ZL-Studie

Arzneimittelfälschungen aus dem Internet

"Propecia im Sonderangebot" – Versprechungen wie diese verleiten viele Patienten, Medikamente per Mausklick zu bestellen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Bestellung rund um die Uhr, keine lästigen Wege zum Arzt oder in die Apotheke und billiger sollen die Medikamente aus dem Internet angeblich auch sein. Doch wie steht es wirklich um die Qualität der bestellten Arzneimittel und welchen Gefahren ist der Verbraucher ausgesetzt? Eine Studie des Zentrallabors Deutscher Apotheker (ZL) hat gezeigt, wie gefährlich es sein kann, Arzneimittel aus dem Internet zu beziehen. Oftmals sind es Fälschungen mit keinem oder vermindertem Wirkstoffgehalt.

Die Gesundheitsreform hat den Weg für den Versandhandel mit Arzneimitteln in Deutschland frei gemacht. Seit Januar 2004 ist es in Deutschland rechtlich zulässig, bei vorliegendem Rezept, auch verschreibungspflichtige Arzneimittel "per Mausklick aus dem Internet" zu beziehen. Doch im Internet bieten, neben seriösen Apotheken, auch skrupellose Geschäftemacher ihre dubiose und illegale Ware an. Bestellt man von unseriösen Webseiten, besteht die Gefahr Fälschungen, illegale, nicht zugelassene oder falsch dosierte Arzneimittel zu erhalten. So stellten im März 2004 im bayerischen Dillingen Beamte über 100.000 minderwertige Fälschungen von verschreibungspflichtigen Tabletten sicher, darunter Mittel gegen Haarausfall, Potenzpillen, Tabletten zur Raucherentwöhnung und Medikamente zur Gewichtsreduktion. Dieser Fall ist nur einer von vielen Medikamentenfälschungen, die in Deutschland im Umlauf sind und in aller Regel über dubiose Internetquellen gehandelt werden. Ein weiterer Fälschungsskandal machte in den vergangenen Jahren Schlagzeilen: die Saarbrücker Staatsanwaltschaft erhob im August 2005 Anklage gegen vier Männer, die gefälschte Arzneimittel via Internet an über 8000 Kunden vertrieben haben. Diese Männer – alle deutscher Staatsangehörigkeit – wurden im Dezember 2005 zu Haftstrafen von 18 Monaten bis zu vier Jahren verurteilt. Dieser und andere Fälle veranlassten das saarländische und bayerische Gesundheitsministerium, Warnungen auszugeben und den Verbrauchern zu raten, Arzneimittel ausschließlich in der Apotheke zu kaufen.

Selbst Experten fällt es schwer, im Internet seriöse Anbieter von Betrügern zu unterscheiden. Um die Qualität der im Internet vertriebenen Präparate zu überprüfen, führte das Zentrallabor am Beispiel von Propecia1 und in Zusammenarbeit mit dem Arzneimittelhersteller MSD Sharp & Dohme GmbH Testkäufe im Internet durch, wobei die erhaltenen Fälschungen in weiteren Untersuchungen im ZL analysiert wurden.

24 Internetadressen wurden im Vorfeld ausgewählt, bei denen fehlende allgemeine Geschäftsbedingungen sowie unklare Aussagen und Formulierungen auf unseriöse Geschäftspraktiken hindeuteten.

Die Internetseiten waren in deutscher, englischer aber auch in italienischer Sprache verfasst, verwiesen alle auf das gesuchte Produkt "Propecia" und waren für den Patienten einfach aufrufbar.

Die Internettestkäufe von Packungen Propecia mit ca. 28 Tabletten wurden von einer unabhängigen Detektei nach klar definierten Kriterien durchgeführt. Die erhaltenen Produkte wurden auf Originalitätsmerkmale untersucht, die identifizierten Fälschungen an das ZL zur weiteren Untersuchung übergeben.

Ergebnisse der Untersuchungen

Von den 24 vorgegebenen Internetadressen konnten nur bei 19 Anbietern Bestellungen ausgelöst werden.

Bei den verbleibenden fünf Anbietern belieferten zwei nur die USA, Kanada und Puerto Rico, bei einem ließ von vornherein die Darstellung und der Preis ein illegales Generikum vermuten und einer war im Netz nicht mehr aufrufbar, aufgrund der sehr unterschiedlichen Zeitfenster für die Bestellungen. Der letzte nicht lieferfähige Anbieter beschrieb zwar das gesuchte Produkt, hatte dies dann allerdings nicht im Warenbestand dokumentiert und verwies auf ein Alternativprodukt. Folglich konnte keine Bestellung ausgelöst werden.

Von den 19 Websites, bei denen Bestellungen ausgelöst werden konnten, lieferten insgesamt nur 12 Anbieter.

Von den sieben nicht liefernden Händlern reagierten fünf Anbieter, die alle Kreditkartenzahlung voraussetzten, gar nicht auf die Bestellungen, einer lieferte nicht nach Deutschland und in einem Fall wurde das Kreditkartenkonto des Kunden zwar umgehend belastet, es erfolgte aber keine Lieferung der Ware. Alles in allem gingen jedoch 14 Lieferungen ein, da zwei Anbieter unaufgefordert die Ware doppelt in je zwei getrennten Sendungen verschickten.

Wie nachfolgend näher beschrieben zeichnete sich insgesamt ein sehr abwechslungsreiches Bild bei den erhaltenen Produkten ab.

Das skrupellose Vorgehen illegaler Internetanbieter

Wie die Abbildungen 1a – d zeigen, werden die als Propecia gehandelten Präparate oftmals ohne Angabe einer Chargennummer und ohne gesetzlich vorgeschriebene Verpackung, offen in Plastiksäckchen eingetütet und teilweise ohne oder mit fremdsprachigen Beipackzetteln in Briefen versandt. In diesen Fällen ist eine Identifizierung der Ware nur über die Farbe und das auf den Tabletten geprägte Logo möglich. Um Zollkontrollen zu umgehen, wird der Inhalt nicht selten als Geschenk (im Englischen "Gift") falsch deklariert. Wer nämlich bei illegalen Anbietern im Ausland bestellt, riskiert dass die Ware vom Zoll abgefangen wird und muss darüber hinaus mit einer Anzeige und Geldstrafe rechnen.

Beigefügte fremdsprachige Beipackzettel machen das Verständnis von Dosierung, Risiken und potenziellen Nebenwirkungen für den Patienten meist unmöglich. Zusätzlich zu den fremdsprachigen Beipackzetteln enthielten einige Sendungen sogar selbstformulierte "do it yourself" Beipackzettel in deutscher Sprache, deren lückenhafte Informationen ohne wissenschaftlichen Hintergrund ausgewählt wurden (Abb. 2). Dies birgt ein besonders hohes Risiko für den Patienten, der Nebenwirkungen und Schäden aufgrund falscher Informationen ausgesetzt ist. Schließlich handelt es sich hier um einen verschreibungspflichtigen Arzneistoff, der besonderen, vorgegebenen Vertriebswegen unterliegt.

Dennoch wurden alle bestellten sogenannten Propecia-Produkte ausnahmslos ohne Vorlage eines gültigen ärztlichen Rezeptes versandt. So genügt es oftmals auf einem Onlineformular lediglich den Namen, die Adresse, die Telefonnummer und das Alter auszufüllen. Ohne weitere Beratung oder Angaben zu anderen eingenommenen Medikamenten wird so eine angebliche Rezeptausstellung bewirkt, die dann automatisch eine Bestellung auslöst. Andere Internetlieferanten beziehen sich auf ein Rezept unbekannter Herkunft, welches angeblich von einem "virtuellen" Arzt erstellt wurde, den der Patient nicht kennt. Lieferanten, die auf diese Weise Medikamente verkaufen, sind skrupellose Geschäftemacher, die sich nicht für die Gesundheit ihrer Kunden interessieren. Gerade die Abgabe verschreibungspflichtiger Medikamente ist aus gutem Grund an Arzt und Apotheker gekoppelt. Die skrupellose Vorgehensweise der Internetanbieter setzt dagegen alle Sicherheitsvorkehrungen außer Kraft. Diese sind speziell im Arzneimittelbereich notwendig, um eine sichere und bestimmungsgemäße Therapie zu gewährleisten.

Doch damit nicht genug. Besteller bei unseriösen Anbietern werden auch hinsichtlich des angeblich günstigeren Internetpreises oftmals enttäuscht, denn das Internet ist nicht in jedem Fall billiger als die Apotheke vor Ort. Während sich nur die Minderheit (ein Drittel der im Vorfeld ausgewählten 24 Internetanbieter) mit ihren Preisen in der Nähe des Apothekenabgabepreises von 56,83 Euro (Stand November 2006) für 28 Stück bewegten, verlangten die anderen Anbieter für 28 Stück durchaus 60, 75 oder 93 Euro und im Extremfall sogar 110 Euro. Hinzu kommen die Versandkosten, die sich zwischen 7,- und 15,- Euro bewegten.

Zudem ist das meist geforderte Bezahlen per Kreditkartennummer für den Patienten sehr risikobehaftet. Interessant sind in diesem Zusammenhang die E-Mail-Anfragen einiger Lieferanten bezüglich des Verdachts nicht ordnungsgemäß übermittelter Kreditkartenangaben. Jede vom Kunden ergänzte Information wurde vom Anbieter als neue Bestellung gewertet, woraufhin zusätzliche Lieferungen und mehrmalige Kontobelastungen folgten.

In einem anderen Fall wurde das Kreditkartenkonto umgehend belastet, ohne dass eine Lieferung erfolgte. Die zwischenzeitlich verschickten E-Mails des Anbieters sind als Hinhaltetaktik zu werten. So teilte der Versandhandel dem Kunden in einem Schreiben mit, dass diesem bei weiteren Bestellungen Rabatt gewährt würde und ein anderes Mal bittet er um Geduld, Rückinformation bzw. um Neubestellung, sollte die Ware noch nicht beim Empfänger eingetroffen sein. Die E-Mails enden zu einem Zeitpunkt, zu dem es unmöglich war, das abgebuchte Geld zurückzufordern!

Damit zeigt sich, dass sich der Besteller von Arzneimitteln im Internet nicht nur einem gesundheitlichen sondern auch einem erheblichen finanziellen Risiko aussetzt.

Internetware oftmals nur billige Fälschungen

Von den gelieferten Produkten konnten sechs als Fälschungen identifiziert werden. Diese Fälschungen wurden hinsichtlich ihrer pharmazeutischen Qualität vom ZL untersucht. Im Rahmen dieser Untersuchungen wurde der Gehalt des vermeintlichen Wirkstoffes Finasterid in den Fälschungen von Propecia bestimmt und im Falle dessen Nachweises das Freisetzungsverhalten beurteilt. Mit Hilfe von Untersuchungen des Freisetzungsvermögens, kann die Fähigkeit einer Tablette bestimmt werden, ihren Wirkstoff im Körper abzugeben.

Die Untersuchungen wurden nach der Monographie für "Finasteride Tablets" des Amerikanischen Arzneibuchs (USP29) durchgeführt.

Für die Gehaltsbestimmung wurde der vermeintliche Wirkstoff mittels HPLC unter Verwendung eines Fließmittelsystems aus Phosphorsäure und Acetonitril an C-18 als stationäre Phase quantifiziert. Mit isokratischer Elution wurde bei 45°C Säulentemperatur die Absorption der Proben bei 240 nm gegenüber Referenzstandard gemessen. Entsprechend den Anforderungen muss der Gehalt zwischen 95 und 105 Prozent des deklarierten Wertes liegen.

Das Freisetzungsverhalten wurde entsprechend den Vorgaben der Monographie in der Paddle- Apparatur (n = 6) durchgeführt. Entsprechend den Anforderungen, darf die freigesetzte Wirkstoffmenge im Wasser nach 30 Minuten 80 Prozent der Deklaration nicht unterschreiten. Die Agitation betrug 50 Umdrehungen pro Minute. Die Quantifizierung von Finasterid aus der In-vitro-Freisetzung erfolgte chromatographisch an einer 45°C temperierten Silicagelsäule bei einer Wellenlänge von 220 nm gegenüber Referenzstandard.

Von keiner der untersuchten Proben konnten die Anforderungen der USP hinsichtlich des Gehalts und des Freisetzungsverhaltens auch nur annäherungsweise erfüllt werden. Bei vier der verdächtigen als Propecia ausgewiesenen Produkte befand sich überhaupt kein Wirkstoff in den Tabletten. Bei zwei weiteren Proben wurde ein deutlicher Mindergehalt von 66% an Finasterid festgestellt. Zusätzlich zum niedrig dosierten Finasterid fand sich in diesen Präparaten ein weiterer Bestandteil, der nicht näher identifiziert werden konnte.

Diese als Fälschung erwiesenen Tabletten mit minderwertiger Qualität lassen sich vom Original oftmals nicht unterscheiden, was eine Identifizierung der Imitate für den Verbraucher erheblich erschwert. In einem Fall waren bei näherem Betrachten im Vergleich mit den Originaltabletten nur geringfügige Unterschiede im Farbton und in der Prägung erkennbar. Doch auf derartige Unterschiede sollte man sich nicht verlassen, denn selbst Fachleute können Original und Kopie in vielen Fällen auf den ersten Blick kaum auseinanderhalten.

Tabelle 1 listet die Ergebnisse der in die Qualitätsprüfung im ZL einbezogenen als Propecia gehandelten Internetpräparate auf. Die Untersuchungen im ZL zeigen sehr deutlich, dass der Käufer von Arzneimitteln im Internet nicht davor gefeit ist, anstelle des bestellten Original- Arzneimittels, gefälschte Präparate zu erhalten. Diese enthalten oftmals den deklarierten Wirkstoff gar nicht, nicht genügend oder in Kombination mit anderen unbekannten (möglicherweise toxischen) Stoffen. Zudem stellt sich die Frage, ob die gelieferten Medikamente, deren Herstellungsumstände unklar sind, beim Hersteller überhaupt geprüft und kontrolliert werden. Wer unkontrollierte Internetpräparate bestellt, riskiert aufgrund deren zweifelhaften Qualität seine Gesundheit und setzt sich darüber hinaus noch schutzlos dem skrupellosen Vorgehen der Internetanbieter aus.

Fazit des ZL

Selbstverständlich gibt es seriöse und vertrauenswürdige Internet-Apotheken. Doch neben diesen seriösen Apotheken verkaufen auch skrupellose Geschäftemacher ihre dubiose Ware. Beim Bezug von Arzneimitteln über das Internet ist es schwierig, seriöse von unseriösen Anbietern zu unterscheiden.

Die durchgeführten Untersuchungen haben eindeutig gezeigt, dass die Qualität der gelieferten Produkte in vielen Fällen zweifelhaft ist. Bei Bestellung von unseriösen Webseiten besteht die Gefahr, gefälschte Arzneimittel mit keinem, einem falschen oder unzureichend dosierten Wirkstoff zu bekommen.

Alle im Rahmen dieser Untersuchung durchgeführten Bestellungen konnten ohne Vorlage eines ärztlichen Rezeptes ausgelöst werden. Diese Umgehung der Rezeptpflicht stellt den Verbraucher ohne Zweifel vor erhebliche gesundheitliche Risiken, wenn die Therapie ohne ärztliche Überwachung stattfindet. Alle seriösen Anbieter fordern für rezeptpflichtige Medikamente auch ein gültiges Rezept und rechnen häufig direkt mit der Krankenkasse ab. Fordert ein Medikamentenanbieter kein Rezept oder gibt es nur ein Onlineformular, das automatisch ein Rezept unbekannter Herkunft generiert, sollte man die Finger davon lassen.

Wer im Internet Arzneimittel bei nicht autorisierten Anbietern bestellt, riskiert nicht nur seine Gesundheit sondern verschwendet auch bares Geld, denn diese "Arzneimittel" sind nicht erstattungsfähig und es besteht kein Rückgabe- oder Umtauschrecht.

Die Internetanbieter wurden im Vorfeld der Untersuchungen sorgfältig ausgesucht und es wurde Wert darauf gelegt, verschiedene, den Patienten leicht zugängliche Seiten, auszuwählen. Trotz allem hat sich gezeigt, dass sich manche Anbieter in ihrer Aufmachung und im Versand sehr ähneln, was vermuten lässt, dass einzelne Anbieter zum Teil mehrere Internetadressen für ihren Vertrieb nutzen.

In einigen Fällen konnte zwar eine Bestellung ausgelöst werden, es erfolgte aber keine Lieferung der Ware. In der Regel wird das Bezahlen per Kreditkarte vor Lieferung der Ware gefordert. Dies birgt für den Patienten ein hohes Risiko an Diebstahl und Betrug. Der irreführende Bestellmodus bei vielen Anbietern führt dazu, dass die Bestellung mehrmals ausgelöst wird und die Kreditkarte mehrmals belastet wird. In einem klassischen Fall von Kreditkartenbetrug wurde die Kreditkarte belastet ohne dass Ware geliefert wurde.

Oft muss der Kunde auch sehr lange auf seine bestellten Arzneimittel warten. In einem Extremfall wurde die Ware erst nach sechs Wochen geliefert. Selbst mögliche Vorgaben wie Express Versand (3 bis 7 Tage) garantieren nicht, dass die Ware pünktlich zugestellt wird, beziehungsweise haben keinen Einfluss darauf, ob der Anbieter überhaupt liefern wird.

Des Weiteren haben die Untersuchungen gezeigt, dass die Preise der Präparate im Internet, entgegen manchen Erwartungen, oftmals deutlich über dem Apothekenabgabepreis liegen, womit auch der angebliche preisliche Vorteil bei Bestellungen aus dem Internet entfällt.

Da es sich bei Arzneimitteln um keine gewöhnlichen Konsumgüter handelt und sehr hohe Anforderungen hinsichtlich ihrer Qualität bestehen – und bei diesen Erwerbsmethoden ist nicht sichergestellt, ob überhaupt irgendwelche Qualitätsstandards eingehalten werden – empfiehlt es sich, Arzneimittel nicht von dubiosen Internethändlern sondern aus der legalen Verteilerkette mit ordnungsgemäßer, ärztlicher Verschreibung zu beziehen. Nur diese bietet Therapiesicherheit und Schutz vor gesundheitsgefährdenden Fälschungen.

Anschrift für die Verfasser: Dr. Mona Tawab, Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker e. V., Carl-Mannich-Straße 20, 65760 Eschborn, Internet: www.zentrallabor.com

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