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Wirtschaft
DAX: Warten auf den nächsten Schlag
Jede Seitwärtsbewegung eröffnet grundsätzlich die Chance auf eine Trendwende. Schon ist vielerorts zu lesen: "Jeder Crash eröffnet auch Chancen" oder "Der Crash ist vorbei, wir sind auf dem Weg zur Normalität". Nun, das ist keine zwingende Ableitung aus der momentanen Ruhe. Außerdem ist ein Kursrückgang von knapp 20% eher als Korrektur zu bezeichnen. Der richtige Crash ist den Anlegern bislang erspart geblieben. Wer von neuen Chancen spricht, sollte also sicher sein, dass die Bären nicht doch noch mal zum Schlag ausholen.
Der DAX ist unterdessen wieder an der 7000er Marke hängen geblieben. Das Erholungspotenzial, das bis ca. 7250 Punkte reicht, wurde also nicht einmal ausgeschöpft. Bedenklich ist dabei vor allem, dass der starken Börsensitzung am letzten Dienstag keine Anschlusskäufe folgten. Die Börse wartet nach wie vor auf Hinweise, dass sich die Zinssenkungen im Konsum- und Investitionsbereich positiv bemerkbar machen. Die Kehrseite der Medaille: Sollten in der jetzigen Phase wider Erwarten höhere Preissteigerungsraten auftauchen, dürfte die Börse zum Schlachthaus werden. Das wäre nicht nur das Ende der Ära des billigen Geldes, sondern damit wären auch sämtliche finanzpolitischen Maßnahmen ausgeschöpft. Es wäre leichtsinnig und gefährlich, sich auf einen bloßen Verdachtsmoment hin schon jetzt zu engagieren. Aufgrund der schleppenden Erholung besteht der Verdacht, dass das wahre Kursziel beim DAX rund 1000 Punkte unterhalb des aktuellen Niveaus angesiedelt sein könnte.
Crash entzaubert Analystengilde
Experten, anerkannt oder selbsternannt, geben oft einen derartigen Mumpitz von sich, dass man schon den Glauben an die Menschheit verlieren kann. Beispielsweise der damalige Finanzminister Theo Waigel: Gegen Ende seiner Amtszeit war er davon überzeugt, dass sich das Rohöl mittelfristig wieder bei 40 Dollar pro Barrel einpendeln werde. Was für eine Fehleinschätzung!
Oder Unternehmenskapitän Ron Sommer. Der Herr, bei dem sich die Aktionäre der Telekom dafür bedanken dürfen, dass sich die Werterfassung ihrer Aktien zu einer sehr übersichtlichen Angelegenheit entwickelt hat. Er berät heute den Großinvestor Blackstone. Durch Ron Sommers Zutun ist Blackstone nun – nach der Bundesregierung und der Kreditanstalt für Wiederaufbau – der größte Aktionär der Telekom. Im Zwist mit der Belegschaft vertritt Sommer jetzt die Interessen des Großaktionärs. Man sieht sich eben im Leben immer zweimal.
Oder die Bank, deren Tun angeblich von "ganzheitlichem Denken, nachhaltigem Handeln und gesellschaftlicher Verantwortung" geprägt ist. Die Rede ist von der WestLB, deren Experten im Aktien-Eigenhandel durch Fehlspekulation jüngst einen Milliardenverlust eingefahren haben. "Gesellschaftliche Verantwortung" bedeutet in diesem Kontext offenbar, dass die Bank jetzt mit Steuergeldern aufgefangen werden muss und ein Viertel der Belegschaft entlassen wird.
Auch als Privatanleger muss man so allerhand Unsinn über sich ergehen lassen. Dabei erweisen sich die Analysten regelmäßig nicht als vorausschauende Macher, sondern eher als zum Herdentrieb neigende Phantasten. Wer Analystenempfehlungen genauer verfolgt – etwa im Internet unter boerse.de – dem fällt auf, dass die Kaufempfehlungen immer dann zunehmen, wenn der DAX gestiegen ist. Fällt der Index dagegen, nehmen plötzlich die Verkaufsempfehlungen zu. Analysten springen meistens nur auf den fahrenden Zug auf, weil sie keinem wirklichen Wettbewerbsdruck unterliegen. Sie dürfen eben bloß nicht schlechter sein als die Konkurrenz.
Die Krönung der Schöpfung sind allerdings die Chartanalysten. Die Linealakrobaten haben immer einen "Plan B" zur Hand. So wurde eben besagte Telekom-Aktie vor ein paar Wochen von den Charttechnikern bei 14,75 Euro mit Kursziel 16,50 bis 17,00 Euro einhellig zum Kauf empfohlen, weil damit eine Widerstandslinie gefallen sei. Auch die Fundamentalisten warben mit ihrer "Defensivstrategie" für den vermeintlich soliden Titel. Dass die Telekom ihre Kunden nur noch durch Fußfesseln vom Weglaufen abhalten kann und für die geplante Dividendenerhöhung der Substanzwert angetastet werden muss, weil die vorhandenen Gewinne dafür nicht ausreichen, schien nicht weiter zu interessieren. Tatsächlich zog die Aktie zunächst bis auf 15,50 Euro an und verharrte auf diesem Niveau für längere Zeit. Als die Telekom dann wieder unter 14,75 Euro sank, werteten dies die Techniker als klares Verkaufssignal und gaben den Titel auf. Wer den Chartanalysten folgt, muss schon flexibel sein. Es folgte der freie Fall bis auf 13 Euro. Als Anleger fragt man sich: Was soll das?
Die wichtigste Erkenntnis aus der gegenwärtigen Börsenkrise ist, dass die Ratschläge der Aktienexperten oft geprägt sind von Unkenntnis oder Eigennutz. Sich selbst ein Bild von der Großwetterlage zu machen, ist unerlässlich. Das Internet bietet hierfür eine Reihe solider Informationsquellen wie beispielsweise unter handelsblatt.com, ftd.de (Financial Times Deutschland) oder die englischsprachigen reuters.com und bloomberg.com.
Strategie
Die Toleranz bis 7250 Punkte, die der DAX aus technischer Sicht hat, ist noch nicht ausgeschöpft. Nach wie vor wird erst eine neuerliche Abwärtsbewegung den stichhaltigen Hinweis dafür liefern, inwieweit der DAX tatsächlich bei 6500 Punkten zur Bodenbildung in der Lage ist. Auf diesem Niveau erscheint eine leichte Rezession bereits eingepreist. Sollte sich die Nachrichtenlage aber verschlechtern, liegt das neue Kursziel knapp über 6000 Punkten. Auf diesem Niveau erscheint dann ein nachhaltiger Turn-around möglich. Da aber bis zu diesem worst-case Szenario rund 1000 Punkte Luft nach unten bestehen, sollte man Aktienkäufe weiter zurückstellen und gelassen einen weiteren Rückschlag abwarten. DAX am 13. Februar (Schluss): 6973 Punkte.
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