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Prozesshansel

Der Weg vom selbsternannten Robin Hood zum kleinlichen Prozesshansel ist kurz: Immer öfter bedient sich DocMorris deutscher Gerichte, um gegen unliebsame Kritiker vorzugehen. Wenn’s an die eigenen Pfründe geht, hört der Spaß auch für die smarten Niederländer auf. Wettbewerbsrechtliche Abmahnungen gegen inhabergeführte Apotheken sind inzwischen an der Tagesordnung. Wer es wagt, der Däinghaus-Truppe Paroli zu bieten, sieht sich nicht selten vor Gericht wieder. Die Niederländer, die zu rechtlichen Vorschriften ansonsten eher ein unorthodoxes Verhältnis haben ("legal, illegal, sch…egal"), reagieren zunehmend dünnhäutig. Liegt es daran, dass die Entzauberung ihrer Kapitalgesellschaft in Politik und veröffentlichter Meinung voranschreitet und auch so mancher Anteilseigner ob der unbefriedigenden Geschäftsentwicklung mit den Hufen scharrt? Hecken ist nicht überall und auch der Charme des Neuen verblasst. Heute ist die Neueröffnung einer DocMorris-Franchise-Apotheke allenfalls noch eine Notiz im Lokalteil einer Regionalzeitung wert. Und das ist gut so.

Nun ist auch der Deutsche Apotheker Verlag ins Visier der niederländischen Versandhändler geraten. Der Grund: Wir lehnen es ab, in der Deutschen Apotheker Zeitung Stellenanzeigen von DocMorris zu veröffentlichen – Stellenanzeigen, in denen Pharmazeuten und PTA gesucht werden, um – erklärtermaßen – von den Niederlanden aus den deutschen Markt aufzurollen. Nachdem wir uns geweigert haben, eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben, hat DocMorris Klage gegen uns erhoben. Jetzt hat das Landgericht Stuttgart das Wort. Eine mündliche Verhandlung brachte – wen wundert’s – keine Annäherung der Standpunkte.

Schon im Oktober letzten Jahres hatte DocMorris gegen uns den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Veröffentlichung von Stellenanzeigen beantragt, war damit jedoch gescheitert. Nach einem Hinweis des Gerichts zogen die Niederländer den Schwanz ein und nahmen ihre Klage vor dem Landgericht Stuttgart zurück. Nun aber fordert "Europas größte Versandapotheke" in einem weiteren Verfahren, dass die Deutsche Apotheker Zeitung "an prominenter Stelle gegen Zahlung des üblichen Entgelts" Stellenanzeigen veröffentlicht, in denen Apothekerinnen und Apotheker gesucht werden, die in der niederländischen DocMorris-Zentrale in Heerlen "aktiv den Ausbau von DocMorris in Deutschland mitgestalten". Den Bewerbern wird in Aussicht gestellt, im – horribile dictu – "Order Management", Call Center oder Versandlager eingesetzt zu werden. Auch "engagierte Berufsanfänger, die gegenüber Neuem aufgeschlossen" sowie "belastbar und flexibel" sind, sollen ihre Chance bekommen.

Während Däinghaus & Co. samt ihrer anwaltlichen Allzweckwaffe aus dem Hause Diekmann ansonsten nicht müde werden zu behaupten, dass interessierte Pharmazeuten DocMorris "die Bude einrennen", liest sich ihre Klagebegründung im jetzt anhängigen Verfahren eher weinerlich. Oh weh: Das Verhalten der marktbeherrschenden und bösen DAZ verhindere, dass DocMorris an das erforderliche Apothekenpersonal komme. Alle Versuche, über Agenturen, regionale Zeitungen und Internetplattformen Arbeitskräfte zu finden, seien in der Vergangenheit erfolglos geblieben. Und um als niederländisches Unternehmen den deutschen Markt bedienen zu können, müsse DocMorris doch auf deutsche Arbeitskräfte (Apotheker und PTA) zurückgreifen!

Dass sich DocMorris – wie in mehreren Gerichtsurteilen rechtskräftig festgestellt – in der Vergangenheit nicht scheute, massiv gegen geltendes Recht zu verstoßen, soll dabei unbeachtlich sein. Aber ist es das wirklich? Kann eine unabhängige, von Abonnenten getragene Zeitschrift wie die DAZ rechtlich tatsächlich gezwungen werden, Anzeigen eines Unternehmens zu veröffentlichen, das inhabergeführten Apotheken in Deutschland den Garaus machen möchte? Können wir wirklich gezwungen werden, unsere Anzeigenspalten auch den Totengräbern einer heilberuflich orientierten Pharmazie in Deutschland zu öffnen? Wenn die verfassungsrechtlich gewährleistete Pressefreiheit und der kartellrechtliche "Kontrahierungszwang" konfligieren – wem gebührt dann der Vorrang? Fragen, die nun von Gerichts wegen zu beantworten sind. Man darf gespannt sein.

Wie auch immer die Entscheidung der Stuttgarter Richter ausfallen wird: Den Mund verbieten lassen wir uns auch in Zukunft nicht.

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