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Apothekenpraxis
Was ein Blisterbetrieb leisten muss
Um diesen Markt nicht anderen Anbietern zu überlassen, bietet die Blisterpharm die Lohnverblisterung anderen Apotheken an: von Apothekern für Apotheker. Wir sprachen mit den Gesellschaftern von Blisterpharm, den Apothekern Dr. Martin Zimmermann und Michael Marxen, und dem Geschäftsführer Apotheker Dr. Christian Hensen, warum sie Blisterpharm gegründet haben und welche Ziele sie verfolgen.
DAZ Was hat Sie zur Gründung von Blisterpharm bewogen?
Marxen: Ideologisch die Überzeugung, dass die Zukunft der Apotheke in der Schaffung von pharmazeutischem Mehrwert liegt. Da das Arzneimittel ja überall identisch ist, sehen wir einen Mehrwert in der patientenindividuellen Arzneimittelversorgung durch Verblisterung, mit der eine enorme Compliancesteigerung möglich wird.
Praktisch die in einem 18-monatigen Testlauf in unseren beiden Apotheken gemachte Erfahrung, dass das Betreiben eines Automaten für die eigenen Patienten in der Apotheke wirtschaftlich kaum darstellbar ist. Wir wollten die patientenindividuelle Arzneimittelversorgung aber keinesfalls aufgeben, da wir einerseits den enormen Qualitätsgewinn sahen, andererseits die sich im Markt entwickelnden Alternativen mit Skepsis verfolgten.
Zimmermann: Da ein "Mitverblistern" für andere Apotheken nicht erlaubt ist, entschlossen wir uns zum Bau eines Herstellungsbetriebs. Übrigens ganz bewusst ohne Beteiligung Dritter. Die Erlaubnis zur Lohnverblisterung als Hersteller nach § 13 AMG haben wir nach langem Vorlauf schließlich am 27. März 2007 von der Bezirksregierung Düsseldorf erhalten. Somit sind wir ein behördlich zugelassener Lohnhersteller.
DAZ Sie können jetzt also interessierten Apotheken anbieten, Wochenblister für ihre Kunden bei Ihnen zu beziehen?
Marxen: Ja, aber im Unterschied zu anderen Anbietern sehen wir große qualitative und strategische Unterschiede: Wir wollen der Apotheke lediglich den Prozess der Blisterproduktion exakt nach deren Vorgaben abnehmen. Alles andere im Rahmen der patientenindividuellen Arzneimittelversorgung verbleibt in der Hoheit der Apotheke vor Ort! Wir haben und wollen keinen Kontakt zum verordnenden Arzt! Wir sehen das dahinterstehende Rezept gar nicht. Wir haben und wollen auch keine Versandapotheke oder Apothekenkette! In unserem Konzept bleibt die Apotheke vor Ort also wirklich unersetzlich.
Zimmermann: Um es noch einmal deutlich zu machen: Bei uns verbleibt die Verantwortung für den Medikationsplan sowie der Kontakt zu Arzt, Heim, Pflegedienst und Patient ausschließlich in der Apotheke! Wir haben und wollen deren Daten gar nicht, uns interessiert nur der Datensatz der Apotheke, aus dem wir 1:1 einen Blister herstellen.
DAZ Wo sehen Sie den Nutzen der Verblisterung?
Marxen: Den Nutzen können wir ganz einfach transparent machen. Man sieht ihn schon am Blistertütchen, man kann ihn aber auch in Euro und Cent ausrücken.
DAZ Und wie sieht es mit den angesprochenen Qualitätsaspekten aus?
Zimmermann: Unser Advanced Multi-Dose Blister ist eine um die Einnahmezeitpunkte optimierte Kalenderpackung. Es sind jeweils die zu einem Einnahmezeitpunkt gehörenden Arzneimittel zusammengepackt. Dies ermöglicht – übrigens im Gegensatz zu anderen Systemen, bei denen nur starre Einnahmezeitpunkte vorgegeben werden – auch die in vielen Fällen essenzielle Unterscheidung in Abhängigkeit von den Mahlzeiten. Genau diese Informationen gehen doch gewöhnlich großenteils verloren oder werden nicht befolgt.
Hensen: Wir können von Unit-Dose bis Multi-Dose je nach Kundenwunsch jede Abpackungsweise der festen Oralia vornehmen. Die erwähnte Advanced Multi-Dose halten wir persönlich für das qualitative Optimum. Die Therapiefreiheit bleibt bei der Verblisterung durch Blisterpharm erhalten, da wir maschinell bedingt glücklicherweise keinerlei Beschränkung auf ein feststehendes Arzneimittelsortiment brauchen. Arzt und Apotheker vor Ort bestimmen die zu verblisternden Arzneimittel.
DAZ Es gibt Kollegen, die sich ebenfalls mit der Verblisterung beschäftigen und der Blisterpharm vorwerfen, die Voraussetzungen und Ansprüche ans Verblistern sehr hoch zu treiben. Wie begegnen Sie solchen Vorwürfen?
Marxen: Wir sehen die Notwendigkeit dazu, auch im Vergleich mit anderen Playern, die hier mitmischen wollen. Um der Gesellschaft eine Qualität zu bieten, müssen wir einen gewissen Standard schaffen. Es geht uns nicht darum, mit diesem Standard Kollegen abzuschrecken. Wir sehen unsere Kapazität so beschränkt, dass wir hoffen, es möge weitere Blisterzentren in Deutschland geben. Nur dann wird das Verblistern in Zukunft in Apothekerhänden bleiben können.
DAZ An welche Patientengruppe wendet sich ihre Art von Arzneimittelversorgung?
Zimmermann: Unsere Idee zielt zunächst vor allem in Richtung Heimversorgung. Nur wenn wir Apotheker es flächendeckend schaffen, eine qualitativ hochwertige Heimversorgung sicherzustellen – wobei die Blisterlieferung an das Heim nur einen Teil darstellen sollte – werden die Apotheken die Heimversorgung nicht verlieren. Heimbelieferung darf nicht auf Blisterlieferung reduziert werden. Die Apotheken sollten aber – falls erforderlich – diese auch liefern können.
Marxen: Darüber hinaus sehen wir den Patientenkreis kaum beschränkt: Auch Pflegedienste und Individualpatienten sind begeistert, wenn sie von dieser Versorgung profitieren können. Pflegedienste entlasten ihr Personal. Außerdem haben sie ihren Kunden gegenüber einen großen Marketingeffekt. Und nicht zuletzt kann auch der Patient zu Hause von der Verblisterung profitieren. Der Apothekenkunde wird, das ist unsere Überzeugung, ebenfalls eine Zielgruppe für die Verblisterung sein.
DAZ Gehen Sie davon aus, dass der Wunsch von Pflegeheimen immer größer wird, in Zukunft mehr patientenindividuelle Blister einzusetzen?
Zimmermann: Ja, auf alle Fälle. Wir sehen hier einen eindeutigen Trend.
DAZ Welche Qualitätsaspekte sind beim Prozess der Verblisterung von einem Herstellungsbetrieb wie Blisterpharm oder in der Apotheke zu beachten?
Zimmermann: GMP gilt für Apotheken und Herstellungsbetriebe. Die verfügbaren Verblisterungsmaschinen sind derzeit aufgrund von beispielsweise Cross-Kontamination und Staubbildung nicht GMP-gerecht. Wir haben sie deshalb aufgerüstet. Blisterpharm entwickelt gerade einen eigenen Bausatz zum Hochrüsten mit Trichter, Absaugvorrichtungen etc. Eine Vielzahl weiterer qualitätsrelevanter Maßnahmen ist erforderlich. Einige Stichworte dazu sind Abriebtest der Tabletten, Reinigungsvalidierungen, Maschinen- und Personalqualifizierungen, Herstellungsvalidierung, In-Prozess-Kontrollen, Endkontrolle im Vier-Augen-Prinzip oder mit qualifizierten optischen Maschinen, chargen- und patientengenaue Dokumentation jeder einzelnen verblisterten Tablette, Stabilitätsprüfungen im Kanister und im Blister.
DAZ Und welche Ausgangsstoffe verwenden Sie?
Hensen: Der Einsatz von Bulkware ist in Deutschland verboten. Wir verwenden ausschließlich direkt von renommierten deutschen Herstellern oder vom Großhandel bezogene zugelassene Fertigarzneimittel, deren Verblisterbarkeit vor dem erstmaligen Einsatz geprüft wird, z. B. die Licht- und Feuchteempfindlichkeit, der Abrieb, das Gefahrenpotenzial etc.
Da unsere Fertigarzneimittelauswahl nicht auf beispielsweise 400 Präparate beschränkt ist, können wir auf eine Arztsoftware verzichten. Eine solche Arztsoftware würden wir im Übrigen auch aus strategischen Gründen ablehnen. Was die Vorlaufzeit anbelangt: Wir brauchen den Datensatz der Apotheke nur 48 Stunden vorher.
DAZ Wie haben Sie die Frage der Beipackzettel gelöst?
Zimmermann: Wir sind gesetzlich dazu verpflichtet, Beipackzettel zu liefern. Das tun wir auch jetzt schon, wenn wir als Apotheke, nicht als Blisterpharm, Heime beliefern.
DAZ Welche Pflichten und Risiken haben die Apotheken beim Bezug von Ware der Blisterpharm?
Zimmermann: Die Blisterpharm hat als Lohnhersteller einen gesetzlich geforderten Verantwortungsabgrenzungsvertrag, der der Aufsichtsbehörde vorgelegt werden musste; hier werden auch die gesetzlich geforderten Versicherungen ausgewiesen. Selbstverständlich hat die Blisterpharm als Hersteller eine eigene Produkthaftpflichtversicherung.
DAZ Für welche Apotheken könnte Blisterpharm der richtige Partner sein?
Hensen: Für alle, die eine patientenindividuelle Arzneimittelversorgung auch über Blister sicherstellen wollen oder müssen und die Anschaffung einer eigenen Maschine mit den damit verbundenen Folgeinvestitionen in Raum, Personal, Dokumentation etc. scheuen oder als unwirtschaftlich ablehnen.
DAZ Wer macht von den Apotheken schon mit? Wie hoch sind die Kapazitäten von BP?
Zimmermann: Bisher haben wir sieben Apotheken, die unseren Service nutzen. Unsere Kapazität liegt derzeit bei 5000 Wochenblistern, davon werden derzeit 1200 produziert. Nachdem wir nach drei Monaten Qualifizierung und Prozessvalidierung jetzt ein optisches Endgerät in der Endkontrolle einsetzen dürfen, macht es Sinn, die Produktion hochzuziehen. Unser Plan ist, alle sechs Monate die Produktion um 3000 Wochenbetten zu steigern. Unser derzeitiger Reinraum ist auf 20.000 Wochenbetten ausgelegt. Dann müssten wir erweitern.
DAZ Ist das alles noch finanzierbar? Rechnet sich das überhaupt?
Hensen: Uns ist klar, das in unserem Gesundheitswesen selbst qualitative Quantensprünge nur bei Kostenneutralität umsetzbar sind und wir uns als Hersteller im Einkauf finanzieren müssen. Wir haben hier eine Anschubfinanzierung gemacht in einen Markt, an den wir glauben, weil es einen Qualitätsgewinn gibt in Richtung Compliance und weil es den Stand der Apotheke im Markt erhält. Sie schafft einen Mehrwert zum Arzneimittel.
Unser Honorarmodell ist so ausgelegt, dass die Apotheken ihren Kunden die patientenindividuelle Arzneimittelversorgung anbieten können, ohne sich im Einkauf zu verschlechtern.
Marxen: Unabhängig davon sollte der Deutsche Apothekerverband endlich die vom Gesetzgeber vorgesehenen Abrechnungsverhandlungen mit den Kostenträgern aufnehmen. Brauchbare Vorschläge hierzu liegen ihm vom Bundesverband der klinik- und heimversorgenden Apotheker (BVKA) bereits vor. Man sollte nicht mehr abwarten und riskieren, dass andere hier vorpreschen.
DAZ Wer sind die potenziellen Kunden von Blisterpharm?
Zimmermann: Unsere Zielgruppe sind Apotheker ab einem Versorgungsumfang von ca. 100 Blisterpatienten. Es ist eher die kleinere bis mittlere Apotheke, die sich dann unter Zuhilfenahme von Blisterpharm im umkämpften Markt der Heimversorgung behaupten kann. Er hat keine Investitionen, er muss sich keine Blistermaschinen kaufen, sondern nimmt unsere Dienstleistungen in Anspruch. Auf unserer Homepage www.blisterpharm.de findet er fundierte betriebswirtschaftliche Zahlen dazu.
DAZ Mal konkret: Was kosten den Apotheker die Blisterpharm-Leistungen?
Zimmermann: Derzeit verlangen wir 3,45 Euro pro Patient pro Woche.
DAZ Wie schnell können Sie liefern?
Marxen: Wenn die Bestellung, der Datensatz aus der Apotheke bei uns eingegangen ist, ist der fertige Blister spätestens nach 48 Stunden in der Apotheke. Die Auslieferung erfolgt über einen Paketdienst.
DAZ Sie haben die Behörden angesprochen. Wie stehen diese zur Verblisterung?
Zimmermann: Wir können nur von den Erfahrungen bei Blisterpharm berichten: Durchaus vorhandene Skepsis konnte aufgrund der offensichtlichen Optimierung der Arzneimittelversorgung und der vorgenommenen Qualitäts- und Sicherheitsmaßnahmen überwunden werden. Die Heimaufsicht begleitete die ersten Lieferungen über nahezu ein halbes Jahr. Die zuständige Amtsapothekerin besuchte sowohl die Apotheke als auch die Blisterpharm. Zahlreiche Amtsapotheker(innen) und deren Fachvorgesetzte aus Bezirksregierungen verschiedener Bundesländer statteten der Blisterpharm einen Besuch ab. Der für Nordrhein-Westfalen verantwortliche Ministerialrat erließ anschließend einen Erlass für die Apothekerkammern Nordrhein und Westfalen-Lippe, die Bezirksregierungen in Nordrhein-Westfalen und die Amtsapotheker.
DAZ Wie sehen Sie die weiteren Entwicklungen zum Thema Verblisterung?
Marxen: Sehr positiv, denn der Benefit einer patientenindividuellen Arzneimittelversorgung ist offensichtlich, transparent und vom Gesetzgeber im GKV-WSG schon berücksichtigt. Und viele Entscheidungsträger erkennen, dass eine solche Versorgung über unabhängige Apotheken vor Ort einer monopolistischen Anbieterstruktur mit vertikaler Marktdurchdringung qualitativ und wirtschaftlich überlegen ist. Wir sind sehr zuversichtlich, mit unserem Vorsatz "Von Apothekern für Apotheker" richtig zu liegen. Wir wollen dazu beitragen, einen aufkommenden pharmazeutischen Hot-Spot zum Nutzen der unabhängigen öffentlichen Apotheken und der Gesellschaft zu besetzen.
DAZ Nach wie vor gibt es harte Kritiker des Verblisterns. Wie schätzen Sie hier die Lage für die Zukunft ein?
Zimmermann: Seit der Gesetzgeber im GKV-WSG festgeschrieben hat, dass es möglich sein wird, zu verblistern, sind die Kritiker, die rechtliche Probleme sahen, weggefallen. Die Kritik verstummt erst recht, da wir alle rechtlichen Anforderungen erfüllen, Haftpflichtversicherung und andere vorlegen können. Eine kleine Gruppe an Hardlinern als Gegner bleibt, die den Kontakt des Pflegepersonals zum Arzneimittel nicht verlieren wollen.
Marxen: Wenn ein Heim die Forderung nach Arzneiblister stellt, sind in erster Linie Einsparungen und Qualitätsverbesserung in der Arzneimittelversorgung und für die Compliance die Beweggründe.
DAZ Und wenn als Kritik kommt, dass Säfte, Tropfen, Salben und Zäpfchen nicht verblistert werden können ...?
Zimmermann: Dem entgegnen wir, dass das Verblistern nur ein Teil der patientenindividuellen Arzneimittelversorgung ist. Die Apotheke vor Ort wird durch das Verblistern nicht überflüssig.
DAZ Vielen Dank für das Gespräch.
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