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- AZ 6/2008
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Wirtschaft
DAX: Halbherzige Erholung
Mehr als ein Drittel der im S&P 500 Index gelisteten Unternehmen haben bereits ihre Quartalsberichte veröffentlicht. Die Ergebnisse lagen bislang deutlich unter den Erwartungen der Analysten. Im Durchschnitt dürften die Gewinne insgesamt laut Schätzung der Nachrichtenagentur Reuters rund 10% unter Vorjahresniveau liegen. Das schlechte Abschneiden ist indes überwiegend dem Finanzsektor zuzuschreiben. Da sich die Aussichten generell eingetrübt haben, will selbst über die sehr guten Zahlen von Microsoft und Sun Microsystems keine rechte Freude aufkommen.
Derweil sind Regierung und US-Notenbank (FED) krampfhaft um eine Verbesserung des Klimas an den Finanzmärkten bemüht. Nach dem milliardenstarken Konjunkturprogramm und der kräftigen Zinssenkung durch die FED soll nun eine weitere Zinsreduzierung folgen. Es gehen Gerüchte um, dass der Zinssatz sogar unter die Inflationsrate abgesenkt werden soll, womit die nächste Spekulationsblase vorprogrammiert sein dürfte. Das aggressive Vorgehen der Notenbank löst unterdessen zwiespältige Reaktionen aus. Von "eine sehr gute Sache" (Feldstein von der Harvard-Universität) bis zu "gefährlich und unverantwortlich" (Analyst von Morgan Stanley) reicht das Meinungsspektrum. Die Märkte selbst dürften es indes eher als Alarmsignal interpretieren, sollte die FED tatsächlich wieder an der Zinsschraube drehen.
DAX-Ausblick
Man sollte sich über das Erholungspotenzial des deutschen Aktienbarometers keinen Illusionen hingeben. Hierzu ein paar Fakten:
Singapur scheint bereits in der Rezession zu sein. Stark rückläufige Exporte elektronischer Güter und ein Einbruch am Immobilienmarkt ließen das BIP im 4. Quartal einbrechen. Japan steht nach Ansicht der Analysten von Lehman Brothers kurz vor der Rezession. Auch hier schmerzt der Häusermarkt, vor allem aber leiden die Exporte unter dem schwachen Dollar. Japans Ausfuhrwirtschaft sieht die Gewinnschwelle bei 107 Yen/Dollar. Dieses Niveau ist jetzt erreicht. Englands Häusermarkt folgt dem amerikanischen, was auf der Insel bereits auf den Einzelhandel durchschlägt. Spaniens Immobiliensektor ist bereits kollabiert. Die Baubranche trägt rund 18% zum iberischen BIP bei. Auch hier sind die Auswirkungen bereits in anderen Wirtschaftsbereichen spürbar.
Die Phantasie beim DAX ist also nach oben angesichts der Großwetterlage begrenzt. An diesem Punkt lässt sich momentan nur über eine Kurserholung, nicht aber über eine nachhaltige Trendwende spekulieren. Eine Zinssenkung wird vom Markt bereits vehement eingefordert und wird wohl keine großen Wellen mehr schlagen. Die bisher sehr zaghafte Kurserholung lässt darauf schließen, dass daraus sicher keine Trendwende wird, die Konsolidierungsphase längerfristig angelegt sein dürfte und der DAX zunehmend einem massiven Rückschlagspotenzial ausgesetzt ist. Daher ist auch Skepsis angebracht, wenn Experten nun Ansätze einer Bodenbildung an der Wall Street erkennen wollen. Dazu braucht man schon sehr viel Phantasie.
Ein Analyst der NordLB sieht nun eine Stabilisierung bei 7000 DAX-Punkten – sofern keine weiteren Hiobsbotschaften auftauchen. Das ist wohl das Kleingedruckte im Vertrag. Zwei bis drei Wochen Verschnaufpause mit einer sich anschließenden weiteren Talfahrt sehen dagegen die Experten der Allianz Global Investors.
Das jetzige Erholungspotenzial beim DAX könnte bis auf 7250 Punkte reichen, dann dürfte es aber sehr eng werden. Ein neuerlicher Rückschlag in Richtung 6500 Punkte ist vorprogrammiert. Hilfreich wären bessere Arbeitsmarktzahlen oder eine Stabilisierung des US-Immobilienmarktes. Geradezu katastrophal würden sich dagegen anziehende Inflationsdaten auf die Börse auswirken. Eine solche Stagflation würde zweifellos weitere schwere Kursverluste zur Folge haben. Immerhin sind einige Stabilisierungstendenzen auszumachen. Namentlich Metro, Volkswagen und die Deutsche Börse sind auffällig widerstandsfähig und könnten Kandidaten für einen späteren Turnaround sein.
Fazit
Die derzeitige Kurskorrektur nach oben ist überwiegend technischer Natur. Ein neuerlicher Schwächeanfall ist spätestens auf einem Niveau von 7250 Punkten zu befürchten. Dann könnte es aber mit Blick auf das bisherige Tief von rund 6500 Punkten interessant werden. Man sollte sich daher in Geduld üben, denn es ist nicht gesagt, dass dieser Boden auch wirklich hält. Ein übereilter Einstieg kann zu diesem Zeitpunkt fatale Folgen haben. DAX am 30. Januar (13.00 h): 6856 Punkte.
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