammer Magister Leopold Schmudermaier betonte, dass das gemeinsame Europa nicht nur Positives nach sich zieht. Er forderte, dass die Ausgestaltung der Gesundheitssysteme den einzelnen Nationalstaaten überlassen werden muss. Die Ausgangspositionen sind einfach zu unterschiedlich, bei einer Nivellierung in ein einheitliches europäisches Modell sieht Schmudermaier die Gefahr, dass sich niemals das höchste Niveau, das es in einem Land gibt, dabei durchsetzen wird. Er betonte, dass der Gesundheitsmarkt eben kein Markt wie jeder andere sei: Die Gesetze des freien Marktes dürfen hier nicht gelten, so lautete seine Forderung. Schmudermaier ging auch auf die laufenden Verfahren rund um das Fremd- und Mehrbesitzverbot ein.
Der Berufstand müsse sich einig sein in dem, was er will und eine einheitliche Linie in seinen Forderungen erkennen lassen. Sonst werde es einzelnen Gruppen und interessierten Kreisen allzu leicht gemacht. Der größte Verbündete der Apotheker aber, so Schmudermaier, ist der Verbraucher und Konsument. Er forderte daher dazu auf, verstärkt auch mit Verbraucherorganisationen zusammen zu arbeiten.
- Arzneimittel dürfen nur von Apothekern in Apotheken abgegeben werden. Dies gilt auch für Kleinstpackungen von Abführ- und Schmerzmitteln. (Dies schützt vor Arzneimittelmissbrauch und gefälschten Arzneimitteln.)
- Apotheken müssen ausschließlich von Apothekern mit deren persönlicher Verantwortung und Haftung geleitet werden. (So erhält der Patient unabhängige Beratung; der Apotheker ist nicht weisungsgebunden durch den Kapitalgeber.)
- Arzneimittel sollten durch gleiche, einheitliche Preise in allen Apotheken verfügbar sein. (Dies mindert den reinen Preiswettbewerb und fördert den gewünschten Dienstleistungswettbewerb -Beratung- um den Patienten.)
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.