Aus der Hochschule

Klinische Pharmazie: Auf die Vernetzung kommt es an

Das sechste Treffen der DPhG-Fachgruppe Klinische Pharmazie fand am 22. und 23. Februar in Hamburg statt, wo Praktiker und Dozenten aus zahlreichen Universitäten in ganz Deutschland zusammenkamen. Nach Einschätzung der Organisatorin und Gastgeberin, JProf. Dr. Dorothee Dartsch, haben die Pharmazeutischen Institute mittlerweile jeweils ihren Weg gefunden, die Klinische Pharmazie im Studium zu vermitteln. Nun gelte es, die verfügbare Vorlesungs- und Seminarzeit optimal zu nutzen und die Inhalte mit der übrigen Ausbildung zu vernetzen.
Dozenten der Klinischen Pharmazie trafen sich in Hamburg zum Meinungsaustausch über Inhalte und Entwicklungsmöglichkeiten dieses Faches.

Als wichtigen Aspekt dieser Vernetzung stellte H.-Doz. Dr. Georg Hempel, Münster, Zusammenhänge zwischen dem zweiten und dem dritten Ausbildungsabschnitt dar. Er betonte, dass Klinische Pharmazie nicht mit pharmazeutischer Praxis gleichgesetzt werden darf. Um die Position der Klinischen Pharmazie an der Universität zu festigen, müsse in diesem Fach Forschung betrieben werden, mit der Drittmittel eingeworben werden könnten. Das Universitätsstudium bereitet nicht direkt auf den Beruf vor – dazu dient der dritte Ausbildungsabschnitt. Doch müssen bereits im Studium Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden, um später arzneimittelbezogene Probleme erkennen und lösen zu können und Pharmazeutische Betreuung zu betreiben. Die geringen Möglichkeiten für Kleingruppenarbeit und Patientenkontakte im Studium limitieren die Vermittlung der Klinischen Pharmazie.

Abgrenzung der ­Ausbildungsabschnitte

In einer Arbeitsgruppe wurde beschlossen, die Bundesapothekerkammer auf Überschneidungen zwischen den Ausbildungsabschnitten anzusprechen, um durch eine Bereinigung Zeit für die Vermittlung weiterer Inhalte zu gewinnen. Solche Überschneidungen dürften bei den Themen Datenrecherche, Arzneimittelentwicklung, Selbstmedikation, besondere Therapierichtungen und Ernährung zu finden sein. Doch bestand Konsens, bereits im Studium für grundsätzliche Probleme bei der Kommunikation mit Patienten und Ärzten zu sensibilisieren. Auch das berufliche Selbstverständnis müsse bereits im Studium vermittelt werden.

Constanze Schäfer, Düsseldorf, sieht die Klinische Pharmazie bereits gut in den begleitenden Unterrichtsveranstaltungen des dritten Ausbildungsabschnitts vertreten. Dagegen seien die Rechtsgebiete und die Betriebswirtschaftslehre in der vorgesehenen Zeit kaum vermittelbar. Als Begrenzung für die Gestaltung der begleitenden Unterrichtsveranstaltungen erweise sich vielfach das geringe Referentenhonorar, das von den Bundesländern zur Verfügung gestellt wird. Für die Gestaltung der Ausbildung in den Apotheken verwies Schäfer auf die Empfehlungen der ABDA-Kommission für die Ausbildung und die daraus abgeleiteten Arbeitsbogen.

Praktikanten auf Station

Die Klinische Pharmazie als einen inhaltlichen Schwerpunkt der praktischen Ausbildung zu gestalten, ist das Ziel des Projektes P-STAT2 der ABDA, über das Dr. Christiane Eickhoff, Berlin, berichtete. Dabei werden Pharmaziepraktikanten für jeweils drei Monate auf einer Krankenhausstation eingesetzt. Machbarkeit und Akzeptanz bei allen im Krankenhaus betroffenen Berufsgruppen wurden bereits im Pilotprojekt P-STAT1 evaluiert. Das Folgeprojekt an sieben Zentren und auf 14 Stationen soll ab Mai 2008 in die einjährige Praxisphase eintreten und im Oktober 2009 abgeschlossen werden. Fünf Jahre nach Ende des Projekts sollen 20 Prozent aller Pharmaziepraktikanten auf einer Krankenhausstation ausgebildet werden.

Der Einsatz von Pharmaziepraktikanten auf Station soll qualitätssichernd wirken, indem die Praktikanten die Arzneimittelanamnese verbessern, Arzneimittelsubstitutionen verfolgen, auf arzneimittelbezogene Probleme reagieren, die Dokumentation vervollständigen und die Thrombose- und Antibiotikaprophylaxe anhand von Leitlinien überwachen. Dabei sollen zumindest die Ausgaben für die Ausbildung der Praktikanten amortisiert werden. Die künftigen Apotheker sollen damit näher an die Patienten heranrücken, die interdisziplinäre Zusammenarbeit als selbstverständlich erleben, Kenntnisse der Abläufe im Krankenhaus gewinnen und kritisches Denken üben.

In der Diskussion wurde das Projekt insbesondere wegen der Vielzahl der Aufgaben für die Pharmaziepraktikanten und der nötigen Betreuung durch Krankenhausapotheker als sehr ambitioniert betrachtet. Es bestand jedoch Konsens, dass die Klinische Pharmazie einschließlich der Arbeit auf Station gut in das Praktikum in einer Krankenhausapotheke oder krankenhausversorgenden Apotheke integriert werden kann. Dies zeigten auch die Erfahrungen von Dr. Andrea Liekweg, Anna Hinnerkort und Christina Stockmann, alle in Hamburg, die über gelungene Praxisprojekte in Krankenhäusern berichteten.

Falldatenbank

Zur Verbesserung der Arbeit in allen Ausbildungsbereichen der Klinischen Pharmazie entwickelte die Fachgruppe ein Konzept für eine Falldatenbank. Dort sollen interessante Patientenfälle anonym gespeichert werden, um die dabei gewonnenen Erfahrungen als Beispiele für die Ausbildung zu nutzen.

Prof. Dr. Ulrich Jaehde, Bonn, stellte die angestrebten Eigenschaften einer solchen Datenbank dar. Demographische Daten, Diagnosen, Befunde und die komplette Medikation sollten möglichst standardisiert erfasst werden, zusätzlich sollten Originaldokumente eingegeben werden können. Arzneimittelbezogene Probleme sollten nur nach Hauptgruppen kodiert werden. Für den Aufbau der Datenbank und eine Pilotphase sei eine zweijährige Doktorandenstelle angemessen. Wegen der bereits in Hamburg geleisteten Vorarbeit schlug Jaehde vor, das Projekt dort zu installieren.

Epidemiologie und Ökonomie

Eine Randstellung innerhalb der Klinischen Pharmazie nehmen die Pharmakoepidemiologie und -ökonomie ein, die meist von externen Lehrbeauftragten vermittelt werden. Dr. Thomas Müller-Bohn, Süsel, plädierte dafür, diese Fächer in Blockveranstaltungen möglichst am Beginn des zweiten Studienabschnitts zu unterrichten. So könnten die Inhalte im Zusammenhang dargestellt und später mit anderen Studieninhalten vernetzt werden, wodurch die Relevanz der Pharmakoepidemiologie und -ökonomie besser erkennbar werde. Bisher würden diese Inhalte im Studium vielfach als eher berufspraktische Themen empfunden, obwohl es jeweils eigenständige Wissenschaftsdisziplinen sind. Der Leistungsnachweis sollte möglichst mit anderen Teilen der Klinischen Pharmazie verbunden werden.

Im Rahmen einer Arbeitsgruppe zur Pharmakoepidemiologie und -ökonomie wurde auf Studienangebote für eine vertiefte Ausbildung in diesen Fächern hingewiesen, doch sollten auch die Apothekerkammern diesbezügliche Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten anbieten, wenn diese Inhalte als berufspolitisch wichtig betrachtet werden. Als weitere Option für das Studium wurde ein neues Fach diskutiert, das Geschichte, Ethik und Ökonomie verbinden könnte. Wenn auch für die Pharmakoepidemiologie und -ökonomie Stellen an der Universität, möglicherweise in Teilzeit, geschaffen würden, könnten diese Fächer besser in die Lehre integriert werden.

Dr. Eva Susanne Dietrich, Hamburg, betrachtet die Pharmakoepidemiologie und -ökonomie nicht als Abrundung der Ausbildung, sondern als existenziell bedeutsam für den Beruf. Das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung mit den Arzneimittel-Richtlinien und künftig auch mit den Konsequenzen aus Kosten-Nutzen-Bewertungen bilde wesentliche Rahmenbedingungen für die Arbeit in den Apotheken und für ihren wirtschaftlichen Erfolg, doch würden sich Apothekerorganisationen bei Symposien und Anhörungen zu diesen Themen viel zu wenig zu Wort melden. Außerdem sollten die Apotheker nachweisen, welchen ökonomischen Vorteil ihre eigenen Leistungen, insbesondere in der Pharmazeutischen Betreuung, bieten. Ein vorteilhafter Aspekt für den Berufsnachwuchs seien die neuen Arbeitsplätze für Apotheker, die durch die wachsende Bedeutung der Pharmakoepidemiologie und -ökonomie beispielsweise bei Krankenversicherungen entstehen.


Dr. Thomas Müller-Bohn

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