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Aus Kammern und Verbänden
Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie
Gesundheit aus dem Garten – Heilpflanzen gestern und heute
Jeder Apotheker weiß, welch wichtige Rolle Heilpflanzen in der Pharmazie spielen. Wie leer sähe es in den Apotheken aus, wenn es nicht die bewährten Arzneien aus der Natur gäbe! So befasste sich eine gemeinsame Fortbildungsveranstaltung der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg und der Landesgruppen Baden und Württemberg der DGGP am 13. und 14. Oktober in Waiblingen mit dem Thema: Heilpflanzen gestern und heute.
Über die Geschichte des Heilpflanzenanbaus berichtete Dr. Michael Mönnich. Die Kultivierung von Heilpflanzen wurde im Mittelalter vor allem von den Klöstern betrieben. Einen Eindruck davon, wie man sich einen mittelalterlichen Klostergarten vorzustellen hat, vermittelt der St. Galler Klosterplan. Dieser Plan eines idealtypischen Klosters, der um 820 auf der Insel Reichenau entstand und sich heute in der Bibliothek des Klosters St. Gallen befindet, weist bereits einen Apothekenraum und einen Heilpflanzengarten auf.
In der Renaissance entwickelte sich ein neues Naturverständnis, die Beobachtung der Natur rückte in den Fokus der Wissenschaften. Es wurden die ersten botanischen Gärten angelegt, um den Medizinstudenten einen Anschauungsunterricht der Materia medica zu ermöglichen. Der erste Garten dieser Art entstand 1544 in Pisa. In Deutschland folgte diesem Beispiel u.a. der Eichstätter Garten, der 1596 entstand. In Tübingen baute der Medizinprofessor Leonhart Fuchs, Autor des "New Kreüterbuch" (1543), bereits 1535 in seinem eigenen Garten Arzneipflanzen an; mit der Anlage eines botanischen Gartens begann man allerdings erst 1663.
Während des Nationalsozialismus, insbesondere im 2. Weltkrieg, nahm in Deutschland der Anbau von Arznei- und Gewürzpflanzen wegen des erschwerten Imports dieser Güter zu. Seit Ende der 80er-Jahre erlebt er erneut einen Aufschwung, vor allem in den Bundesländern Thüringen und Bayern. Darüber hinaus entstehen auch neue Apothekergärten, die auf anschauliche Weise Kenntnisse über Heilpflanzen vermitteln, beispielsweise in Ulm.
Beinwell
Wie sehr die heutige Anwendung von pflanzlichen Arzneimitteln auf dem Wissen vergangener Jahrhunderte fußt, zeigte Dr. Christiane Staiger. Ein beeindruckendes Beispiel ist der Beinwell (Symphytum officinale), der in ganz Europa beheimatet ist und dessen Name bereits auf das Indikationsgebiet hinweist. Das griechische "sympho" bedeutet "zusammenwachsen". Bereits Plinius der Ältere (1. Jh. n. Chr.) berichtete über die Anwendung von Beinwell bei Quetschungen, Verrenkungen, Wunden und als Emmenagogum. Im Mittelalter änderten sich die Indikationsgebiete des Beinwells nur unwesentlich, während in der Neuzeit weitere hinzukamen, wie etwa rheumatische Erkrankungen oder der Bluterguss. Beschreibungen des Beinwells und seiner Anwendungen finden sich in vielen Kräuterbüchern, so auch in dem bereits erwähnten "New Kreüterbuch" des Leonhart Fuchs.
Im 20. Jahrhundert erhöhte sich die Zahl der Indikationsgebiete zwar deutlich, doch standen Knochenerkrankungen und -verletzungen sowie Wunden weiterhin im Vordergrund. Als Arzneidroge wird heute – wie bereits im 16. Jahrhundert – die Wurzel gegenüber Blättern und Kraut bevorzugt; die entsprechenden Medikamente werden bei Muskel- und Gelenkerkrankungen, Arthrose, Zerrungen, Prellungen und Verstauchungen angewendet. In einer Reihe von klinischen Studien konnte belegt werden, dass die Wirkung solcher Präparate derjenigen von Synthetika nicht nachsteht, ohne dass Neben- oder Wechselwirkungen auftreten.
Passionsblume
Eine nicht minder interessante Heilpflanze stellte Prof. Dr. Marcus Plehn vor: die in Amerika heimische Passiflora incarnata • Dabei ging er auch auf die Signaturenlehre ein. Sie besagt, dass äußere Erscheinung, Geruch und Geschmack einer Pflanze (oder eines Pflanzenteils) Hinweise auf ihre Heilwirkung geben. Für die Passionsblume, deren Name bereits andeutet, dass sie mit den Leiden Christi in Verbindung gebracht wurde, ergaben sich gemäß der Signaturenlehre die Anwendungsbereiche Schlaflosigkeit, Schmerzstillung und Melancholie.
In Europa machten die Jesuiten die Passionsblumen bekannt. Allerdings waren sie hierzulande zunächst nur Zierpflanzen, was sich im 19. Jahrhundert änderte, als amerikanische Siedler bei den Indianern die Verwendung der Passiflora incarnata als Heilmittel beobachteten. Nach einer anfänglich zögerlichen Aufnahme in den Kanon der Arzneipflanzen im 20. Jahrhundert erhielt sie im Jahr 2003 eine ESCOP-Monographie und ist somit in Europas wichtigster Sammlung anerkannter Heilpflanzen vertreten. Indikationsgebiete, die durch aktuelle Forschungsergebnisse belegt wurden, sind Unruhezustände, Angespanntheit und Schlaflosigkeit. In verschiedenen Mono- und Kombipräparaten steht damit ein sehr gut verträgliches Phytopharmakon zur Verfügung, das auch für Kinder geeignet ist.
Melisse
Über die 2000-jährige Geschichte der Melisse als Heilpflanze berichtete Dr. Thomas Richter. Wie den Beinwell, so kannte man auch die Melisse bereits in der Antike als wertvolle Arzneipflanze. Später beschrieb der arabische Gelehrte Avicenna (980–1037) ausführlich ihre psychovegetativen und gastrointestinalen Heilwirkungen. Diese Kenntnisse gingen im 12. Jahrhundert in die medizinisch-pharmazeutische Literatur des Abendlandes ein, im Rahmen des Wissenstransfers von der arabischen Medizin zur europäischen Hochschulmedizin, die sich im hohen Mittelalter herausbildete.
Große Anerkennung zollte man der Melisse auch in der Klostermedizin, die ihre wohltuende Wirkung bei Leiden neurologischer, gynäkologischer, dermatologischer und internistischer Art beschrieb. Hildegard von Bingen empfahl sie zudem bei Augenerkrankungen. In der Moderne avancierte der Melissengeist zu einem der bekanntesten Markenprodukte auf dem deutschen Markt, das sich nach wie vor großer Beliebtheit erfreut.
Melissenpräparate werden heutzutage sowohl innerlich als auch äußerlich angewendet, insbesondere bei funktionellen Magen-Darm-Beschwerden, nervösen Einschlafstörungen und Herpes simplex.
Apothekergarten
Einen gelungen Abschluss fand die Veranstaltung mit der sachkundigen Führung von Apothekerin Ira Ikonomu durch den hinter der Nikolauskirche an der Stadtmauer, hoch über dem Tal der Rems gelegenen Waiblinger Apothekergarten, dessen Anfänge in das 17. Jahrhundert zurückreichen. Sein heutiges Erscheinungsbild erhielt er erst vor einigen Jahren mit Hilfe von Waiblinger Apothekern. Man kann dem Bürgermeister der Stadt, Herrn Martin Staab, nur beipflichten, der den Apothekergarten als Kleinod von Waiblingen bezeichnete.
Dr. Susanne S. Tesche
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