Arzneimittel und Therapie

Abarelix zur Therapie des Prostatakarzinoms

Abarelix (Plenaxis®) ist der erste GnRH-Antagonist, der zur Therapie des Prostatakarzinoms auf den Markt kommt. Der Wirkstoff ist zur Einleitung einer hormonalen Kastration bei fortgeschrittenem oder metastasierendem, hormonabhängigem Prostatakarzinom indiziert, wenn eine Androgensuppression erforderlich ist.

Abarelix senkt die Testosteronwerte schnell auf Kastrationsniveau. Im Gegensatz zu den bisher eingesetzten LHRH-Analoga kommt es dabei nicht zu einem initialen Anstieg der Testosteronwerte.

Langsam wachsendes Karzinom

Jedes Jahr erkranken in Deutschland mehr als 48.000 Männer an einem Prostatakarzinom, rund 11.000 Patienten sterben jährlich daran. Prostatakarzinome wachsen relativ langsam und verursachen oft erst Beschwerden, wenn die Erkrankung bereits weit fortgeschritten ist und nicht mehr geheilt werden kann. Bei Diagnosestellung haben etwa 20 bis 30% der Patienten bereits Metastasen.

Meist wird die Diagnose zufällig im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung oder der transurethralen Resektion eines benignen Prostataadenoms gestellt.

Ab dem 45. Lebensjahr bieten die gesetzlichen Krankenversicherungen eine jährliche Vorsorgeuntersuchung für Männer an, die eine Untersuchung der Genitalorgane sowie eine Tastuntersuchung der Prostata in Verbindung mit einer Untersuchung der Haut umfasst.

Bei einer Lebenserwartung von mindestens zehn Jahren und organbegrenztem Prostatakarzinom ist die radikale Prostatektomie, eine Entfernung der Prostata, die Therapie der Wahl. Bei niedrigerer Lebenserwartung zwischen fünf und zehn Jahren und organbegrenztem Tumorwachstum wird die kurative Strahlentherapie empfohlen, die eine Langzeitheilung früh entdeckter Karzinome von mehr als 70% ermöglicht. Bei sehr geringer Lebenserwartung und gut differenziertem, lokal begrenztem Tumor besteht keine zwingende Therapienotwendigkeit.

Der GnRH- oder auch LHRH-Antagonist Abarelix blockiert sofort und kompetitiv die hypophysären LHRH-Rezeptoren. Dadurch kommt es zu einem schnellen und reversiblen Abfall der Gonadotropine und Androgene. Abarelix senkt die Testosteronspiegel im Blut innerhalb von einer Woche auf ein Kastrationsniveau.

Hormonentzug stoppt das Zellwachstum

Bei einem fortgeschrittenen und/oder metastasierendem Prostatakarzinom wird als Alternative oder Ergänzung zur Operation und einer Bestrahlung die Testosteronproduktion hormonell möglichst vollständig unterdrückt. Dadurch soll das hormonabhängige Wachstum der Zellen des Prostatakarzinoms unterdrückt werden.

Diese chemische Kastration wurde bisher mit LHRH-Analoga erreicht. LHRH ist ein kurzlebiges Dekapeptid, welches pulsatil vom Hypothalamus sezerniert wird und eine Halbwertszeit von zwei bis fünf Minuten hat. LHRH-Analoga binden als sogenannte Superagonisten mit höherer Affinität als das natürliche Hormon an den LHRH-Rezeptor. Die ständige Rezeptorstimulation führt zur Herunterregulierung der hypophysären Rezeptorzahl. Dadurch nimmt die FSH- und LH-Freisetzung aus dem Hypophysenvorderlappen ab, die testikuläre Testosteronproduktion sinkt. Allerdings kommt es zu Beginn der Behandlung zu einer vermehrten LH- und FSH-Ausschüttung. Dieses initiale Phänomen dauert in der Regel zehn bis 20 Tage und kann die LH-Spiegel verzehnfachen und die FSH-Spiegel verfünffachen, was zur Anregung der Testosteronproduktion führt. Deshalb müssen LHRH-Analoga zu Beginn mit Antiandrogenen kombiniert werden.

Abarelix

Kompetitive GnRH-Rezeptorblockade

Der GnRH- oder auch LHRH-Antagonist Abarelix bietet eine neue Möglichkeit der chemischen Kastration. Er blockiert sofort und kompetitiv die hypophysären LHRH-Rezeptoren. Die LH-Konzentration sinkt innerhalb von acht bis 24 Stunden um 51 bis 84%, die FSH-Konzentration um ca. 30%. Es kommt zu einem schnellen und reversiblen Abfall der Gonadotropine und Androgene.

Der Wirkstoff wird monatlich als intramuskuläre Injektion mit einer zusätzlichen Injektion an Tag 15 verabreicht. Abarelix senkt die Testosteronspiegel im Blut innerhalb von einer Woche auf ein Kastrationsniveau. Im Gegensatz zu einer Therapie mit LHRH-Analoga kommt es dabei nicht zu einem initialen Anstieg der Testosteronwerte, und eine Kombination mit Antiandrogenen ist daher nicht notwendig.

Da die Rezeptoren bei der Behandlung mit Abarelix nicht verändert werden, normalisieren sich die Testosteronwerte rasch nach Absetzen der Therapie. Dadurch klingen auch die durch die Hormontherapie bedingten Begleiterscheinungen, wie Hitzewallungen, rasch wieder ab.

Testosteronspiegel sinkt innerhalb einer Woche

In einer offenen multizentrischen Phase-III-Studie mit 269 Patienten wurden Abarelix und der LHRH-Agonist Leuprorelinacetat hinsichtlich des Effektes auf den Testosteronspiegel und andere Hormonwerte verglichen. 180 Männer erhielten Abarelix, 89 Patienten wurden mit Leuprorelinacetat behandelt.

In dieser und weiteren Studien sank unter der Therapie mit Abarelix im Vergleich zu LHRH-Agonisten in Monotherapie oder in Kombination mit Antiandrogenen der Testosteronspiegel bereits innerhalb von einer Woche (bei einem Drittel der Patienten schon nach drei Tagen) auf Kastrationsniveau. In der Abarelix-Gruppe wurde innerhalb von acht Tagen bei 72% der Patienten eine medikamentöse Kastration erreicht, während dies bei keinem Patienten in der Leuprorelin-Gruppe gelang (p < 0,001). Unter einer Kombination aus LHRH-Agonisten und Antiandrogenen wurden vergleichbare Ergebnisse erst nach 21 Tagen erreicht.

Eine unerwünschte initiale Testosteron-Anflutung trat bei keinem Patienten in der Abarelix-Gruppe, aber bei mehr als 80% der Patienten der Vergleichsgruppe (Kombination LHRH-Agonist plus Antiandrogen) auf.

Nebenwirkungen der hormonalen Kastration

Das Dekapeptid Abarelix bindet zu 96 bis 99% an menschliche Plasmaproteine und wird hauptsächlich durch Hydrolyse von Peptidbindungen abgebaut. Das Cytochrom-P450-System ist am Metabolismus von Abarelix nicht beteiligt.

Die Nebenwirkungen von Abarelix in den klinischen Studien entsprachen denen, die bei Prostatakrebspatienten mit weiteren Begleiterkrankungen, die medikamentös kastriert wurden, zu erwarten sind. Dazu gehören Hitzewallungen, Impotenz, Schlafstörungen, Minderung der sexuellen Triebkraft, Depressionen sowie Kraftlosigkeit, Schwäche, Anschwellen der Brustdrüsen und Hitzewallungen. Außerdem kam es häufig zu einem peripheren Ödem, Schmerzen, Schwindel, Kopfschmerzen, Sensibilitätsstörungen sowie gastrointestinalen Störungen.

Patienten mit eingeschränkter Leber- und/oder Nierenfunktion sollten Abarelix nicht erhalten. Die Serum-Transaminasenwerte sollten sowohl vor Beginn der Behandlung als auch periodisch während der Behandlung bestimmt werden.

Steckbrief: Abarelix

Handelsname: Plenaxis

Hersteller/Vertreiber: SK Pharma Logistics GmbH, Herford

Einführungsdatum: 15. Februar 2008

Zusammensetzung: Plenaxis 100 mg Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionssuspension: Jede Einzeldosis enthält 100 mg Abarelix in Form eines Carmellose-Komplexes. Nach Rekonstitution mit 2,2 ml Natriumchloridlösung enthält die Injektionssuspension 50 mg/ml Abarelix. Sonstige Bestandteile: Pulver: keine Hilfsstoffe; Lösungsmittel: 0,9%ige Natriumchlorid-Lösung für Injektionszwecke.

Packungsgrößen, Preise und PZN: 1 Dosis, 355,19 Euro, PZN 6090205; 3 Dosen 1025,55 Euro, PZN 6090211.

Stoffklasse: Zytostatika, Hormonantagonisten; Gonadorelin-Antagonist. ATC-Code: L02BX01

Indikation: Abarelix ist angezeigt zur Einleitung einer hormonalen Kastration bei fortgeschrittenem oder metastasierendem, hormonabhängigem Prostatakarzinom, wenn eine Androgensuppression erforderlich ist.

Dosierung: Monatlich 100 mg als intramuskuläre Injektion mit einer zusätzlichen Injektion an Tag 15.

Gegenanzeigen: Abarelix ist bei Patienten mit einer bekannten Überempfindlichkeit gegenüber einem seiner Bestandteile kontraindiziert.

Nebenwirkungen: Hitzewallungen, Impotenz, Anschwellen der Brustdrüsen, Schlafstörungen, Minderung der sexuellen Triebkraft, Depressionen; Kraftlosigkeit, Schwäche; peripheres Ödem, Schmerzen, Schwindel, Kopfschmerzen, Sensibilitätsstörungen; gastrointestinale Störungen.

Wechselwirkungen: Interaktionen mit Arzneimitteln, die über die Cytochrom-P-450-Enzyme metabolisiert werden, sind nicht zu erwarten, weil diese Enzyme nicht in den Metabolismus von Abarelix eingreifen. Abarelix wird zu einem sehr hohen Prozentsatz an die Plasmaproteine gebunden, daher kann es zu Wechselwirkungen mit Arzneimitteln kommen, die ebenfalls eine hohe Plasmaproteinbindung aufweisen.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen: Nach jeder Injektion von Abarelix sollten die Patienten mindestens 30 Minuten beobachtet werden; im Falle einer allergischen Reaktion vom Sofort-Typ sollten adäquate Maßnahmen ergriffen werden. Da Abarelix möglicherweise im EKG das QT-Intervall verlängern kann, sollten die Risiken gegen den Nutzen der Therapie bei Patienten sorgfältig abgewogen werden, deren Basis-QTc Werte größer als 450 Millisekunden sind oder die Antiarrhythmika der Klasse IA oder Klasse III erhalten. Die Serum-Transaminasenwerte sollten sowohl vor Beginn der Behandlung mit Plenaxis als auch periodisch während der Behandlung bestimmt werden; bei stark erhöhten Werten sollte der Patient von der weiteren Behandlung ausgeschlossen werden. Patienten mit eingeschränkter Leber- und/oder Nierenfunktion sollten Abarelix nicht erhalten.

Quelle

Prof. Dr. Manfred Wirth, Dresden; Prof. Dr. Lothar Weißbach, Fürth; Prof. Dr. Peter Hammerer, Braunschweig: Launch-Symposium "Abarelix in der Therapie des hormonabhängigen Prostatakarzinoms – eine Klasse für sich”, Berlin, 21. Februar 2008, veranstaltet von Speciality European Pharma, Liestal/CH.

Fachinformation zu Plenaxis®, Stand Dezember 2007.

McLeod, D., et al.: A phase 3, multicenter, open-label randomized study of abarelix versus leuprolide acetate in men with prostate cancer. Urology 2001; 58; 756-761.

 


hel

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