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Gesundheitspolitik
IQWiG stellt Methode zur Kosten-Nutzen-Bewertung vor
Mit der jüngsten Gesundheitsreform (GKV-WSG) hat der Gesetzgeber das IQWiG mit der neuen Aufgabe der Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln betraut. Zum einen sollen diese Bewertungen dem Gemeinsamen Bundesausschuss als Grundlage für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Arzneimitteln dienen. Zum anderen sollen sie es dem neuen Spitzenverband Bund der Krankenkassen ermöglichen, Höchstbeträge für Nicht-Festbetragsarzneimittel festzulegen. Hersteller, für deren Präparat ein Höchstbetrag bestimmt wurde, müssen sich diesem nicht zwingend anpassen. Liegt ihr Preis allerdings über dem Höchstbetrag, muss der Patient die Mehrkosten tragen. Dass ärmere GKV-Versicherte sich in einem solchen Fall die nötigen Medikamente nicht leisten können, will Sawicki möglichst verhindern. Er hofft, dass die Kosten-Nutzen-Bewertungen die Hersteller motivieren, sich verstärkt um die Entwicklung von Arzneimitteln für Krankheiten zu kümmern, die noch nicht zufriedenstellend behandelt werden können.
Kein internationaler Goldstandard verfügbar
Entwickelt wurde der nun vorliegende Methodenvorschlag mit Unterstützung einer internationalen Gruppe von Gesundheitsökonomen. Dabei zeigte sich schnell, dass es keinen internationalen "Goldstandard" für Kosten-Nutzen-Bewertungen gibt. Jedes Land weist seine Besonderheiten auf – den deutschen Bedingungen, so der Schluss der Experten aus acht Ländern und des IQWiG, wird die nun gewählte Methode am besten gerecht. Aus Sawickis Sicht erfüllt sie drei wesentliche Voraussetzungen: Sie biete eine hohe Qualität und Reproduzierbarkeit, sei transparent und auch für interessierte Laien schnell verständlich.
Medizinischer Nutzen geht vor Kosten
Nach dem Konzept ist jeder Kosten-Nutzen-Bewertung zunächst eine Nutzenbewertung vorgeschaltet. Denn eine Analyse der Kosten kommt erst dann in Betracht, wenn das ins Visier genommene Präparat sich in einer bestimmten Indikation tatsächlich als besser als bisher verwendete Arzneimittel erweist. Ist es lediglich genauso gut oder lässt sich ein Zusatznutzen aufgrund einer unzureichenden Datenlage nicht belegen, so ist es ein Kandidat für eine Festbetragsgruppe. Handelt es sich um ein konkurrenzloses und wirkungsvolles neues Arzneimittel fällt es ebenfalls aus der Prüfung – der Hersteller kann hier seinen Preis weiterhin frei bestimmen. Zeigt sich hingegen, dass es sich um ein Medikament handelt, das gegenüber bestehenden Therapiealternativen einen Zusatznutzen aufweist, so wird geprüft, ob es auch effizient ist. Das ist der Fall, wenn es bei gleichen Kosten einen höheren Nutzen aufweist, oder bei gleichem Nutzen kostengünstiger ist. Die "Effizienzgrenze" wird dabei in einem Koordinatensystem mit einer Kosten- und einer Nutzen-Achse bildlich dargestellt als eine Kurve, die die effizientesten etablierten Maßnahmen verbindet. Was oberhalb dieser Grenze liegt, gilt als effizient, was unterhalb liegt, fällt durch. Schreibt man die vorangegangene Entwicklung des Kosten-Nutzenverhältnisses etablierter Therapien fort, entsteht ein grafisch klarer Korridor, in dem sich neue Präparate bewegen sollten – sowohl hinsichtlich ihres Preises als auch ihres Nutzens.
Klare Grafik, doch viele offene Fragen
Problematisch dürfte allerdings werden, wie die x- und die y-Achse des Koordinatensystems angesetzt sind. Sawicki zufolge bilden hier Nutzen-Einheiten entweder direkt Aspekte patientenrelevanten Nutzens ab, wie etwa eine Verbesserung des Gesundheitszustandes oder der Lebensqualität, eine Verkürzung der Krankheitsdauer, eine Verlängerung der Lebensdauer oder eine Verringerung von Nebenwirkungen. Je nach Fragestellung könne es aber auch notwendig sein, aus diesen direkten Nutzenaspekten zunächst wertende Gewichtungen abzuleiten, um sie dann auf der Nutzen-Achse aufzutragen. Auf der Kosten-Achse werden die Kosten abgebildet, die entstehen, um den zuvor bestimmten speziellen Nutzen zu erreichen – das sind nicht nur die reinen Arzneimittelkosten. Vielmehr müssen auch die Kosten betrachtet werden, die sich etwa durch Kontrolluntersuchungen, die Behandlung von Nebenwirkungen oder durch Krankenhausaufenthalte ergeben können. Grundsätzlich soll die Ermittlung dieser Kosten aus der Perspektive der Versichertengemeinschaft erfolgen. Je nach Auftrag könne die Sichtweise jedoch erweitert werden, erläuterte Sawicki. So könnten beispielsweise auch Arbeitsausfallzeiten, Renten und die finanzielle Belastung von Angehörigen berücksichtigt werden. Die jeweils für eine Indikation gewählten Kosten- und Nutzenaspekte sollen wie bisher bei der Nutzenbewertung in einem vorläufigen Berichtsplan veröffentlicht werden. In einem folgenden Anhörungsverfahren bestehe die Möglichkeit, Bedenken zu äußern, so Sawicki.
IQWiG wünscht sich gesellschaftlichen Konsens
Der IQWiG-Chef betonte, dass der jetzt präsentierte Vorschlag lediglich den Rahmen der Methodik beschreibe; Detailfragen sollen erst vorgestellt und diskutiert werden, wenn man sich über das Prinzip verständigt habe. "Weil es bei der Kosten-Nutzen-Bewertung nicht nur um rein wissenschaftliche, sondern auch um normative Fragen geht, brauchen wir einen gesellschaftlichen Konsens. Andernfalls würden Entscheidungen, die später aufgrund von konkreten Kosten-Nutzen-Bewertungen gefällt werden, nicht die nötige Akzeptanz finden", so Sawicki. Er betonte, dass sein Institut den Vorschlag "nicht mit Gewalt durchsetzen", sondern alle Einwände überprüfen wolle. Bis zum 31. März 2008 nimmt das IQWiG nun schriftliche Stellungnahmen entgegen und wird mit Gremien und Fachleuten aus Gesundheitswesen, Wissenschaft und Politik diskutieren. Nach Abschluss dieser Konsultationsphase soll die gültige Methodenversion publiziert werden.
BPI enttäuscht
Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) zeigte sich in einer ersten Reaktion vom IQWiG-Konzept enttäuscht, da es "mehr Fragen als Antworten schaffe". Weder die Definition des Nutzens noch die in die Berechnungen einfließenden Kostenfaktoren würden durch das Modell eindeutig beschrieben. Damit sei die Vorgehensweise des IQWiG weiterhin nicht vorhersehbar. Die stellvertretende BPI-Hauptgeschäftsführerin Prof. Barbara Sickmüller, monierte, dass die Bestimmung der Kosteneffektivität eines Arzneimittels nach Lesart des IQWiG die Anerkennung des medizinischen Fortschritts nur im Falle der äußerst seltenen Sprunginnovationen möglich machen würde. Arzneimittel, die etwa hinsichtlich ihrer Wirksamkeit oder wegen geringerer Nebenwirkungen wichtige Weiterentwicklungen darstellten, würden den GKV-Versicherten nicht mehr erstattet, fürchtet Sickmüller.
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