Arzneimittelversand

Versandapotheken in Deutschland

In der Woche vom 16. bis 21. Juli 2007 wurde eine Untersuchung über die Versandapothekenlandschaft in Deutschland stichprobenartig erhoben. Ein Blick auf die über die Suchmaschine Google gefundenen Versandapotheken offenbart neben einigen Kuriositäten auch deutliche Rechtsverstöße einiger Versandapotheken. Eine Überwachung solcher Internetseiten von Seiten der Behörden findet offenbar nicht statt. Vor diesem Hintergrund stellen sich zahlreiche Fragen in Richtung Arzneimittelsicherheit.

Die Auswahl begann mit der Eingabe des Wortes "Versandapotheke" in die Suchmaschine Google und Beschränkung auf "aus Deutschland". Es ergab sich eine Trefferzahl von über 2 Mio. Einträgen. Es wurde der Suchmaschine überlassen, daraus die relevantesten, nicht redundanten "Treffer" auszuwählen und diese 384 wurden einzeln betrachtet.

Dann wurden jeweils (mindestens) die erreichte Startseite und das – oft mühsam aufzufindende – Impressum per screenshot gesichert. Bei subjektiven Auffälligkeiten wurden auch weitere Seiten der web-Präsentation untersucht.

Neben der Tatsache, dass viele der Versandangebote in Art und Aufmachung nicht dem Anspruch des Autors an "apothekenübliche Erscheinungsbilder" genügten, sondern eher reißerische Aufmachung aufwiesen, fiel auf, dass sich hinter vielen Treffern, trotz der Vorgabe von Google, die gleichen Apotheken als "Basis" fanden. Dazu gibt es im web eine Vielzahl von "Verzeichnissen" und "Suchmaschinen", die auf eine jeweils offensichtlich geringe Anzahl – möglicherweise bezahlte links? – von Versandapotheken hinweisen oder "Preisvergleiche" verschiedener Versandapotheken anbieten.

Die Präsentation vieler Versandapotheken ist erstaunlich eng an einem Schema orientiert, rechts und links die Angebote in "Kästen", in der Mitte der Text. Möglicherweise sind viele der Angebote nach dem Schema der Phoenix konstruiert (Abb. 1). Die Unterstützung, die "versandapothekenwillige" Apotheker seit Anbeginn durch Phoenix erfahren, ist überhaupt beeindruckend. Man könnte auf die Idee kommen, hier läge ein langfristiger Businessplan zugrunde. In Zusammenarbeit mit Agenturen braucht der "Willige" wenig zu tun, vieles läuft durch den Phoenix-Shop automatisiert (Abbildung 2, aus mehreren Seiten zusammengeschnitten):

Daneben gibt es sehr wenige, individuell aufgebaute Seiten, allerdings darunter auch solche, die trotz angeblicher Aktualisierung (siehe Beispiel: 20.07.07, 6:11 war die Aufrufzeit, dies setzt das Programm, um den Aufrufenden zu täuschen, als letzte Bearbeitung ein) offensichtlich seit Jahren nicht gepflegt (Abb. 3 aus zwei Seiten zusammenkopiert) wurden und "tot" sind.

Auch erhebliche "Pflegemängel" lassen auf eine gewisse "Lieblosigkeit" der betreibenden Apotheker(innen) schließen. Vermutlich wird das "euphorisch gezeugte Kind" heute (außer bei den wenigen "Großen") – wegen enttäuschter Umsatzerwartungen – eher als Wechselbalg angesehen.

Beispiel: Bernie24 begrüßt (aufgerufen am 20. Juli 2007) seine Kunden mit den Worten:

"Sehr verehrte Kundinnen und Kunden, seit knapp einem Jahr erlaubt der Gesetzgeber Versandhandel mit Medikamenten in Deutschland. Dabei liegen die Vorteile auf der Hand. Sie, als Kunden, sind nicht an die Ladenöffnungszeiten gebunden und können per Internet rund um die Uhr ordern."

Zur Erinnerung: Der Versandhandel ist seit 2004 zugelassen. Wir würden bei diesem Kollegen auch nicht in der Präsenzapotheke kaufen, wir erwarten von einer Apotheke mehr Sorgfalt.

Oder die "aktuelle" Meldung der BAD-Apotheke:

"Zuzahlungsfreie Arzneimittel ab 1. Juli 2006

Ab dem 1. Juli 2006 sind mehr als 2000 rezeptpflichtige Arzneimittel aus 79 Wirkstoffsgruppen ohne Zuzahlung erhältlich. Diese Neuregelung ist auf das kürzlich verabschiedete Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG) zurückzuführen: Für preisgünstige Arzneimittel, die mindestens 30% unter den von den Krankenkassen festgesetzten Preisgrenzen liegen, wird die Zuzahlungspflicht aufgehoben."

Auch hier sei dem Herrn Apotheker eine Meldung der GKV (http://www.gkv.info/gkv/index.php?id=445) vom 15. Juli 2007 verraten: Derzeit stehen 11.341 Präparate zur Verfügung, für die keine gesetzliche Zuzahlung (10% des Abgabepreises, mindestens 5,- Euro, maximal 10,- Euro) geleistet werden muss.

Beeindruckend ist dann auch, wie man bei selbstgesetzten Standards versagen kann. Der mycare-versandapotheke – offensichtlich Mitglied des BVDVA – reichte es offensichtlich nicht, nur dessen Siegel zu führen (Abb. 4).

Stattdessen werden auch weitere "Siegel" o. ä., die dem Kunden Sicherheit geben sollen, auf der web-Seite gezeigt, z. B. von afgis (Abb. 5).

Klickt man dann auf das afgis-Siegel erscheint die Einblendung, die Abb. 6 zeigt. Ob dies wirklich das Kundenvertrauen erhöht?

Wesentlich deutlichere Mängel als Vorstehendes weisen aber die "schwarzen Schafe" auf, die wir in dieser Stichprobe von nur 384 aus über 2 Mio. glauben gefunden zu haben. Die Endbeurteilung obliegt natürlich den Aufsichtsbehörden, wir können hier nur referieren, wie wir die Präsentation im web vorfanden.

Es handelt sich hierbei um fünf Fälle aus 384 (eine Hochrechnung, so sehr sie auch naheliegt und so gespenstisch sie auch anmutet, auf die zu erwartende Zahl in den 2 Mio. oder gar im gesamten Angebot im web von ca. 30 Mio.H.G. Schweim, "Arzneimittel im Internet-Versandhandel – sicher!?", Deutsche Apotheker Zeitung, 27, 3058 – 3063, (2007). Fundstellen im gesamten web wäre dennoch unseriös).

Davon sind zwei Angebote aus Tschechien. In zwei weiteren Fällen wird von Nicht-Apothekern Arzneimittelversand, und dabei offensichtlich auch der Verkauf verschreibungspflichtiger Arzneimittel ohne Rezept, angeboten. Bei dem fünften Internetauftritt werden ganze Listen, die auch verschreibungspflichtige Arzneimittel aufführen, frei zugänglich gemacht. In allen Fällen haben wir die zuständige Aufsichtsbehörde informiert.

1. Tschechische Apotheke:

Dieses Angebot zielt zweifelsfrei auch auf deutsche Kunden ab. Nach unserem Wissen wurde 2005 eine Länderliste veröffentlicht, auf welcher die EU-Mitgliedsstaaten, die auch ohne Versandhandelserlaubnis nach dem Apothekengesetz Medikamente nach Deutschland versenden dürfen, stehen. Auf der Liste stehen UK (ohne Einschränkungen) und die Niederlande (Einschränkung: nur wenn die Versandapotheke gleichzeitig eine Präsenzapotheke unterhält.) Damit verstößt dieses Vorgehen gegen deutsches Recht. Da hier kein Ansatzpunkt für eine lokal zuständige Überwachungsbehörde (z. B. ein Regierungspräsidium) gegeben ist, haben wir in diesem Fall das Bundesgesundheitsministerium informiert, da unseres Wissens derartige Fälle auf Ministeriumsebene (i. d. R. das Außenministerium) zu verfolgen sind (siehe Abb. 7).

2. Tschechische Apotheke:

In diesem Falle wird interessanterweise ein lokales Postfach in Hagen angegeben. Unseres Erachtens ist damit eine lokale Zuständigkeit gegeben (Abb. 8).

1. Fall Nicht-Apotheker:

Wir haben bei bennewitz.com testhalber "Viagra" eingegeben. Als Ergebnis erhalten Sie mehrere Angebote an Viagra.

2. Fall Nicht-Apotheker:

Das Impressum ist in diesem Fall sehr interessant. Wir sind gespannt, ob man mit so etwas vor Gericht durchkommt (Abb. 9).

Im letzten Beispielsfall wird man direkt aus dem Internet (also auch der Laie) auf lange Auflistungen (das Beispiel ist aus mehreren Seiten zusammenkopiert) von auch verschreibungspflichtigen Arzneimitteln geleitet. Unseres Wissens ist das mit dem Heilmittelwerbegesetz (HWG) nicht vereinbar (Abb. 10).

Eine Recherche in der Welt der Versandapotheken fördert nicht nur Kurioses, sondern – vermutlich – auch erhebliche Rechtsverstöße zu Tage. Es sind nicht nur die "bösen unseriösen" Händler in einem Land "ganz weit weg", nein, sie sind direkt vor unserer Haustür und werden von Google dem Nutzer als "aus Deutschland" präsentiert. Und offenbar vielfach sogar im Zugriffsbereich Deutscher Überwachungsbehörden. Aber leider wurden die Bestimmungen über den Versandhandel offensichtlich geschaffen, ohne das Problem – hier die Überwachung – zu Ende zu denken. Die Überwachung ist faktisch unmöglich und die Sicherheit für den Bürger wäre ohne den Versandhandel mit Arzneimitteln größer. Besonders, da sich die (Einspar-)Erwartungen in ihn nicht erfüllt haben. Im Jahr 2002http://www.aeksh.de/SHAE/2002/200205/h025043a.html wurde das "Einsparpotenzial bundesweit auf 766 Mio. Euro (ist) zugunsten der solidarisch finanzierten GKV (zu realisieren)" geschätzt. Davon hat sich faktisch fast nichts realisiert. Die Arzneimittelausgaben sind konstant geblieben. Im gesamten Jahr 2006 hat die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) 23,7 Milliarden Euro für Medikamente ausgegeben. Dies entspricht einem Zuwachs gegenüber 2005 von lediglich 1,3 Prozent, der geringer als die Inflationsrate (1,8 Prozent) ausfällt. Als Grund für diese moderate Ausgabenentwicklung nannte die ABDA das Arzneimittelsparpaket (AVWG). Folgende Komponenten tragen das Sparvolumen: rückläufige Preisentwicklung, erhöhter Generikarabatt, Rückgang der Packungszahlen. Unter dem Strich hat das AVWG die GKV also um 256 Millionen Euro entlastetNach: http://www.apothekerkammer-bremen.de/index.php?area=1&np=7,67,0,0,0,0,0,0&newsbc-=Arzneimittelausgaben%20in%202006%20stabil%20gebliebenApotheker%20geben%20Jahreszahlen%20bekannt%20-%20Arzneimittelspargesetz%20wirkt&news=373 .

Der Versandhandel entlastet nur so minimal, dass sein Beitrag nicht erfassbar scheint.

"2007Zitat von Dr. M. Wille, BV-LKK, nach: http://lsv.de/lsv_all_neu/presse/sdl/sdl-2007-1.pdf kann davon ausgegangen werden, dass nur rund 0,5 bis 1% der Arzneimittelausgaben der Krankenkassen bisher über die Versandhandelsapotheken abgewickelt wird. Im Bereich der Arzneimittelausgaben spielt daher die Versorgung der Versicherten mittels Arzneimitteln, die über die Versandhandelsapotheke bestellt wurden, keine entscheidende Rolle. Eine im Dezember 2006 vom Bundesgesundheitsministerium veröffentlichte Statistik (GKV KV 45) für das Jahr 2006 zeigt, dass der Anteil des Versandhandels an den Ausgaben der GKV für Arzneimittel stark rückläufig ist: Im ersten Quartal 2006 betrug der Anteil 0,8 Prozent, im zweiten 1,1 Prozent, im dritten Quartal fiel er ab auf 0,2 Prozent. Der Versandhandel bleibt also gesundheitspolitisch ein zweischneidiges Schwert, auch wenn aktuelle Untersuchungen zeigen, dass nur sehr wenige Versicherte bisher auf den Versandhandel zurückgreifen." – Zitat von Dr.Marion Wille vom Bundesverband der Landwirtschaftlichen Krankenkassen.

Es wäre also besser, man hätte den risikoträchtigen Unfug gelassen oder würde ihn schnellstmöglich beenden.

Anschrift der Verfasser:

Dipl. Jur. Janna K. Schweim, Prof. Dr. Harald G. Schweim, Universität Bonn

Drug Regulatory Affairs
Abb. 10: Mit dem Heilmittelwerbegesetz nicht vereinbar: Listen mit Rx-Arzneimitteln.
Abb. 2: In Zusammenarbeit mit Agenturen und "Phoenix" lassen sich leicht Online-Seiten aufbauen.
Abb. 3: Online-Seiten wollen gepflegt sein – die erste Euphorie scheint oft schnell zu schwinden.
Abb. 4: Gütesiegel sollen die Seriosität unterstreichen.
Abb. 5: Vor allem der Einbau des afgis-Siegels soll für Transparenz und Glaubwürdigkeit stehen.
Abb. 6: Ob dieser Hinweis Vertrauen schafft?
Abb. 7: Website einer tschechischen Versandapotheke – keine Versandhandelserlaubnis für Deutschland.
Abb. 8: Tschechische Versandapotheke mit Postfach in Hagen – ein Fall für die Überwachungsbehörden.
Abb. 9: Fraglich, ob ein solches Impressum auch vor Gericht bestehen könnte.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.