DAX: Ende der Verschnaufpause

(hps.) In einer technischen Reaktion eroberte das deutsche Börsenbarometer kurzfristig die 6800-Punkte-Marke zurück. Richtige Gründe dafür gab es nicht, denn trotz einer leichten Abschwächung bleiben sowohl Euro als auch Öl auf einem bedenklich hohen Niveau. Während die Mehrheit der Anleger nur den Ölpreis im Visier hat, fürchten andere inzwischen eine gravierende Verschlechterung der Gesamtlage.
Auf der Suche nach einem Lichtblick

Die Börsianer schöpften Hoffnung. Hoffnung auf einen sinkenden Ölpreis, auf ein Ende der Kreditkrise, auf bessere Daten aus der US-Wirtschaft. In Osaka traten die acht wichtigsten Industrienationen lautstark für einen starken Dollar ein und wettern in seltener Eintracht gegen haussierende Rohstoff- und Nahrungsmittelpreise, ostentativ bestrebt, den Anstieg zu stoppen. "Lautes Pfeifen im finsteren Wald" nennt man das wohl.

Die Fakten sehen freilich anders aus: Die Ankündigung der Saudis, ihre Ölförderung zu erhöhen, hat beim Preis des Schwarzen Goldes überhaupt nichts bewirkt. Im Gegenteil – die Notierungen zogen an. Ein Indiz dafür, wie stark die Aufwärtskräfte unter den Spekulanten sind. In den USA vollzog US-Notenbankchef Ben Bernanke ein bemerkenswertes Wendemanöver, indem er sich nun hinsichtlich der US-Konjunktur und der Arbeitslosigkeit sorglos gibt und stattdessen urplötzlich die Preisstabilität in großer Gefahr wähnt. Kurz danach wurde der Empire State Index veröffentlicht. Dieses Konjunkturbarometer misst die Geschäftstätigkeit des produzierenden Gewerbes im Staat New York und dient der US-Notenbank als ganz maßgeblicher Indikator. Notiz am Rande: Bereits im Vorfeld tönte es aus dem Hause NordLB: "Hier wird der Trend in der positiven Entwicklung anhalten." NordLB Aktienexperte Basse folgerte daraus mit sicherem Unterton gegenüber dem "Handelsblatt": "Die Analysten werden bald gezwungen sein, ihre Wachstumsprognosen für das zweite Quartal nach oben anzuheben." Diese Behauptung erwies sich dann so sicher wie ein Sieg der Nationalelf gegen Kroatien. Der Index sackte auf Minus 8,7 Punkte ab. Hauptursache waren wieder einmal die gestiegenen Rohstoffkosten. Und nimmt man dabei den Film- und Kamerahersteller Eastman Kodak unter die Lupe, lässt sich auch leicht der Weg von gestiegenen Materialkosten zur Inflation darstellen: Auf die höheren Kosten für Silber, Aluminium und Plastik antwortet Eastman jetzt mit einer 20%igen Preiserhöhung – bei gleichzeitigem Rückgang der Konsumnachfrage. Hochgerechnet auf die Gesamtwirtschaft bleibt da nur noch eine Frage offen: Wie soll das funktionieren?

Zwar werden kleinere Rückschläge beim Öl an der Börse immer wieder mit Kursaufschlägen belohnt, aber das sind Pyrrhussiege, denn Ölnotierungen bei 130 Dollar sind aus Sicht der Geldwertstabilität, der volkswirtschaftlichen Nachfrage und der Produktionskosten ein großes Problem. Nicht umsonst sind die deutschen Konjunkturerwartungen laut dem ZEW-Index auf ein 15-Jahres-Tief eingebrochen. Die wirtschaftlichen Unebenheiten werden möglicherweise auch noch von einem politischen Konflikt mit dem Irak flankiert, das wäre dann der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brächte. Auf einem solchen Boden gedeiht schlichtweg nichts.

Im Osten das Wachstum, im Westen die Inflation?

In China sind die Einzelhandelsumsätze im Mai gegenüber Vorjahr um 22% gestiegen – und damit sieben Mal mehr als in den USA. Die Inlandsnachfrage verdankt ihren Boom dem starken Anstieg der verfügbaren Einkommen der Chinesen. Das Reich der Mitte kann damit den Wachstumsrückgang im Export von 25% auf nur noch 10% gut wegstecken. Dabei wächst die Konsumrate viel schneller als das Durchschnittseinkommen der Chinesen, was sich entsprechend in der Zunahme der Konsumentenkredite widerspiegelt. Unterdessen verfinstern sich im Westen die Minen der Konjunkturpropheten. Laut dem jüngsten Bericht des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) könnte der langjährige Aufschwung in Deutschland im nächsten Jahr auslaufen. Das Institut befürchtet ein stark rückläufiges Wirtschaftswachstum bei gleichzeitig hoher Inflation und begleitet von steigenden Zinssätzen. Doch selbst Asien präsentiert sich nicht einheitlich als Insel der Glückseligen. Auch in Japan werden für das zweite Quartal ein Nullwachstum und mittelfristig steigende Zinsen erwartet. Währenddessen wendet sich China seiner Binnenwirtschaft zu, wovon westliche Unternehmen nur bedingt profitieren dürften.

Strategie

Da scheint etwas auf dem Weg zu sein, was in seinem ganzen Ausmaß noch nicht abschätzbar ist. Die Mischung aus schwacher Wirtschaft und Inflation ist brisant. Nach Ansicht der Experten des Bankhauses Sal. Oppenheim könnte der DAX daher sein Jahrestief erneut testen. Die Royal Bank of Scottland geht sogar noch weiter und warnte letzten Mittwoch ihre Anleger vor einem Crash. In der Tat sind die Notenbanken machtlos, und diese Hilflosigkeit treibt die Börsen nach unten. Nur nachlassende Rohstoffnotierungen oder eine Umkehr bei den US-Immobilienpreisen könnten dem Markt noch zu Hilfe eilen. Beides ist noch nicht in Sicht. Die Gefahr ist groß, dass hier bald die ersten Investoren die Nerven verlieren. Es bleibt daher beim vorläufigen Ziel von 6500 DAX-Punkten und der Strategie der ruhigen Hand. DAX vom 18. Juni (12.00 h): 6767 Punkte..

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