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Schwerpunkt Prostata-Ca
Prävention desProstatakarzinoms
Das Prostatakarzinom ist in Deutschland die häufigste bösartige Tumorerkrankung des Mannes (etwa 48.650 Neuerkrankungen im Jahre 2002) und steht bei den tumorbedingten Todesursachen hinter dem Bronchialkarzinom (28.742 Todesfälle) und den bösartigen Darmtumoren (14.014 Todesfälle) an dritter Stelle (11.422 Todesfälle) [1].
Aufgrund dieser Häufigkeit des Prostatakarzinoms sind präventive Maßnahmen wünschenswert. Dabei erscheinen mehrere Faktoren bedeutsam. Dies ist einerseits die lange Latenzzeit von einer prostatischen intraepithelialen Neoplasie bis zur tatsächlichen Erkrankung. So wurden durch Autopsiestudien latente Prostatakarzinome mit einer Prävalenz von etwa 50% im Alter von 50 Jahren und 70 bis 80% bei 70- bis 80-jährigen Männern gefunden (mittleres Erkrankungsalter etwas über 70 Jahre) [2]. Diese lange Zeitphase bis zur klinischen Manifestation des Prostatakarzinoms scheint ein genügend großes Zeitfenster für einen wirkungsvollen Effekt von nutritiven und pharmakologischen Präventionsmaßnahmen zu bieten.
Des Weiteren ist vor allem die Progression der Erkrankung von geographischen oder ethnischen Faktoren abhängig. Im weltweiten Vergleich finden sich erhebliche Unterschiede in der Inzidenz. Die Inzidenzrate reicht von 3/100.000 in Zentralasien bis zu 160/100.000 Einwohnern in Nordamerika [3]. In der EU findet sich hinsichtlich der Inzidenz ein Nord-Süd-Gefälle (Schweden 55/100.000; Italien 27/100.000), wobei Deutschland an Platz fünf und Griechenland an letzter Stelle steht [4].
Als ursächlich verantwortlich für diese Differenzen in der Inzidenz werden am ehesten unterschiedliche Ernährungsgewohnheiten angesehen. Diese Annahme wird durch Beobachtungen gestützt, dass die Prostatakarzinominzidenz asiatischer Männer, die nach Europa oder in die USA emigrieren, binnen weniger Generationen bis auf die landesübliche ansteigt [5;6].
Die Ernährung in Asien ist daher vor allem geprägt durch reichlich pflanzliche und ballaststoffreiche Kost und weniger durch tierische Produkte, deren Konsum in der westlichen Welt überwiegt.
Im Rahmen zahlreicher Studien erwiesen sich vor allem Isoflavone, grüner Tee und Sojamilch sowie die Supplementierung von Vitaminen und Spurenelementen, hier vor allem von Vitamine D und E sowie Selen als günstig [7]. Hinsichtlich des Carotinoids Lycopin trat eine unerwartete Kehrtwendung bezüglich einer Ernährungsempfehlung ein.
Lycopin – no magic tomato?
Lycopin (Lycopen) gehört zur Gruppe der Carotinoide und wird in hohen Konzentrationen in Tomaten, Hagebutten und anderen roten Früchten und Gemüsesorten gefunden (typische Rotfärbung). Nach Erhitzung oder Verarbeitung (z. B. Tomatensaft) steigt die Verfügbarkeit von Lycopin aufgrund der Zellfreisetzung. Die biologische Wirkung ist vor allem antioxidativ, das heißt, es ist ein potenter Radikalfänger. Verschiedene Studien deuten auf eine Reduktion des allgemeinen Krebsrisikos insbesondere des Prostatakarzinoms durch den Konsum von Lycopin hin. Die geschätzte Risikoreduktion für das Prostatakarzinom beträgt 30 bis 40%, allerdings ist die Evidenz aufgrund verschiedener Untersuchungen nicht eindeutig [8]. Im Tiermodell fand sich ebenfalls ein protektiver Effekt einer auf Tomaten und wenig Kalorien basierenden Ernährung hinsichtlich des Prostatakarzinoms [9].
Klarheit und eine überraschende Kehrtwende in der Beurteilung von Lycopin hinsichtlich einer Prävention ergab die neueste Studie mit über 28.000 Männern (Alter 55 –74; Studienende 2001) im Rahmen des "Prostate, Lung, Colorectal and Ovarian (PLCO) Cancer Screening Trial" [10]. Die Ergebnisse wiesen keinen Zusammenhang zwischen dem Konsum von Lycopin und einer Prävention des Prostatakarzinoms auf. Vielmehr deutete sich eine Beziehung zwischen dem verwandten Antioxidans Beta-Carotin (Vorstufe von Vitamin A) und einem erhöhten Risiko für aggressive Prostatakarzinome an.
Isoflavone
Isoflavone gehören zu den Flavonoiden und kommen vor allem in Sojabohnen und anderen tropischen Hülsenfrüchten vor. Sie weisen eine schwache geschlechtshormonelle Wirkung auf (Phytoestrogene). In einigen Tiermodellen wurde ein antiproliferativer Effekt hinsichtlich des Prostatakarzinoms in einer auf Sojabohnen basierenden Ernährung nachgewiesen [11;12]. Die Annahme eines präventiven Nutzens der Sojabohne wird durch epidemiologische Studien belegt [13]. Eine prospektive Studie mit 12.395 Teilnehmern (The Adventist Health Study; USA) ergab bei regelmäßigem Verzehr (mindestens einmal täglich) von Soja-Milch eine 70%ige Risikoreduktion für die Entwicklung eines Prostatakarzinoms [14]. Eine kleine Fall-kontrollierte Studie aus Japan erbrachte ebenfalls eine signifikante positive Korrelation zwischen dem Isoflavon-Konsum und der Risikoreduktion des Prostatakarzinoms [15].
Grüner Tee
Die Bewertung des grünen Tees als mögliche präventive Maßnahme resultiert aus dem verstärkten Konsum und der gleichzeitig geringen Inzidenz des Prostatakarzinoms in Asien. Bisherige Arbeiten bezogen sich auf die im grünen Tee enthaltenen Polyphenole. In Zellkulturen und Gen-Expressions-Versuchen wurde ein antiproliferativer Effekt beobachtet [16]. Ein extensiver Verzehr von grünem Tee kann jedoch zu toxischen Schäden der Leber oder des Gastrointestinaltraktes führen [17].
Fisch statt Fleisch
Der präventive Einfluss einer fischreichen (marine Fettsäuren) und eher fleischarmen Ernährung wird aufgrund von epidemiologischen Studien vermutet. Allerdings liegen diesbezüglich kontroverse Untersuchungen vor [18]. Ein deutliches Plus für eine fischreiche Ernährung fand sich in der "Health-Care- Professional-Follow-up"-Studie. Hier ließ sich eine signifikante Risikoreduktion für das Auftreten des Prostatakarzinoms, vor allem im metastasierten Stadium in Abhängigkeit des wöchentlichen Fischkonsums feststellen [19].
Diät
Inwiefern eine Diät präventive Auswirkungen auf die Entwicklung des Prostatakarzinoms hat, lässt sich aus einer multicentrischen prospektiven Studie aus zehn europäischen Ländern (EPIC = European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition) mit über 150.000 Männern ableiten. So findet sich wahrscheinlich keine negative Korrelation zwischen dem Konsum von Früchten und Gemüse und dem Prostatakarzinom, wie dies beispielsweise für das Bronchialkarzinom (Früchte) oder das Magenkarzinom (Zwiebel, Knoblauch) gefunden wurde [20].
Inwiefern eine reine Gewichtsreduktion als mögliche Prävention verstanden werden kann, ist bis heute nicht klar. Allerdings wurde in einem Rattenmodell das Körpergewicht auf bis zu 25% reduziert, ohne dass sich ein negativer Effekt auf die Entwicklung eines Prostatakarzinoms herauskristallisiert hat [21].
Vitamin D und E
Im Rahmen einer Prävention des Prostatakarzinoms scheinen auch die Vitamine D und E eine protektive Wirkung auszuüben. Die Korrelation zwischen dem deutlichen Nord-Süd-Gefälle hinsichtlich der Inzidenz für das Prostatakarzinom und dem Serumspiegel an aktivem Vitamin D (Faktoren: UV-Einstrahlung, Hautpigmentierung) sowie dessen antiproliferativer Effekt wurde bereits belegt [22; 23]. Diese Hypothese bildet sich in der niedrigen Inzidenz des Prostatakarzinoms in Japan ab, bei einer insgesamt Vitamin-D-reichen Ernährung (Fisch) und der nachgewiesenen erhöhten Vitamin-D-Rezeptor-Dichte in japanischen Männern [24]. Vitamin-D-Analoga mit geringer hyperkalzämischer Wirkung werden aktuell in Phase-I- und -II-Studien untersucht [25].
Große Bedeutung obliegt ebenfalls dem Vitamin E und hier vor allem dem α-Tocopherol als der bedeutendsten biochemisch aktiven Form. Es weist erhebliche antioxidative und antiproliferative Eigenschaften auf. Im Rahmen von Präventionsstudien zum Lungenkarzinom verringerte sich die Prostatakarzinominzidenz um 32% in der Probandengruppe mit regelmäßigem α-Tocopherol-Konsum (50 mg täglich) [26; 27]. Äquivalent wurde eine erhöhte Inzidenz des Prostatakarzinoms bei Teilnehmern mit niedrigem α-Tocopherol-Serumspiegel festgestellt [28].
Interessant scheint auch das γ-Tocopherol, was in einer Studie zur Differenzierung der einzelnen Vitamin-E-Formen und deren Verhältnis hinsichtlich der Prostatakarzinominzidenz signifikant das Risiko der Entstehung eines Prostatakarzinom reduzierte [29].
Selen
Selen ist Bestandteil vieler antioxidativ wirkender Enzyme und wird vor allem über Getreide, Fisch und Milchprodukte aufgenommen. Den höchsten Gehalt haben Paranüsse (1917 µg/ 100 g). Die empfohlene Tagesdosis in Westeuropa liegt bei 200 µg. Auch für Selen als Spurenelement konnte ein protektiver Effekt hinsichtlich der Entstehung des Prostatakarzinoms in groß angelegten Studien ermittelt werden. Initial kristallisierte sich diese Beziehung in einer Präventionsstudie zum nichtmelanomatösen Hautkrebs heraus, wo eine tägliche Selennahrungsergänzung von 200 µg die Prostatakarzinominzidenz signifikant reduzierte [30]. In der "Nutritional- prevention-of-cancer"-Studie wurde die Prostatakarzinominzidenz durch die Einnahme von mit Selen angereicherter Hefe um 50% reduziert [31].
Zur eindeutigeren Klärung dieser Beobachtungen laufen momentan zwei Studien zur Bedeutung von Selen und Vitamin E. Die "SWOG 9917"-Studie der South Western Oncology Group (Dauer vier Jahre, n = 450) untersucht den Effekt einer täglichen Selen-Nahrungssupplementierung von 200 µg versus Placebo bei Probanden mit einer nachgewiesenen prostatischen intraepithelialen Neoplasie; die Ergebnisse stehen noch aus.
Die weitaus größere ist die "SELECT"-Studie, die seit dem Jahre 2001 mit 32.400 Probanden (PSA < 4 ng/ml) läuft. Geprüft wird die Wirkung von Selen (200 µg) und Vitamin E (400 mg α-Tocopherol) allein oder in Kombination gegenüber einem Placebo [32]. Die Ergebnisse sollen 2013 vorliegen.
COX-2-Inhibitoren
Als einen möglichen Angriffspunkt in der Prävention sah man in der Vergangenheit auch die Cyclooxygenase 2, welche in prostatischen intraepithelialen Neoplasien vermehrt exprimiert wird [33]. Eine Präventionsstudie mit Rofecoxib wurde jedoch aufgrund der kardiovaskulären Toxizität mittlerweile eingestellt.
Prävention auf hormoneller Ebene
Parallel zu möglichen präventiven Maßnahmen nutritiver Art wird aufgrund der Androgenabhängigkeit des Prostatakarzinoms die Auswirkung von hormonell wirksamen Substanzen hinsichtlich des Prostatakarzinomrisikos intensiv geprüft. Ein Angriffspunkt ist das Enzym 5-Alpha-Reduktase, was intrazellulär Testosteron in Dihydrotesteron umwandelt. Dieses Enzym weist in der Prostata japanischer Männer im Vergleich mit der weißen und schwarzen Bevölkerung in den USA eine signifikant niedrigere Aktivität auf [34]. Die nun in der Behandlung der benignen Prostatahyerplasie eingesetzten 5-Alpha-Reduktasehemmer Finasterid und das neuere Dutasterid sind Gegenstand von Studien hinsichtlich einer eventuellen Risikoreduktion des Prostatakarzinoms. Im Rahmen des "Prostate Cancer Prevention Trial" (PCPT) wurden über sieben Jahre 18.882 Probanden (initialer PSA-Wert ≤ 3 ng/ml) mit Finasterid oder einem Placebo behandelt (bioptische Kontrolle bei PSA-Wert > 4 ng/ml bzw. einer suspekten rektalen Palpation oder regulär zum Studienende). In der Finasterid-Gruppe trat eine um 24,8% reduzierte Prävalenz des Prostatakarzinoms gegenüber dem Placebo-Arm auf. Jedoch fanden sich in der Verum-Gruppe mit 6,4% mehr "wenig differenzierte" Prostatakarzinome (Gleason-Score 7–10) als in der Placebo-Gruppe [35]. Allerdings steht dem entgegen, dass eine Hormonbehandlung eine Veränderung der Zytoarchitektur mit Vortäuschung einer histologisch geringeren Differenzierung (höherer Gleason-Score) zur Folge hat [36]. Zusätzlich ist die Wahrscheinlichkeit höher, durch die randomisierte Biopsie ein Prostatakarzinom bei gleichzeitig geringeren Prostatavolumina zu finden. Während einer Behandlung mit einem Alpha-Reduktase-Hemmer kommt es zu einem deutlichen Volumenrückgang. Aufgrund dieser teils konträren Ergebnisse liegt aktuell keine Empfehlung einer präventiven Einnahme von Finasterid vor.
Die internationale "REDUCE"(Reduction-by-Dutasteride-of-Prostate-Cancer-Events)-Studie untersucht Dutasterid bei 8000 Probanden (initialer PSA-Wert 4 bis 10 ng/ml, negative Prostatabiopsie) Placebo-kontrolliert über vier Jahre mit Kontrollbiopsien nach zwei und vier Jahren. Die Ergebnisse stehen noch aus.
Fazit
Insgesamt kristallisieren sich mögliche präventive Maßnahmen zur Risikoreduktion des Prostatakarzinoms heraus. Eine grundsätzlich mediterran orientierte Ernährung mit Gemüse, Obst, Fisch und weniger Fleisch ist empfehlenswert, wobei jedoch Tomaten (Lycopin) an Bedeutung abgenommen haben. Speziell ein regelmäßiger Konsum von Sojamilch hat einen hohen präventiven Charakter. Die Nahrungsergänzung mit Vitaminen (v. a. D und E) als auch Selen erscheint sinnvoll; eine endgültige Aussage wird hier von der "SELECT"-Studie erhofft.
Eine Chemoprävention mit Alpha-Reduktasehemmern kann momentan nicht generell empfohlen werden. Inwiefern sich hier eine valide Prävention des Prostatakarzinoms ergibt, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sicher sagen.
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Für die Verfasser:Prof. Dr. Manfred P. WirthKlinik und Poliklinik für Urologie, Technische Universität DresdenFetscherstr.01307 Dresden
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