Recht

Wenn Ärzte einen schlechten Tag hatten …

Bei ärztlichen "Kunstfehlern" sind hohe Schmerzensgelder möglich

(bü). Kaum zu glauben – aber Tatsache: In einer Berliner Klinik sind 47 Patienten künstliche Kniegelenke falsch eingesetzt worden. Die Folge: Sie müssen erneut unters Messer. Was ist in solchen Situationen zu tun?

Ärzte heilen oder lindern Beschwerden. Aber Ärzte sind keine Übermenschen, machen also auch Fehler. Fehler, die das Leben stark beeinträchtigen – oder es sogar kosten können. Das "kostet" oftmals dann auch die Ärzte (exakt: deren Haftpflichtversicherer), nämlich Schmerzensgeld. Womit körperliches Leid natürlich kaum aufgewogen werden kann.

Dass Patienten nicht nur der Qualität und dem Willen ihrer Ärzte ausgesetzt sind, hat sich herumgesprochen. Patienten haben mehr Rechte, als gemeinhin gedacht. Hier vier Grundsätze:

1. Jeder Arzt ist verpflichtet, seine Patienten über die Risiken einer Behandlung – etwa einer Strahlentherapie – zu informieren. Ohne Zustimmung darf ein Doktor grundsätzlich keinen Eingriff vornehmen. Der Arzt muss wahrheitsgemäß, vollständig und verständlich antworten. Die "letzte Entscheidung" – etwa Operation: ja oder nein? – liegt beim Patienten (natürlich von Notfällen, zum Beispiel bei Bewusstlosigkeit, abgesehen).

2. Dass sehr sorgfältig behandelt werden muss, versteht sich. Das heißt: Der Arzt muss in direktem Kontakt mit seinem Patienten die Anamnese durchführen und die Therapie planen.

3. Dazu gehört auch, die "passenden" Arzneien zu verordnen und wegen der Einnahme nicht nur auf den Beipackzettel zu verweisen. Der Doktor hat auch darüber entsprechend dem "Empfängerhorizont" seiner Patienten aufzuklären.

4. Die Patienten haben das Recht, ihre Behandlungsunterlagen einzusehen; Fotokopien dürfen (wenn auch gegen Kostenerstattung) verlangt werden.

Welche Schritte können unternommen werden, wenn es zum Streit über einen – vom Patienten so empfundenen – "Behandlungsfehler" kommt?

Zunächst die Angelegenheit mit dem Arzt zu klären versuchen.

Gelingt das nicht, so kann über die Ärztekammer ein – für den Patienten kostenfreies – Schlichtungsverfahren eingeleitet werden. In den meisten Fällen kommt es dabei zur Einigung.

Gesetzlich Krankenversicherte können auch ihre Krankenkasse einschalten. Die darf zwar nicht selbst tätig werden, wird ihren Versicherten aber den jeweils "richtigen Weg" weisen.

Wenn alles nichts hilft, bleibt der Gang zum Gericht – nicht ohne anwaltliche Hilfe; denn das Gebiet ist "schwierig".

Zahlreiche Gerichtsverfahren, in denen über die Ursachen von Fehlentscheidungen und deren Folgen gestritten wurde, geben Zeugnis davon. Nicht selten sind hohe Schadenersatz- und Schmerzensgeldfolgen das Ergebnis.

Auswahl an Entscheidungen

So wurden einer Patientin, der wegen Krebsverdachts beide Brüste amputiert worden waren, 125.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen, nachdem Jahre nach der Operation Zweifel an der Richtigkeit der Diagnose aufgekommen waren, die Gewebeproben aber nach einem Brand "entsorgt" worden waren. Es könne, so das OLG Hamm, nicht zu Lasten der Patientin gehen, dass Beweise vernichtet worden seien. (Az.: 3 U 119/00)

Andererseits verurteilte das Oberlandesgericht Bamberg einen Arzt nur zu einem Schmerzensgeld von 2500 Euro, der einen Patienten psychisch dadurch schwer belastete, dass er ihm die Diagnose "Hodenkrebs" mitgeteilt hatte, was sich aber als falsch herausstellte. Der Patient war sterilisiert worden. (Az.: 4 U 172/02)

Tiefer wurde wiederum in die Tasche des Haftpflichtversicherers im Fall einer Bauchtänzerin gegriffen, bei der eine Schönheitsoperation schiefgegangen war. Ein Arzt sollte ihr die "Reiterhosen" an den Oberschenkeln entfernen. Das Ergebnis: "Dellen am Allerwertesten". Das LG München I brachte diesen Vergleich zustande: 8000 Euro Schmerzensgeld und 6000 Euro Schadenersatz für die (natürlich von einem anderen Operateur auszuführende) Nachoperation. (Az.: 9 O 11833/05)

Eine versäumte Röntgenaufnahme zog einen Schadenersatz- und Schmerzensgeldaufwand von 7000 Euro nach sich. Ein Zahnarzt hatte es versäumt, bei einer Patientin nach einer Wurzelbehandlung erneut zu röntgen, nachdem sie mehrfach über nachhaltige Schmerzen geklagt hatte. Er übersah deshalb eine Entzündung, was zur Folge hatte, dass der Frau zwei natürliche Zähne gezogen werden mussten. Das OLG Köln wunderte sich im Übrigen – wie die Patientin des Zahnklempners – über dessen damalige Bemerkung, sie solle "sich nicht so anstellen" ... (Az.: 5 U 148/04)

Obwohl nicht sicher festgestellt werden konnte, ob einem Gynäkologen bei der Ausschabung der Gebärmutter einer Patientin ein Fehler unterlaufen ist, wurden ihr Schadenersatz und Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 Euro zugesprochen, weil sich herausstellte, dass die (hier: 35-jährige) Frau vor dem Eingriff nicht ausreichend über die Risiken der Behandlung aufgeklärt worden war. Seit der OP ist sie unfruchtbar. Enthielt der Aufklärungsbogen keinen Hinweis auf das (auch nur selten bestehende) Risiko, so hätte der Frau "eine allgemeine Vorstellung vom Ausmaß der mit der Operation verbundenen Gefahren vermittelt werden müssen". Maßgebend ist, dass eine junge Frau mit Kinderwunsch durch die Unfruchtbarkeit infolge eines operativen Eingriffs erheblich in ihrer Lebensführung belastet wird. (OLG Köln, 5 U 180/05)

Im Rheinischen entschied sich ein Arzt während einer Unterleibsoperation, einer Frau eine weitere Zyste operativ zu entfernen, die der Patientin bis dahin keine Beschwerden bereitet hatte. Dabei wurde der Harnleiter derart stark verletzt, dass eine Nachoperation erforderlich wurde. Die Frau quälte sich während der Heilphase mit heftigen Unterleibsschmerzen und war vorübergehend inkontinent. Das OLG Köln erkannte zwar, dass dem Arzt kein "handwerklicher" Fehler vorzuwerfen war; auch die Nachbehandlungen wären "normal" gewesen. Jedoch habe die Einwilligung der Frau gefehlt, diese Risiken eingehen zu wollen. 10.000 Euro Schmerzensgeld wurden fällig. (Az.: 5 U 85/06)

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