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Treuhand Kongress
"Zukunft ist, was Sie daraus machen"
BERLIN (ks). Es gibt Vieles, das Apotheker skeptisch in die Zukunft blicken lässt: Diverse Gesundheitsreformen sorgen für sinkende Rohgewinne, undurchsichtige Rabattverträge erschweren die Arbeit, im OTC-Markt kommt es zu Preiskämpfen, Drogeriemärkte starten zum Angriff auf die Apotheke, Franchise-Systeme greifen um sich und das Fremdbesitzverbot steht auf dem Prüfstand. Doch entmutigen lassen sollte sich niemand – im Wachstumsmarkt Gesundheit wird die Apotheke auch künftig ihren Platz haben. Vorausgesetzt, sie positioniert sich rechtzeitig und wird selbst aktiv. Diese Botschaft vermittelte die Steuerberatungsgesellschaft Treuhand Hannover auf ihrem Kongress "Zukunftsmarkt Apotheke" am 20. und 21. Oktober in Berlin.
Fakt ist: Trotz eines moderaten Umsatzwachstums wird auch 2007 der durchschnittliche Rohgewinn der Apotheken sinken und nochmals geringer ausfallen als im Vorjahr. Die Spargesetze wirken, während die laufenden Kosten steigen. Ursula Hasan-Boehme, Geschäftsführerin der Treuhand Hannover, zeigte auf, an welchen Stellschrauben Apotheken drehen sollten, um auch künftig erfolgreich bestehen zu können.
Grundlegend für alle weiteren Aktivitäten ist, die Kernkompetenz als Heilberufler zu stärken – denn das pharmazeutische Wissen gibt dem Apotheker seine Daseinsberechtigung. Auf Arzneimittelverordnungen, die nach wie vor für durchschnittlich 50 Prozent des Rohertrages sorgen, kann er kaum Einfluss nehmen. Er kann sich aber fragen, ob das Umsatzpotenzial, das ihm das vorhandene Umfeld bietet, bereits voll ausschöpft ist. Daneben gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, wie sich eine Apotheke von ihrer Konkurrenz abheben kann: Etwa durch zielgruppenspezifische Beratung, besondere Dienstleistungen oder Sortimentsschwerpunkte. Ein Patentrezept für jede Apotheke gibt es nicht – vielmehr muss individuell überlegt werden, welche Spezialisierung am besten zur eigenen Apotheke passt. Das kann etwa Homöopathie sein, Wellnessangebote oder auch die Heimversorgung
OTC – nicht den Preis in den Mittelpunkt stellen
Auch über die Selbstmedikation kann sich die Apotheke profilieren. Statt schlicht die Preise zu senken, empfiehlt Frau Hasan-Boehme einen "ganzheitlichen OTC-Ansatz" und ein sorgfältig erarbeitetes Preiskonzept. Den Verkauf vor Augen – und nicht etwa gesteuert von günstigen Einkaufskonditionen – , sollte eine aktive Sortimentspolitik für Zielgruppen betrieben werden. Die Preise sollten fair und besser nicht zu billig sein. "Wer Schnäppchen anbietet, muss sich nicht wundern, wenn die Kunden zu Schnäppchenjägern werden", so Hasan-Boehme. Denn diese binden sich klassischerweise gerade nicht an eine bestimmte Apotheke. Vielmehr sollte man sich verdeutlichen, dass Apothekenkunden die Preise in der Regel nicht kennen; dies zeigten Studien immer wieder. Und so kann zuweilen auch eine gezielte Preiserhöhung ins Konzept passen. Die Treuhand hat bereits einige Erfahrungen mit preisaktiven Apotheken gesammelt. Es sei "eklatant", wie häufig dabei ein gleiches Muster beobachtet werden konnte, so Hasan-Boehme: Am Anfang solcher Preisbrecheraktionen steht meist eine deutliche Umsatzsteigerung, die in den Folgemonaten jedoch ebenso deutlich nachlässt, etwa weil die Konkurrenz mitzieht oder die Kunden schlicht bevorratet sind. Auch wenn am Ende der Aktion der Umsatz bzw. die Kundenzahl etwas höher liegt, ist das Gesamtergebnis infolge der Preissenkungen und der Kosten für die Werbung der Regel verschlechtert.
Kundenkarten nutzen
Hasan-Boehme hob zudem die Bedeutung von Kundenkarten als Instrument für die individuelle Ansprache hervor. Es sei geradezu "sträflich", dass die Informationen, die sich durch eine Kundenkarte gewinnen lassen, noch so wenig genutzt würden. Dabei zeigten Erfahrungen, dass Karteninhaber oft doppelt so viel Geld in die Apotheke bringen als andere Kunden. Ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor sind motivierte Mitarbeiter, die mehr mitbringen als ihre fachliche Qualifikation. Solches Personal will gut gepflegt sein: Sorgsame Einarbeitung, gerechte Aufgabenverteilung, Fortbildungen, gute Kommunikation und kleine Extras zur Pflege des Betriebsklimas stärken das Selbstwertgefühl und fördern somit auch die Einsatzbereitschaft.
Kooperationen und Franchising
Sorgfältig zu überdenken ist auch der Anschluss an eine Kooperation. Mehr als die Hälfte der Apotheken ist bereits in eine solche eingebunden. Bevor man sich bindet, ist aber genau zu prüfen, welche Kooperation am besten mit den eigenen Zielen und Vorstellungen zusammenpasst, wie die Leistungsstrukturen aussehen und welche Kosten sie mit sich bringen. Wer sich für eine Franchise-System interessiert, sollte besonders gut aufpassen. Hier addieren sich jährliche Kosten, Eintrittsgebühren, etwaige Umbaumaßnahmen und Werbekosten schnell zu einer erklecklichen Summe. Kommt es dann noch zu Rohgewinnverlusten infolge von Preissenkungsaktionen, rentiert sich eine Franchise-Apotheke oft nur dann, wenn sich auch die Kundenzahl und die abgegebenen Mengen überdeutlich steigern lassen.
Erfolg durch Filialisierung
Auch eine durchdachte Filialisierung kann für Wachstum sorgen. Seit knapp vier Jahren können neben einer Hauptapotheke bis zu drei Filialen betrieben werden. Zu mehr Apotheken hat dies bislang nicht geführt, wohl aber zu einer sinkenden Zahl von Apothekenleitern, die den Kuchen unter sich aufteilen. 1460 Apotheker hatten im ersten Halbjahr 2007 eine Filiale, 221 zwei Filialen und 53 drei. Die Motivation der Filialisten ist dabei höchst unterschiedlich: Der eine mag Betriebsräume für seine Kinder suchen, der andere schlägt bei einer zum Verkauf stehenden Apotheke lieber selbst zu, als sie einer wettbewerbsstarken Konkurrenz zu überlassen. Rund 300 Filialisierungen hat die Treuhand betreut – welche Erfahrungen dabei gesammelt wurden, berichtete Maik Schlüter. So sollte man nicht zwingend davon ausgehen, dass der Umsatz einer Filialapotheke den der Hauptapotheke erreicht. Zumeist ist er etwas unterdurchschnittlich – doch das sollte Schlüter zufolge nicht schrecken. Selbst wenn eine Filialapotheke nur halb so viel Umsatz macht wie die Hauptapotheke, ist dies schon ein stattliches Plus, das allein mit einer Betriebsstätte schwerlich zu erwirtschaften wäre.
Wer erfolgreich filialisieren will, muss zunächst Führungsstärke und die Bereitschaft zu delegieren mitbringen. Dann sollte er sich genaue Gedanken zum Standort und Apothekentyp machen. Wichtig ist auch die sorgsame Personalauswahl und klare Absprachen mit dem Filialleiter. Gegenseitige Erwartungen müssen besprochen werden und dem Arbeitsvertrag gegebenenfalls ein "Kompetenzraster" beigefügt werden, in dem die Aufgabenfelder verteilt werden. Läuft die Filiale, ist darauf zu achten, dass die Buchhaltung für die Apotheken getrennt läuft und jeder Warenaustausch dokumentiert wird. Nicht zuletzt ist das Controlling das A und O für den Erfolg, also das Sammeln, Aufbereiten und Analysieren von Daten, um zielgerichtete Entscheidungen treffen zu können. Dies ist in der Regel eine Führungsaufgabe. Dennoch, so Schlüter, ist es notwendig, auch dem Filialleiter Einblick in die Daten zu geben – denn auch er muss Entscheidungen treffen.
Der Kunde im Mittelpunkt
Nicht zuletzt ist ein durchdachtes Marketing ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Apotheke. Dabei ist vor allem eines wichtig, erläuterte der Professor Anton Meyer, Marketingexperte von der Universität München: Es muss in Kundendimensionen gedacht werden. Der Kunde muss die Apotheke als etwas Besonderes wahrnehmen, es gilt, eine bleibende positive Erinnerung zu schaffen – da reicht es nicht, nur freundlich zu sein. Vielmehr müsste der Kunde ein ernsthaftes Problem bekommen, wenn es die Apotheke nicht mehr gäbe, so Meyer. Um das zu erreichen, ist es nötig, Kundenwissen zu generieren, es mit den Mitarbeitern zu teilen und gemeinsam zu nutzen. So wird der Kunde letztlich mit der Erwartung in seine Apotheke kommen: "Ihr wisst besser als ich, was ich brauche". Meyer betonte, dass Apotheken einen "unglaublichen Anker" haben, der dringend zu nutzen ist: Wo sonst gibt es einen Gesundheitsexperten, der ohne Termin aufgesucht werden kann und der einen berät, ohne dass man zwingend dafür zahlen muss?
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