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Universität Marburg

Zukunftsperspektiven am Tag der Pharmazie

Der Tag der Pharmazie der Universität Marburg am 24. Oktober stand unter dem Motto "Approbation – was nun?", um den Studierenden eine Orientierung für die Wahl ihres künftigen Berufsweges zu geben. Den wissenschaftlichen Schwerpunkt des Programms bildete die Antrittsvorlesung von Prof. Dr. Torsten Steinmetzer über Proteaseinhibitoren, die als Arzneistoffe eine aussichtsreiche Zukunft in vielfältigen Indikationsgebieten versprechen.

Als Einstieg in die Veranstaltung vergab der Dekan des Fachbereichs Pharmazie, Prof. Dr. Michael Keusgen, die diesjährigen Promotionspreise an Dr. Barbara Wegscheid und Dr. Bernhard Stengl. Wegscheid hatte "In-vitro- und In-vivo-Untersuchungen der Interaktion von bakterieller RNase P mit dem t-RNA-3`-CAA-Ende" vorgenommen. Die Ribonuklease P ist als ubiquitäres Enzym essenziell für das Wachstum von Organismen. Eine Besonderheit des Enzyms stellt die große und für die katalytische Aktivität bedeutende RNA-Untereinheit dar. Die physiologischen Bedingungen für die Funktion des Enzyms wurden in der prämierten Arbeit am Beispiel von E. coli nicht nur in vitro, sondern auch in vivo untersucht.

Stengl wurde für die "strukturelle und funktionelle Charakterisierung der t-RNA-Guanin-Transglykosylase" ausgezeichnet, die ein potenzielles Target zur Behandlung der Bakterienruhr darstellt. Auf der Suche nach einem Inhibitor für das Enzym klärte Stengl Einzelheiten der Funktionsweise des Enzyms auf. Das strukturbasierte Wirkstoffdesign führte zu Chinazolinonen und lin-Benzoguaninen als Inhibitoren.

Angehörige der Fachschaft gaben einen Überblick über die Strukturierung der Inhalte des Pharmaziestudiums in Marburg. Wie es nach dem Studium weitergehen kann, erläuterten Referenten aus verschiedenen Gebieten der Pharmazie.

Dr. Thomas Müller-Bohn, Süsel, machte die Gefahren und Chancen für die Zukunft der öffentlichen Apotheke deutlich. Die bewährte heilberufliche Funktion des Apothekers wird durch Angriffe auf das Fremdbesitzverbot, durch Überregulierung wie beispielsweise mit Rabattverträgen, durch problematische Gestaltungen der Integrierten Versorgung, aber auch durch Dumpingkonzepte aus den eigenen Reihen der Apotheker gefährdet. Große Chancen bieten dagegen die demografische Entwicklung und die gesellschaftlichen Trends zu Prävention, Risikobewusstsein und Qualitätssicherung. Neue anspruchsvolle Arzneistoffe vergrößern den Beratungsbedarf und die Anforderungen an die Weiterverarbeitung von Halbfertigwaren in der Rezeptur. Weitere Chancen bieten die Auswertung pharmakogenetischer Tests und die Individualisierung der Therapie im Zusammenhang mit der Pharmazeutischen Betreuung. Als aussichtsreiche neue Berufsperspektive für Apotheker stellte Müller-Bohn die Pharmakoökonomie vor, die insbesondere in der Industrie Arbeitsplätze verspricht. Dafür ist ein Aufbaustudium erforderlich.

Dr. Josef Landwehr, Monheim, stellte anhand seines eigenen Lebenslaufes die Vielfalt der Betätigungsfelder für Apotheker in der Pharmaindustrie dar. Mögliche Einsatzgebiete sind Qualitätskontrolle, Zulassung, Produktion, analytische Entwicklung, klinische Forschung und Marketing. In vielen Positionen hat die Zusammenarbeit mit Behörden und internationalen Partnern große Bedeutung. Die Arbeit in führender Position kann produktbezogen als Projektleiter oder standortbezogen als Werksleiter erfolgen. Einige Bereiche sind dem Studium inhaltlich recht nahe, während andere eher von der Betriebswirtschaftslehre dominiert werden. Die Arbeit in einem mittelständischen Pharmaunternehmen bietet eher einen Überblick über die Vielfalt der Tätigkeiten als in einem Großkonzern.

Priv.-Doz. Dr. Michael Hartmann, Jena, warb für die Tätigkeit in Krankenhausapotheken, die nach seiner Einschätzung die umfassendste Abbildung der Pharmazie in einem Berufsfeld darstellt. Die Arbeit in einer Krankenhausapotheke gliedert sich in Logistik, Arzneimittelherstellung und pharmazeutische Dienstleistungen. Der Erfolg des Apothekenleiters wird u. a. daran gemessen, ob die Ärzte ihre Verordnungsbudgets einhalten. In der Herstellung dominieren Infusionen, Nährlösungen für Frühgeborene, patientenindividuelle Zubereitungen und Produkte für klinische Prüfungen. Unter den Dienstleistungen ist die Arzneimittelinformation eine der ureigensten Apothekeraufgaben, mit deren Hilfe die Therapien verbessert und Kosten eingespart werden können. Hinzu kommen das Drug Control und die Teilnahme an Visiten. Für angehende Krankenhausapotheker sind Aufbaustudiengänge zu empfehlen, wenn sie eine Leitungsposition anstreben.

Proteaseinhibitoren – Erfolge und Misserfolge

Prof. Dr. Torsten Steinmetzer vom Institut für Pharmazeutische Chemie berichtete in seiner Antrittsvorlesung über "Erfolge und Misserfolge bei der Arzneistoffentwicklung von synthetischen Proteaseinhibitoren".

Da Proteasen an nahezu allen physiologischen Prozessen beteiligt sind und dabei insbesondere zur Aktivierung oder Deaktivierung von Hormonen dienen, werden Proteaseinhibitoren in sehr vielen Indikationsgebieten untersucht und teilweise bereits eingesetzt. Sie werden nach den Aminosäureresten in ihrem katalytischen Zentrum bezeichnet.

Beispiele für Serinproteasen sind Sitagliptin und Vildagliptin, die als Inhibitoren der Dipeptidylpeptidase IV gegen Diabetes mellitus verwendet werden. Andere Serinproteasen wurden mit unterschiedlichen Erfolgen zur Hemmung der Blutgerinnung untersucht. Bivalirudin wirkt als Thrombininhibitor, ist aber nicht oral einsetzbar. Das oral applizierte Ximelagatran musste wegen seiner Lebertoxizität vom Markt genommen werden, doch ist die Zulassung oraler Faktor-Xa-Inhibitoren in den nächsten ein bis zwei Jahren zu erwarten. Die Metalloproteinaseinhibitoren bieten sowohl Beispiele für große Erfolge als auch für große Misserfolge, denn einerseits sind die ACE-Hemmer weit verbreitet, und andererseits sind Matrixmetalloproteinaseinhibitoren wie Marimastat in der Krebstherapie gescheitert und haben bis zur Insolvenz der Anbieter geführt.

Weitere Beispiele für erfolgreiche Proteaseinhibitoren bilden die Hemmstoffe der HIV-Protease, der kürzlich zugelassene Renin-Inhibitor Aliskiren (Rasilez®) und Bortezomib (Velcade®), das als Inhibitor einer Threoninprotease gegen das multiple Myelom eingesetzt wird.

Für die Zukunft sieht Steinmetzer insbesondere in den Hemmstoffen der Cysteinproteasen aussichtsreiche Arzneistoffkandidaten: Cathepsininhibitoren könnten gegen Osteoporose, Caspaseinhibitoren gegen die Apoptose bei Leberschäden und Hemmstoffe viraler Proteasen gegen Infektionen eingesetzt werden, beispielsweise gegen Picornaviren. Eine Phase-III-Studie zum Einsatz gegen Rhinoviren ist jedoch erfolglos abgebrochen worden.

Ingesamt machte der Vortrag die Vielfalt der potenziellen Einsatzgebiete von Proteaseinhibitoren, aber auch die große Gefahr von Misserfolgen bei dieser Forschung deutlich. tmb

Promotionspreise Dekan Prof. Dr. Michael Keusgen (Mitte) zeichnete Dr. Barbara Wegscheid und Dr. Bernhard Stengl mit dem Promotionspreis des Fachbereichs Pharmazie der Universität Marburg aus.
Foto: DAZ/tmb
Antrittsvorlesung Prof. Dr. Torsten Steinmetzer sprach beim Marburger Tag der Pharmazie über Proteaseinhibitoren als Arzneistoffe.
Foto: DAZ/tmb

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