Apothekenleiter im Gespräch mit ADEXA

"Beratung ist die Existenzberechtigung der Apotheke"

Christian Melzer führt in Berlin drei Apotheken mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Die Hauptapotheke und eine Filiale befinden sich im Süden Berlins im Bezirk Treptow, die zweite Filiale liegt in Berlin-Mitte. Seine erste Apotheke eröffnete Melzer 2000 im Praxiszentrum Adlershof in einer ehemaligen Poliklinik aus DDR-Zeiten. Als ein neues Einkaufszentrum in unmittelbarer Nähe entstand, ließ er sich dort nieder, um eine mögliche Konkurrenz abzuwehren. Die Apotheke im Praxiszentrum wurde geschlossen und erst 2004 wieder eröffnet, als das Mehrbesitzverbot fiel. Damit war Melzer einer der ersten Apotheker, der eine Filiale eröffnete. 2006 kam dann die zweite Filiale hinzu.

A Herr Melzer, wie hat sich Ihre Arbeit durch die Filialleitung geändert?

Melzer: Meine Profession ist eigentlich die fundierte Beratung der Patienten, allerdings komme ich heute nicht mehr so häufig dazu. Als Apothekenleiter mit Filialen, der noch im HV steht, würde ich nach Aussagen der Betriebswirte etwas falsch machen. Trotzdem lasse ich es mir nicht nehmen, die Beratungsleistung der Apotheke immer wieder in den Vordergrund zu stellen, denn die Beratung ist die eigentliche Existenzberechtigung der Apotheken. Die Patienten akzeptieren im Gegenzug längere Wartezeiten, um ausführlich und ganzheitlich beraten zu werden. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Personalführung. Schätzungsweise über 50 % meiner Tätigkeit fallen in diesen Bereich.

A Wie viele Angestellte arbeiten denn in Ihrem Unternehmen?

Melzer: Momentan sind das drei Apotheker, drei Pharmazieingenieure, zwei PTA, drei PKA, ein Azubi und ein bis zwei Praktikanten sowie Fahrer als Boten. In Berlin-Mitte steht für die Belieferung von Arzneimitteln ein Dienstfahrrad bereit, da es wenig Parkmöglichkeiten gibt.

A Sind Ihre MitarbeiterInnen an den Standort der Apotheke gebunden oder müssen sie je nach Bedarf zwischen den Apotheken wechseln?

Melzer: Anfangs hatten wir ein Rotationsverfahren getestet, da eine der drei Apotheken am Samstag geschlossen ist und mitarbeiterfreundlichere Arbeitszeiten hat. Das hat sich aber nicht bewährt, weil die Patienten gerne ihre feste Bezugsperson bei der Beratung konsultieren. Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang auch eine ausgewogene Altersverteilung in der Offizin – eine meiner Mitarbeiterinnen habe ich vor zwei Jahren im Alter von 63 Jahren eingestellt.

A Herr Melzer, Sie haben ein Seminar zur Mitarbeiterführung besucht. Welche Erkenntnisse konnten Sie dadurch gewinnen?

Melzer: Ich hatte viele "Aha-Erlebnisse". Ein Beispiel: Das noch am Vortag des Seminars geführte Mitarbeitergespräch war völlig ins Leere gelaufen. Seitdem kündige ich Mitarbeitergespräche an und gebe einen Fragenkatalog an die Hand, der eine gezielte Vorbereitung ermöglicht. Früher habe immer nur ich geredet, es gab keine richtige Kommunikation. Dabei fühlte ich mich sehr sozial, nur bei meinen MitarbeiterInnen kam das eher autoritär an. Seit dem Seminar ist das Gespräch einfach offener. Das hat den Umgang miteinander deutlich erleichtert. Auch Teamgespräche sind mir ein wichtiges Anliegen. Allerdings bin ich dabei nicht der Gesprächsleiter, sondern es ist jeweils eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter, die bzw. der das Gespräch führt. Hier lösen die MitarbeiterInnen die Probleme selbstständig. Diese Gespräche finden vierteljährlich statt. Wir haben dabei eine Regelung, dass die Zeit zur Hälfte auf die Arbeitszeit angerechnet wird.

A Herr Melzer, der Tarifvertrag für Apothekenmitarbeiter sieht vor, dass diese Zeit voll auf die Arbeitszeit angerechnet werden muss. Wir empfehlen, das noch einmal zu bedenken. Ansonsten kann das schnell zu unmotivierten Angestellten führen. Apropos: Wie steht es ganz allgemein mit der Mitarbeitermotivation in Ihren Apotheken?

Melzer: An erster Stelle soll die Demotivation meiner Angestellten vermieden werden. Alle haben klar definierte Verantwortungsbereiche, in denen sie selbstständig arbeiten können, jede und jeder nach den eigenen Stärken. Bedingt durch die zwei Filialen ist es wichtig, dass es eine gute Kommunikation gibt, die gewährleistet, dass alle den gleichen Informationsstand haben. Dazu gibt es in meinen Apotheken den sogenannten "Wochenbrief".

A Welche besondere Zielsetzung hat Ihre Filiale in der Wilhelmstraße?

Melzer: Hier war meine Begeisterung für ein medizinisches Konzept ausschlaggebend: Die Apotheke soll zukunftsorientiert in ein Medizinzentrum eingebunden werden, dessen Schwerpunkt im Bereich der Infektionskrankheiten liegt. Auch chronische Erkrankungen, die mit Infektionen einhergehen oder durch sie verursacht werden, werden mit einbezogen. Durch eine Verbindung der pharmazeutischen Betreuung mit medizinischen Konzepten entstehen in dem Pilotprojekt Qualitätsstandards. Eine elektronische Patientenkarte gehört ebenso dazu wie eine ganzheitliche Therapie des Patienten. Bei unserem Modell steht definitiv der Patient und seine Heilung im Mittelpunkt – im heutigen Gesundheitswesen sind das leider meistens die Kosten.

A Sicher kommt da viel Arbeit auf Sie zu. Das kann der Apothekenleiter doch nicht alleine leisten …

Melzer: Da die Beratungsleistung vorwiegend von den Mitarbeitern erbracht wird, müssen diese das Konzept natürlich mittragen. Ich denke hier auch an die Prävention von Krankheiten und einen ganzheitlichen Ansatz. Ein Beispiel wäre die Ernährungsberatung, die in die Kompetenz der Apotheke eingebunden werden kann. Dazu würde ich einen Ernährungsberater einstellen. Das bedeutet aber auch, dass Beratungsleistung "Geld wert" ist. Es kann nicht sein, wenn kostendeckend gearbeitet werden soll, dass dieser Service an den Verkauf von Produkten gekoppelt werden muss. Damit ist definitiv ein Beratungshonorar einzufordern.

A Was hat sich speziell durch die Rabattverträge der Krankenkassen geändert?

Melzer: Der Zeitaufwand ist weitaus höher als vor den Verträgen. Intern wurde in meinen Apotheken diskutiert, die Suche nach dem Arzneimittel am PC im Backoffice vorzunehmen, da es den Mitarbeitern oft unangenehm war, den Patienten vor dem Computer warten zu lassen. Inzwischen sind wir aber zu der Überzeugung gelangt, dass es besser ist, den Patienten aktiv mit einzubeziehen und im Vorhinein sein Einverständnis für die Recherche einzuholen. Wenn wir das entsprechende Präparat nicht direkt beliefern können, bieten wir an, es per Boten zuzustellen. Ein wichtiges Argument dafür ist gegenüber den Patienten, dass sie für eine weitere Konsultation der Apotheke Fahrtkosten für öffentliche Verkehrsmittel zahlen müssten. Das gilt besonders in der Hauptapotheke, da diese in keiner Wohngegend liegt.

A Und das rechnet sich?

Melzer: Den Kosten für den Boten steht ein Gewinn der Apotheke von 5,80 Euro gegenüber. Auf Dauer kann das nicht geleistet werden – Apotheken sind schließlich keine karitativen Unternehmen.

A Herr Melzer, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Barbara Neusetzer, Vorstandsvorsitzende von ADEXA.
Christian Melzer
Foto: Adexa

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