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GKV-WSG I

Bundesrat stimmt Gesundheitsreform 2007 zu

BERLIN (daz/bmg). Der Bundesrat hat am 16. Februar der Gesundheitsreform zugestimmt. Damit hat das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) die letzte parlamentarische Hürde genommen. Nach Unterzeichnung des Gesetzes durch den Bundespräsidenten kann die neue Gesundheitsversicherung im Wesentlichen am 1. April 2007 in Kraft treten, der Gesundheitsfonds allerdings erst 2009.

In einer Pressemitteilung erklärt Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt: "Die jetzt beschlossenen Reformen im Gesundheitswesen verändern unser Gesundheitssystem nachhaltig. Finanzierung, Organisation, die Strukturen und das Verhältnis von gesetzlicher zu privater Krankenversicherung werden reformiert. Für mich ist wichtig, dass einige hunderttausend Menschen, diejenigen, die aus verschiedenen Gründen den Schutz ihrer Krankenversicherung verloren haben, wieder aufgenommen werden. Und niemand wird in Zukunft diesen Schutz verlieren können."

Das neue Gesetz ermöglicht den gesetzlich Versicherten eine Vielzahl neuer Wahlmöglichkeiten. "Sie können erstmals sehen, ob ihre Kasse mit den Beiträgen gut wirtschaftet", so die Bundesgesundheitsministerin. Es können spezielle Tarife angeboten werden, die stärker auf die individuellen Bedürfnisse der Versicherten eingehen. Wie es in einer Pressemitteilung des Ministeriums heißt, werden Patientinnen oder Patienten von neuen Leistungen profitieren. "Ältere Menschen, die ins Krankenhaus kommen, haben einen Anspruch auf Rehabilitation, damit sie – wenn möglich – Zuhause weiter leben können. Junge Familien, die überlastet sind, haben einen Anspruch auf Kuren. Sterbenskranke haben einen Anspruch darauf, in ihrer vertrauten Umgebung von speziell ausgebildeten Teams bis zum Lebensende betreut zu werden. Menschen mit seltenen oder schweren Krankheiten erhalten die Chance, sich in Krankenhäusern ambulant behandeln zu lassen. Ein verbessertes Entlassungsmanagement sorgt dafür, dass Patientinnen und Patienten beim Verlassen des Krankenhauses optimal weiter betreut werden", so Schmidt weiter. Aber auch für Ärztinnen und Ärzte gebe es mit dem neuen Gesetz Verbesserungen: "Sie können in Zukunft ihr Einkommen besser und sicherer kalkulieren, das Risiko einer zunehmenden Behandlungsbedürftigkeit ihrer Patienten tragen in Zukunft die Kassen", erklärt Schmidt. Krankenhäuser könnten mit der Ausweitung spezialisierter ambulanter Behandlung ihr Potenzial stärker nutzen. Schmidt wörtlich: "Verkrustete Strukturen werden aufgebrochen. Kassen und ihre Verbände werden von Aufgaben entbunden, die bisher wenig mit Angeboten für ihre Versicherten zu tun hatten. Quälende Abstimmungsprozesse, die vielfach Fortschritte verhindert haben, werden vereinfacht. Transparenz und Effizienz zum Nutzen der Versicherten werden an erster Stelle stehen. Die Kassen erhalten neue Verhandlungsmöglichkeiten, um für ihre Versicherten die beste Qualität zu bezahlbaren Preisen anbieten zu können." Besonders hob Schmidt das Herzstück der Reform, den Gesundheitsfonds hervor. Er sorge dafür, dass die Versicherten in der gesetzlichen Krankenkasse gleich behandelt werden. "Jeder Mensch ist für die Versicherung gleich wertvoll, egal wo er lebt, wie alt er ist oder wie krank er möglicherweise ist. Der Fonds sorgt präzise für einen Ausgleich dieser Risiken und die Kassen können sich darauf konzentrieren, tatsächlich nur noch für die beste Versorgung ihrer Kunden zu sorgen," so Schmidt.

Den umstrittenen Eingriff in die Private Krankenversicherung versuchte die Bundesgesundheitsministerin als positive Weiterentwicklung darzustellen: "Privat Versicherte erhalten zukünftig eine faire Möglichkeit, in einen anderen Tarif – den so genannten Basistarif – oder zu einer anderen Kasse zu wechseln, ohne dabei finanzielle Einbußen zu erleiden. Dies ist Wettbewerb, der für langjährig privat Versicherten bisher unbekannt war. Ganz neu ist, dass die Privaten erstmals auch kranke Menschen versichern müssen, wenn diese zu ihrem System gehören." Schmidts Schlussplädoyer für die Gesundheitsreform: "Die Gesundheitsversorgung von 82 Millionen Menschen ist mit die wichtigste Aufgabe im Land. Eine solche Aufgabe im Konsens anzugehen und dabei mit guten Lösungen aufzuwarten, das ist ein gutes Zeichen. Bundestag und Bundesrat für die Gesundheitsreform – das ist ein guter Tag für die Versicherten."

Kritik bleibt bestehen

Trotz aller Lobesworte von Seiten des Ministeriums bleibt die Kritik innerhalb der Abgeordneten, quer durch alle Parteien und von allen involvierten Verbänden, Krankenkassen und Leistungserbringern bestehen. Selbst in der Bundesratsdebatte zur Abstimmung über die Reform gingen nahezu alle Redner darauf ein, dass die Reform in der Öffentlichkeit kaum Verständnis finde. In den Augen vieler Abgeordneten stellt die Reform einen Kompromiss dar, der so angelegt wurde, dass nach einem möglichen Regierungswechsel in zwei Jahren jede der große Parteien ihr eigentlich gewünschtes Konzept einer Gesundheitsreform fortentwickeln kann: die CDU in Richtung Gesundheitsprämie, die SPD in Richtung Bürgerversicherung.

Im Bereich der Arzneimittel äußerte sich der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) sehr skeptisch zur Reform. Cornelia Yzer, Hauptgeschäftsführerin des VFA: "Die Gesundheitsreform hat den Stresstest in der Praxis noch vor sich, und ich bin mir sicher, dass so mancher Theoretiker Überraschungen erleben wird. Allein für innovative Arzneimittel sieht das Gesetz drei neue Regulierungsinstrumente vor, zu denen viele Umsetzungsfragen noch offen sind: die Kosten-Nutzen-Bewertung, Erstattungshöchstbeträge und die Zweitmeinung."

Auch Heinz-Günter Wolf, der Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände – ABDA machte seinen Unmut über das Gesetz deutlich: " Diese Gesundheitsreform löst keine Probleme, sondern schafft nur neue." Das Hauptziel der Reform, die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung zu verbessern, habe die Große Koalition weit verfehlt. "Es hätte Sinn gemacht, die Einnahmeseite der GKV neu zu ordnen," so Wolf, "und von den Lohnnebenkosten abzukoppeln." Mit diesem Gesetz bleibe nach seiner Auffassung alles beim Alten, die Situation der GKV sei weiterhin abhängig von der Beschäftigtenquote. Wolf: "Um Löcher zu stopfen würden erneut Apotheker und Patienten zur Kasse gebeten."

Im vergangenen Jahr habe die GKV insgesamt 23,7 Milliarden Euro für Arzneimittel ausgegeben. Dies entspricht einem Zuwachs von nur 1,3 Prozent und fällt damit geringer als die Inflationsrate von 1,8 Prozent aus, so Wolf: "Das Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG) ist als Spargesetz bereits sehr wirksam. Es hätte keiner weiteren Einschnitte bei den Apotheken bedurft."

Als konsequent an dem Reform-werk im Sinne der vorherigen Gesetzgebung wertet Wolf den Verzicht auf die ursprünglich geplanten individuellen Höchstpreise für verschreibungspflichtige Arzneimittel. "Diese Entscheidung stärkt die Apotheker in ihrer Rolle als Heilberufler." Höchstpreise auf Apothekenebene hätten zu einem nicht gewollten Wettbewerb unter den Apotheken zu Lasten der Patienten, zu Arbeitsplatzverlusten und Apothekenschließungen geführt.

Gesundheitsreform im Internet

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