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DAZ aktuell
Innovationen bei Phytopharmaka
Viele Optionen, schlechte Rahmenbedingungen
LAHNSTEIN (hb). Pflanzliche Arzneimittel sind sicher keine Wirkstoffgruppe, die zwangsläufig mit einer regen Innovationstätigkeit assoziiert wird. Dennoch, so das Fazit des 4. Finzelberg-Symposiums am 15./16. November in Lahnstein, gibt es auch bei Phytopharmaka zahlreiche Angriffspunkte für lohnende Weiterentwicklungen. Die Rahmenbedingungen lassen allerdings noch sehr zu wünschen übrig.
Basis-Innovationen gehören wegen der begrenzten Ressourcen der Hersteller pflanzlicher Arzneimittel nach Einschätzung von Dr. Frauke Gaedcke, Andernach, eher weniger zu den machbaren oder sogar lukrativen Optionen im Phyto-Bereich. Während für die Entwicklung eines neuen pflanzlichen Wirkstoffs heute acht bis zwölf Jahre veranschlagt werden müssen, können Schrittinnovationen dagegen möglicherweise schon in zwei bis fünf Jahren realisiert werden. Die Hersteller sollten daher eher auf Letztere setzen.
Gaedcke führte hierzu die folgenden Optionen an: Innovationen durch
- Drogen wie Rhodiola rosea, Boswellia serrata oder Andrographis paniculata, die zwar nicht in der Europäischen Union, wohl aber in anderen Regionen gut etabliert sind,
- Optimierung der Qualität EU-bekannter Drogen (Beispiel Weidenrinde, hier konnte der Salicingehalt durch die vegetative Vermehrung von Klon-Zelllinien auf vier Prozent gesteigert werden),
- neue oder optimierte Herstellungsverfahren für Extrakte (bei Hypericum erhält man z. B. durch selektive Extraktion mit überkritischem Kohlendioxid komplett neue Wirkstoffe),
- Optimierung der Wirkung bekannter Extrakte,
- neue Anwendungsgebiete für bekannte Arzneidrogen,
- klinische Studien mit neuen und bekannten pflanzlichen Extrakten/Wirkstoffen bei Kindern.
Gerade bei Kindern fehlen nicht nur klinische Studien, sondern auch kindgerechte Arzneiformen. Hier hält Gaedcke die Chancen sogar für besonders groß, nicht zuletzt deswegen, weil die Bereitschaft bei den Eltern, ihre Kinder an Studien mit pflanzlichen Arzneimitteln teilnehmen zu lassen, wahrscheinlich größer als bei chemisch definierten Wirkstoffen ist.
Vor einer Überbewertung von "High-Tech-Varianten" klassischer Extraktformen warnte Prof. Dr. Volker Schulz, Berlin. Zwar haben diese der Phytotherapie aus seiner Sicht präparativ, analytisch und klinisch einen großen Schub gebracht, andererseits implizieren sie für ihn aber auch die Gefahr der Loslösung von der Klinik und Praxis. Schulz präferiert daher grundsätzlich eine Rückkehr der Phytotherapie "unter den Schutz der besonderen Therapierichtungen" mit einem wesentlichen Bezug auf die deutsche und europäische Tradition der Drogen, beklagt jedoch andererseits die erheblichen Defizite im Bereich der klinischen Forschung mit Phytopharmaka. Zusätzlicher Gegenwind entsteht durch große US-Studien mit Phytopharmaka, die meist nur einen Gleichstand mit Placebo gezeigt haben. Dabei glaubt Schulz, dass die Ergebnisse placebokontrollierter Studien bei den für Phytopharmaka relevanten Indikationen nicht repräsentativ für die tatsächlichen Behandlungserfolge in der Praxis sind, da die Wirksamkeit bei Phytopharmaka seiner Erfahrung nach mehr als bei chemisch definierten Wirkstoffen vom therapeutischen Umfeld abhängt. Er rät den Herstellern vor diesem Hintergrund dazu, ihre Aktivitäten bei Neuentwicklungen pflanzlicher Arzneimittel auf bestimmte Indikationen wie etwa psychosomatische Erkrankungen zu fokussieren.
Rückgänge in Deutschland und Frankreich
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Innovationen pflanzlicher Arzneimittel sind derzeit nicht sehr ermutigend. Zwar wächst der europäische Markt nach den Ausführungen von Dr. René Roth-Ehrang, Andernach, insgesamt noch (2006: + 1,2% gegenüber 2005), aber Länder wie Deutschland und Frankreich verzeichnen drastische Marktrückgänge. Demgegenüber erfreuen sich andere wie Italien, Großbritannien, Belgien und Portugal moderater (zwischen 5 und 10%), oder die osteuropäischen Länder, allen voran die Slowakei (annähernd 25%) und Russland (knapp 15%), sogar kräftiger Zuwachsraten. Als "deutsches Dilemma" bezeichnete Roth-Ehrang, dass das hohe Niveau pflanzlicher Arzneimittel in Deutschland, dem Vorreiter der Phytotherapie in Europa, über die europäische Rechtsprechung ausgehebelt wird und dies zu erheblichen Rechtsunsicherheiten und Benachteiligungen für deutsche Unternehmen führt. Pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel, als Weg des geringeren Widerstandes von vielen präferiert, sind für ihn trotzdem keine Alternative, und so richtete er den nachdrücklichen Appell an die anwesenden Wissenschaftler, Industrie- und Behördenvertreter, die gemeinsamen Anstrengungen fortzusetzen, um nicht nur den in Deutschland ereichten Standard, sondern auch die pflanzlichen Arzneimittel in Europa als solche zu erhalten.
Unterlagenschutz für Neuentwicklungen
Nachhaltig um die Verbesserung der Situation in Deutschland bemüht ist auch der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH), wie die zuständige Fachreferentin Dr. Barbara Steinhoff, Bonn, darlegte. Ihr Verband versucht, dem Ansehensverlust, den die pflanzlichen Arzneimittel vor allem durch den Ausschluss aus der Kassenerstattung erlitten haben, im Rahmen eines Projektes unter dem Titel "Phyto-Image 2007" mit Hochschulveranstaltungen, Posterausstellungen und Info-Broschüren gegenzusteuern. Auf dem regulatorischen Sektor engagiert sich der BAH für die Stärkung des dualen Systems mit der Zulassung auf Basis der langjährigen therapeutischen Anwendung (well-established use, WEU) sowie der Registrierung als traditionelles Arzneimittel, wobei dem WEU als "höherwertiger" Alternative je nach Datenlage so weit als möglich der Vorzug gegeben werden sollte. Auch Steinhoff sieht die Rahmenbedingungen für pflanzliche Innovationen derzeit nicht als ausreichend an. Es fehlen Anreize für klinische Studien, öffentliche Mittel zur Forschungsförderung sowie last not least ein Unterlagenschutz, der es den Unternehmen erlaubt, ihre Investitionen über die Dauer der Alleinvermarktungsfrist zumindest teilweise wieder hereinzuholen.
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