Börsen: US-Notenbank zieht alle Register

(hps). Im Wochenvergleich ist beim DAX wenig passiert. Rund 80 Punkte hat das deutsche Börsenbarometer per saldo nachgegeben, und das, obwohl sich die Pessimisten alle Mühe gegeben hatten, den wirtschaftlichen Weltuntergang herbeizureden. Aber die Bären an der Börse beginnen langsam zu verstehen: Die Zeit läuft gegen sie!

Kapitalspritze belebt den Markt nur kurz – trotzdem sprechen viele Anzeichen gegen einen echten Bärenmarkt

Es hatte sich bereits seit längerem abgezeichnet, dass den Verkäufern im Markt die Puste ausgehen wird. Wenn die Bären tatsächlich in der Lage gewesen wären, den DAX nochmals nachhaltig in die Tiefe zu ziehen, hätten sie es schon vor Wochen versucht. An schlechten Nachrichten mangelte es ihnen jedenfalls nicht. Aber die Seitwärtstendenz dauert nun einfach schon zu lange und lässt einen weiteren Kurseinbruch immer unwahrscheinlicher erscheinen. Dabei kann man zu der gewaltigen Liquiditätsspritze durch die US-Notenbank am letzten Dienstag stehen, wie man mag; Tatsache ist, dass der anschließende satte Tagesgewinn von rund 400 Dow-Jones-Punkten – die größte Tagesrallye seit fünf Jahren – für die Bären schon aus rein technischer Sicht eine schallende Ohrfeige war.

Natürlich sollte nun niemand der Versuchung erliegen, die gegenwärtigen Wirtschaftsprobleme herunterzuspielen. Es ist bis heute nicht klar, wie weit sich die Kreditkrise bereits in andere Wirtschaftsbereiche vorgearbeitet hat. Es drängt sich jedoch immer mehr der Verdacht auf, dass diese Schwierigkeiten an den Börsen kurzfristig von den positiven Auswirkungen der Zinssenkungen überlagert werden. Für die Aktienmärkte sind fallende Zinsen zunächst eine gute Sache. Niedrige Zinsen reduzieren die Anlagealternativen und erhöhen die Risikobereitschaft der Anleger. Dass dieses Szenario von einer relativ hohen Inflation begleitet wird, ist ohne Frage besorgniserregend. Vermutlich wird man es in absehbarer Zeit sogar mit einer Stagflation zu tun haben. Für die Börse wäre es schlichtweg der größte anzunehmende Unfall, wenn die Wirtschaft stagniert und dabei die Inflation weiter ansteigt. Aber was das Timing anbelangt, scheinen die Börsen erst dem Aufmarsch des billigen Geldes ihre Aufmerksamkeit schenken zu wollen. Zumal man den ganzen Rezessionsängsten inzwischen mit einer gewissen Skepsis begegnen sollte. Da will es einfach nicht recht ins Bild passen, wenn Caterpillar mitten im vermeintlichen Wirtschaftsabschwung seine Verkaufszahlen seit 2003 fast verdoppelt und seine Prognosen bis 2010 sogar um 20% anhebt. Lufthansa will ihre bisherige Rekordbilanz im laufenden und im nächsten Jahr mit noch höherem Umsatz und Gewinn toppen. Chinas Einzelhandel legt die stärkste Zuwachsrate seit neun Jahren vor. Die steigenden Einkommen der Chinesen fließen in Autos, Juwelen und Möbel – und in die Kassen von Wal-Mart und der französischen Carrefour. Japans Exporte legten im 4. Quartal weit deutlicher zu als erwartet. Die Einbrüche im US-Geschäft wurden dabei überkompensiert durch eine florierende Geschäftstätigkeit mit Brasilien, Russland, Indien, China und Vietnam. Es scheint sich das amerikanische Krisenmanagement in der Geldpolitik mit dem Charme des weltwirtschaftlichen Wachstumsbooms zu vereinen. Amerika selbst gerät zusehends in den Hintergrund – und dürfte aus dieser Krise nur als zweiter Gewinner hervorgehen.

Die Zinssenkungen waren gerade erst angelaufen, da stellte die FED auf ihrer Sitzung im Januar auch schon die schnelle Umkehr dieses Prozesses in Aussicht. Aber der US-Häuser- und Arbeitsmarkt lassen immer noch jedes Anzeichen für eine Stabilisierung vermissen, und so sehen die Experten schon die 1,75%-Marke im amerikanischen Leitzins – gegenwärtig notiert der Zinssaz noch bei 3%. Mit ihren Zinssenkungen schlägt sich die FED nun konsequent auf die Seite der Wirtschaft – und büßt damit an Glaubwürdigkeit ein. Mit dem Primat der Geldwertstabilität ist es nicht mehr weit her. Der eingeschlagene Weg birgt für die Notenbank aber noch andere Gefahren: Die Zinssenkungen schwächen den Dollar und verteuern mithin die US-Importe, also auch die Kosten für Rohstoffe und Öl. Die Vernachlässigung der Inflationsgefahren führt aber auch zu einem Run der Anleger auf Gold und die ganze Rohstoffpalette. Der Weg der Zinsreduzierungen ist steinig, und garantiert dennoch nicht, dass damit die Probleme der Kreditklemme auch tatsächlich gelöst werden. Nach wie vor will niemand Garantien für die in Not geratenen Hausbauer übernehmen. Die Banken nehmen die Liquiditätsspritzen der FED gerne an, geben sich aber in Sachen Kreditvergabe weiter bedeckt. Währenddessen sind die Immobilienpreise immer noch rückläufig und ziehen weitere Zwangsversteigerungen nach sich.

Und dennoch: Der Geldflucht in die Rohstoffwerte ist keine große Bedeutung beizumessen. Sie ist eine Zeiterscheinung und wird sich von selbst erledigen, da überzogene Rohstoffpreise letztlich die Volkswirtschaften schädigen, was wiederum zu einer rückläufigen Nachfrage und einem Preissturz bei den natürlichen Ressourcen führen würde. Am Ende wären die Akteure Opfer ihrer eigenen Preistreiberei.

Derart drastische Zinssenkungen kommen letztlich bei den Aktienmärkten gut an, zumal die Konsolidierung der Unternehmensergebnisse auf einem relativ hohen Niveau erfolgt und die US-Multis Trost im Ausland suchen. Die Quittung für die weit offenen Geldhähne wird freilich irgendwann später folgen.

Strategie

Gute Nerven sind gefragt. Euro und Ölpreise sind im Höhenrausch und die Mehrheit der Anleger neigt noch zur Ansicht, dass ihr Glas schon halb leer ist. Die gegenwärtige Entwicklung an den Devisen- und Rohstoffmärkten ist als klares Misstrauensvotum gegen die US-Wirtschaft zu werten und hat aber inzwischen Werte erreicht, die man nur noch als lächerlich bezeichnen kann. Unterdessen schäumt die Welt über vor Liquidität, während wirklich aussichtsreiche Anlagemöglichkeiten immer weniger werden. Es dürfte sich bald die Meinung durchsetzen, dass das amerikanische Kreditproblem zwar schädlich ist, die übrige Weltwirtschaft aber wohl nicht aus den Angeln heben wird. Diese mag zu einem späteren Zeitpunkt an anderen Gründen scheitern. Aber nicht jetzt und nicht wegen der US-Kreditkrise. Der DAX dürfte daher bald wieder den Kampf um die 7000 Punkte aufnehmen. DAX am 12. März (Schluss): 6600 Punkte..

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.