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Meine Kinder, Deine Kinder – unsere Erben
Das gesetzliche Erbrecht orientiert sich an der Verwandtschaft: Wer stirbt, wird vorrangig von seinen "Abkömmlingen" beerbt. Das sind seine Kinder oder – wenn diese verstorben sind – die Enkel. Neben den Abkömmlingen erbt ein noch lebender Ehegatte.
Für die Patchwork-Familie bedeutet das: Die Kinder erben direkt nur von dem Elternteil, mit dem sie biologisch oder durch Adoption verwandt sind. Nach dem Tod von Stiefeltern besteht hingegen kein gesetzliches Erbrecht. Machen die Patchwork-Eltern kein Testament, so führt beim Erbgang der Zufall Regie: Der zuerst versterbende Elternteil wird zunächst von seinen leiblichen Kindern und zusätzlich – meist zur Hälfte – von seinem Ehegatten beerbt. Stirbt der zweite Elternteil, erben nur die mit ihm verwandten Abkömmlinge. Diese erhalten damit insgesamt mehr als ihre Stiefgeschwister, nämlich den gesamten Nachlass ihres leiblichen Elternteils und mittelbar die Hälfte des Erbes des zuerst verstorbenen Stiefelternteils. Die Kinder des länger Lebenden sind also in der Patchwork-Familie nach dem gesetzlichen Erbrecht klar bevorzugt. Leicht kommt es darüber zu Streitigkeiten.
Zusätzlich kompliziert wird die Lage, wenn es in der Vergangenheit – etwa im Zuge von Scheidungen – böses Blut gegeben hat. Hier drohen Ansprüche von Kindern aus erster Ehe. Sind diese noch minderjährig, werden sie in Erbstreitigkeiten unter Umständen von der/dem "Ex" vertreten. Im schlimmsten Fall betreibt der frühere Partner im Rahmen der Erbauseinandersetzung die Zwangsversteigerung des Eigenheims der Zweitfamilie. Selbst wenn Abkömmlinge enterbt sind, können sie ihren Pflichtteil im Wert der Hälfte des gesetzlichen Erbes einfordern.
In einer Patchwork-Situation muss daher jeder ausloten, welche Familienmitglieder aus erster und zweiter Ehe er mit seinem Erbe bedenken und welche er ausschließen möchte. Im zweiten Schritt folgt die rechtliche Umsetzung durch ein Testament oder einen Erbvertrag. "Man braucht zunächst einen genauen Verteilungsplan", so Notar Dr. Michael von Hinden von der Hamburgischen Notarkammer. "Idealerweise bringt man alle Beteiligten an einen Tisch, um eine einvernehmliche Regelung zu finden. Abkömmlinge, die nicht erben sollen, können eine Abfindung erhalten und im Gegenzug auf ihren Pflichtteil verzichten."
Gestaltungsmittel nutzen
Erblasser in einer Patchwork-Familie können ihren Willen aber auch zur Geltung bringen, wenn nach dem Erbfall Streit droht. "Hierzu muss man die Gestaltungsmittel des Erbrechts gezielt nutzen", rät Dr. von Hinden. Durch die Anordnung von Vor- und Nacherbschaft können Erbgänge über mehrere Generationen festgeschrieben werden. Vermächtnisse können einen gleichmäßigen Vermögensübergang sicherstellen und so den Anreiz für die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen verringern. Schließlich kann man einen Testamentsvollstrecker einsetzen, der sich auch nach dem Tod eines Erblassers um die Durchsetzung seines letzten Willens kümmert. Schließlich sollte man an die Steuern denken: Auch nach der jetzt geplanten Erbschaftsteuerreform müssen Stiefkinder wesentlich mehr Erbschaftsteuer zahlen als leibliche Abkömmlinge. Diese Belastung lässt sich oft durch eine Lenkung der Erbfolge reduzieren.
Ein Allheilmittel für die Vermögensnachfolge in Patchwork-Familien gibt es nicht. Wer sein Erbe nicht dem Zufall überlassen möchte, trifft rechtzeitig eine Regelung. Der Notar liefert für jeden Fall die passenden erbrechtlichen Gestaltungsmittel. Wenn sich alle Beteiligten über eine Vermögensaufteilung einigen wollen, vermittelt er unparteiisch eine Lösung im Interesse der ganzen Familie..
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