Feuilleton

Glossay

25 Personen, die in diesem Jahr einen runden Geburts- oder Todestag ­hatten.

2007 – das Jahr nach Mozart

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

das Jahr 2006 war kulturell durch das Gedenken an Mozart geprägt. Nun eilt das Jahr 2007 mit raschen Schritten seinem Ende entgegen, und wir wollen ein wenig Rückschau halten und fragen, ob auch in diesem Jahr Gedenktage bedeutender und bemerkenswerter Menschen festzuhalten sind.

Wie die Grafik auf der folgenden Seite zeigt, konnten (ohne besondere Mühe) mehr als zwei Dutzend große Geister gefunden werden, die es zu bejubeln oder zu betrauern gilt. Doch was fällt uns zu diesen Unikaten ein?

Elisabeth, Landgräfin von Thüringen (* 1207, † 1231) wurde schon vier Jahre nach ihrem Tod durch Papst Gregor IX. heilig gesprochen. Sie distanzierte sich von der Welt des Hochadels, lebte in Armut und Selbsterniedrigung, verkaufte ihren Schmuck und gab den Erlös den Armen, verschenkte Essen und Kleidung und ließ am Fuße der Wartburg ein Hospital errichten. Als Inbegriff der Barmherzigkeit bleibt sie – neben Hildegard von Bingen – die bekannteste Frauengestalt der mittelalterlichen Kirche.

Paul Gerhardt (* 1607, † 1676) war evangelischer Theologe und Kirchenliederdichter. Er schrieb über 130 geistliche Lieder, darunter heute noch aktuelle wie O Haupt voll Blut und Wunden oder Geh aus, mein Herz und suche Freud. Sollten wir uns demnächst mal wieder in eine Kirche verirren und in einem dort deponierten Gesangbuch blättern, es wird nicht lange dauern und der Name Paul Gerhardt taucht auf.

Dietrich Buxtehude (* 1637, † 1707) wurde schon früh Organist an der Marienkirche in Lübeck, nachdem er die Tochter seines Vorgängers F. Tunder geheiratet hatte. 1705 kam Johann Sebastian Bach von Arnstadt nach Lübeck, um ihn zu hören, von ihm zu lernen und eventuell sein Nachfolger zu werden (dazu hätte er aber seine Tochter heiraten müssen). Buxtehudes Hauptwerk Rhythmica oratio ist ein Zyklus aus sieben Kantaten mit Betrachtungen über die gekreuzigten Gliedmaßen Christi (nach Bernhard von Clairvaux).

Carl von Linné (* 1707, † 1778) publizierte 1735 sein Systema naturae , die Grundlage der modernen biologischen Systematik. Der schwedische Naturforscher setzte die binäre Nomenklatur (Gattung- und Artname) in der Botanik und Zoologie durch. Ab der 12. Auflage seines Natursystems vergesellschaftete er erstmals den Menschen in der Ordnung Herrentiere mit dem Schimpansen und dem Orang-Utan.

Leonhard Euler (* 1707, † 1783) hinterließ fast 900 Arbeiten über reine und angewandte Mathematik, Physik und Astronomie. Nach ihm benannt sind die Begriffe

Eulersche Darstellung, ~ Differenzialgleichung, ~ Formel, ~ Funktion, ~ Gerade, ~ Konstante, ~ Kurve, ~ Polyedersatz, ~ Satz, ~ Brückenproblem, ~ Winkel und ~ Zahl (e).

Giuseppe Domenico Scarlatti (* 1685, † 1757) ist im gleichen Jahr geboren wie Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel. Welch gutes Omen! Er war berühmt-berüchtigt für sein höchst virtuoses Cembalospiel. Es soll in Rom zwischen ihm und Händel einen musikalischen Wettstreit gegeben haben, bei dem Scarlatti im Cembalospiel siegte und Händel im Orgelspiel.

Johann Wenzel Anton Stamitz (* 1717, † 1757) und die Mannheimer Schule, die der böhmische Komponist und Geigenvirtuose als hauptamtlicher Kapellmeister des Orchesters am Mannheimer Kurfürstenhof begründete, werden meist in einem Atemzug genannt. Sie hatte großen Einfluss auf die weitere Entwicklung des Orchesterstils und der Symphonieform.

Maria Anna Angelica Catharina Kauffmann (* 1741, † 1807) war Malerin und beherrschte auch die Technik des Radierens. In Rom wurde ihr Haus zum Treffpunkt für Künstler und Gelehrte, zu denen auch Winckelmann, Herder und Goethe zählten. Bekannt wurde sie durch ihre gefälligen Porträts und Selbstporträts. Goethe war einer der Glücklichen, die in diesen Genuss kamen.

Sir Edward William Elgar (* 1857, † 1934) wurde nach dem überwältigenden Erfolg seines Oratoriums The Dream of Gerontius als erster zeitgenössischer britischer Komponist anerkannt. Zu seinem umfangreichen Werk gehören Kammermusiken, Kantaten, Symphonien, Melodramen, Violinsonaten und vieles mehr, aber auch fünf Orchestermärsche (Pomp and Circumstance) Am bekanntesten ist die Nr. 1 mit dem Trio Land of Hope and Glory, Mother of the Free .

Michail Iwanowitsch Glinka (* 1804, † 1857) begründete mit der Aufführung seines ersten Hauptwerks, der Oper Das Leben für den Zaren , eine nationalenrussische Musik. Was heute noch gerne aufgeführt wird, ist seine zweite Oper, Ruslan und Ljudmila Mit seinen Orchesterfantasien über zwei russische Volkslieder schuf er eine eigene Form der Lied- und Tanzbearbeitung, die von Borodin, Tschaikowsky und Rimskij-Korsakow übernommen wurde.

Wilhelm Kienzl (* 1857, † 1941) komponierte die bekannte Volksoper Der Evangelimann Die anderen Werke des Österreichers sind ziemlich in Vergessenheit geraten.

Heinrich Rudolf Hertz (* 1857, † 1894), Physikprofessor in Karlsruhe und Bonn, entdeckte die elektromagnetischen Wellen, ohne deren Kenntnis es keine moderne Telekommunikation gäbe. Seine posthum veröffentlichten Prinzipien der Mechanik wurden zu einem Klassiker der Naturphilosophie und Erkenntnistheorie.

Joseph Freiherr von Eichendorff (* 1788, † 1857). Seine Gedichte bilden zusammen mit denen Brentanos den Höhepunkt der spätromantischen Lyrik in Deutschland. In Kontakt und Gedankenaustausch stand er u. a. mit A. Müller, A. von Arnim, C. Brentano, F. Schlegel, F. Grillparzer und A. Stifter. Er hat nicht nur an den Befreiungskriegen teilgenommen und die Erzählung Aus dem Leben eines Taugenichts geschrieben, sondern viele Novellen und Romane sowie Gedichte, von denen einige durch R. Schumann und H. Wolf vertont wurden.

Zarah Leander (* 1907, † 1981) hieß eigentlich Sara Stina Hedberg. Die schwedische Sängerin und Schauspielerin war Star vieler UFA-Filme. Mit ungewöhnlich tiefem Timbre sang sie ihre Lieder wie

Der Wind hat mir ein Lied erzählt,

Kann denn Liebe Sünde sein,

Nur nicht aus Liebe weinen,

Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen …

Astrid Lindgren (* 1907, † 2002) erhielt 1978 den Friedenspreis des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Ihre letzten Werke waren ein Appell für mehr Mitmenschlichkeit. Doch bekannt und berühmt geworden ist die schwedische Schriftstellerin durch ihre Pippi Langstrumpf -Serie und weitere durch Wärme und Humor geprägten Kinder- und Jugendbücher, die inzwischen in fast alle Sprachen der Welt übersetzt wurden.

Paula Modersohn-Becker (* 1876, †1907) lebte zusammen mit anderen Malern in Worpswede bei Bremen. Sie suchte das Ursprüngliche der Menschen und Dinge darzustellen. Anregungen empfing sie durch die Bilder von V. van Gogh, P. Gaugin und P. Cézanne.

Edvard Grieg (* 1843, † 1907) ist als norwegischer Komponist schottischer Herkunft so bekannt, dass es hier genügen möge, an seine Musik zu Ibsens Peer Gynt (op. 23) zu erinnern, die aus 23 Stücken inklusive zweier Orchestersuiten besteht.

Joseph Joachim (* 1831, † 1907) war einer der erfolgreichsten Violinisten seiner Zeit und stand als Konzertmeister in Weimar dem Kreis um Franz Liszt nahe. R. Schumann, J. Brahms und A. Dietrich komponierten gemeinsam eine Violinsonate für ihn. Als Komponist schrieb er u. a. Kadenzen zu klassischen Konzerten.

Joseph Hellmesberger (* 1855, † 1907) entstammt einer Musikerdynastie. Er war österreichischer Violinist und Komponist, genau wie sein Vater und Lehrer, der auch Joseph hieß (1828–1893), und dessen Vater und Lehrer Georg Hellmesberger (1800–1873). Der Enkel komponierte vor allem leichtere Musik und Operetten.

Dimitrij Iwanowitsch Mendelejew (* 1834, † 1907) war Chemieprofessor in St. Petersburg und wurde besonders bekannt durch die Aufstellung eines Periodensystems der Elemente und die Voraussage der Eigenschaften von bis dahin unentdeckten Elementen.

Ferdinand Frédéric Henri Moissan (* 1852, † 1907) ist bisher der einzige Nobelpreisträger, der seine Karriere mit der Ausbildung zum Apotheker begonnen hat. Später war er Chemieprofessor an der Sorbonne, arbeitete besonders über Fluorverbindungen und stellte erstmals reines Fluor dar. Den Moissan-Ofen entwickelte er zur Gewinnung einiger Elemente von hoher Reinheit.

Beniamino Gigli (* 1890, † 1957) war ebenfalls Apotheker, wechselte aber früh zur Gesangskunst. Als er unter der Leitung von Arturo Toscanini an der Mailänder Scala sang, wurde er schnell berühmt. Den größten und bleibenden Eindruck hatte er mit der Partie des Rodolfo in Puccinis La Bohème. Sein Publikum feierte ihn als zweiten Caruso und bereitete ihm das größte Begräbnis, das je ein italienischer Sänger "erlebte".

Erich Wolfgang Korngold (* 1897, † 1957), ein amerikanischer Komponist österreichischer Herkunft, erregte schon mit elf Jahren durch seine Kompositionen Aufmerksamkeit und erreichte 1920 mit der Uraufführung seiner Oper Die tote Stadt Welterfolg. In den 40er-Jahren arbeitete er für die Filmindustrie in Hollywood.

Jean Julius Christian Sibelius (* 1865, † 1957) schuf mit der symphonischen Dichtung Kullervo das bahnbrechende Werk des finnischen nationalromantischen Musikstils. Später folgten die Orchesterkompositionen Finlandia (op. 26) und Tapiola (op. 112). Wer seine Valse triste nicht kennt, ist zu bedauern.

Arturo Toscanini (* 1867, † 1957) dirigierte schon mit 19 Jahren und mit großem Erfolg in Rio de Janeiro Verdis Aida auswendig. Die Stabführung des kantigen Italieners war überlegen, einfach und klar. Er dirigierte die berühmtesten Orchester der Welt, u. a. in Mailand, Turin, Buenos Aires, New York, Bayreuth, Salzburg, Jerusalem, Venedig. Unerbittlich vertrat er das Prinzip der Werktreue. Sein Lieblingswort war molto preciso, und wenn das nicht befolgt wurde, konnte er sehr zornig werden. Übrigens war seine Tochter mit Vladimir Horowitz, dem durch seine sensationellen Erfolge ausgezeichneten russisch-amerikanischen Pianisten, verheiratet. Sie soll auch – wie ihr Vater – sehr streng gewesen sein.

Als noch lebender Jubilar sei zuletzt der deutschstämmige brasilianische Architekt Oscar Niemeyer genannt (* 1907). Er schuf die Entwürfe für das Regierungsviertel der neuen brasilianischen Hauptstadt Brasilia, das seit 1987 zum Weltkulturerbe der UNESCO zählt.

Neben den Menschen, die wegen ihrer Lebensdaten mit dem Jubiläumsjahr 2007 in Verbindung gebracht wurden, soll hier auch ein Firmennamen genannt werden, für den ein doppeltes Jubiläumsjahr ansteht: Dräger , international führend in Medizin- und Sicherheitstechnologie. Im Oktober 1907 erhielt der Firmengründer Johann H. Dräger das Patent für den Pulmotor, das erste mobile Kurzzeit-Beatmungsgerät, das seither unzähligen Menschen das Leben gerettet hat. Bemerkenswert ist, dass dabei verdichteter Sauerstoff sowohl als Treibmittel wie auch als Medikament eingesetzt wird.

Noch im selben Jahr gründete er mit seinem Sohn Alexander B. Dräger und W. Mingramm aus Mexico City in New York die erste Dräger-Niederlassung auf amerikanischem Boden. Produziert und vertrieben werden heute vor allem Rettungsapparate, Sauerstoffkoffer, Narkoseapparate, Inhalationsapparate und Zubehör. Draegermen nennt man heute noch in Nordamerika die mit Beatmungsgeräten ausgestatteten Grubenrettungswehren.

In der Hoffnung, dass die Jubilare mir posthum nicht gram sind, wenn ich ihrer nur mit wenigen und subjektiv ausgewählten Aspekten gedacht habe – oder wenn ich sie gar nicht in diese Auswahl aufgenommen habe, obwohl sie es verdient hätten, bin ich mit den besten Wünschen für das nächste Jubiläumsjahr

Ihr H. J. Roth

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. rer. nat. Dr. h. c. Hermann J. Roth Friedrich-Naumann-Str. 33 76187 Karlsruhe www.h-roth-kunst.com

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