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Jetzt muss die Politik handeln!
Mit dieser Entscheidung hat das Gericht die Vorgehensweise des Drogeriemarkts dm abgesegnet, der mit der niederländischen Europa-Apotheek in Venlo zusammenarbeitet und für diese Apotheke Rezeptsammel- und -auslieferungsstellen in seinen Märkten unterhält (Pharma-Point). Zur Begründung führt das Gericht aus, die Auslieferung bestellter Waren durch Übergabe an den Kunden in einer Abholstation sei inzwischen eine verbreitete Form des Versandhandels. Nach heutigem Sprachgebrauch unterfalle daher auch diese Form dem Begriff des Versandhandels. Die Schutzziele des Apotheken- und Arzneimittelrechts stünden der Einbeziehung dieses Vertriebsweges in den Versandhandel mit Arzneimitteln nicht entgegen. Insbesondere sei die Arzneimittelsicherheit nicht mehr gefährdet als beim klassischen Versandhandel mit direkter Zustellung an den Endverbraucher. Allerdings müsse sich der Beitrag des Drogeriemarktes auf logistische Leistungen beschränken. Keinesfalls dürfte der Eindruck erweckt werden, die Arzneimittel würden vom Drogeriemarkt selbst abgegeben, dieser sei also Vertragspartner des Kunden. Auch eine Werbung, die diesen Eindruck vermittle, sei unzulässig.
Die Entscheidung des Gerichts löste zahlreiche Pressemitteilungen von Verbänden, aber auch von Gesundheitsministerien der Länder aus.
ABDA: Schwarzer Tag für den Verbraucherschutz
Die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände bedauert das Urteil. ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf: "Das ist ein schwarzer Tag für den Verbraucher- und Patientenschutz. Die Entscheidung verschärft ein ohnehin brennendes Problem. Der Gesetzgeber hatte nicht die Absicht, mit der Zulassung des Versandhandels die Anforderungen an die stationäre Arzneimittelversorgung zu demontieren. Deshalb müssen sofort diese und alle anderen Ausfransungen der Medikamentenversorgung und Arzneimittelabgabestellen außerhalb von Apotheken gestoppt bzw. untersagt werden. Es geht darum, die Verbraucher aktiv zu schützen und ihnen ein qualitatives Höchstmaß bei der Arzneimittelversorgung und -sicherheit zu garantieren. Die Politik in Bund und Ländern ist jetzt gefordert. Nur eine Reduktion des Versandhandels auf das europarechtlich geforderte Maß beugt diesem und weiteren Irrwegen des Marktes umfassend vor", so Wolf.
Wolf fordert, dass auch ungenehmigten Rezeptsammelstellen, der Abgabe an Kiosken, durch Automaten, im Wege der Selbstbedienung und anderen Markterscheinungen nachhaltig entgegengetreten wird.
Hessischer AV: Experiment mit der Gesundheit
"Arzneimittel sind keine Urlaubsfilme, die ich im Drogeriemarkt abgebe und mir nach der Entwicklung dort wieder abhole. Sie sind erklärungs- und beratungsbedürftig. Ich kann nur jeden Bürger davor warnen, mit seiner Gesundheit zu experimentieren", so die erste Reaktion des Vorsitzenden des Hessischen Apothekerverbandes, Dr. Peter Homann. "Ich befürchte, dass es erst einen richtig gravierenden Arzneimittelzwischenfall geben muss – etwas Schlimmeres möchte ich mir erst gar nicht vorstellen – bevor die Politik unsere Forderung aufgreift, den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln komplett zu verbieten", so Homann weiter.
Bayerischer Gesundheitsminister: Weckruf für Bund
Als einen Weckruf für den Bund wertet Bayerns Gesundheitsminister Otmar Bernhard die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, den Bestell- und Abholservice für Arzneimittel auf Rezept in Drogeriemärkten zuzulassen. Bernhard fordert den Bund auf, umgehend tätig zu werden, da sonst die Versorgung mit Arzneimitteln zu einem Experiment mit ungewissem Ausgang werde. Bernhard: "Der gesetzliche Auftrag der Apotheken ist, die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln rund um die Uhr sicherzustellen." Dies beinhaltet neben der fachkundigen Beratung auch den Nachtdienst und die Herstellung von individuellen Rezepturen. "Das System der dem Gemeinwohl verpflichteten öffentlichen Apotheken hat sich bewährt. Rein wirtschaftlich ausgerichtete Rosinenpickerei gefährdet dieses sichere und qualitativ hochwertige System der Arzneimittelversorgung", so Bernhard. Der seit 2004 in Deutschland zugelassene Arzneimittelversandhandel werde zunehmend für rein wirtschaftliche Interessen missbraucht. "Ich erwarte von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt, dass sie die Auswüchse des Versandhandels mit Arzneimitteln unterbindet: Verschreibungspflichtige Arzneimittel gehören nicht in den Versandhandel und für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel braucht es klare Regelungen zum Schutz der Patienten und Verbraucher", so Bernhard. Zudem schütze die persönliche und individuelle Beratung, wie sie die Präsenzapotheken bieten, vor Fehlern durch "Eigentherapie" oder Gefahren beim Bezug von Arzneimitteln via Internet.
Bayerischer AV: Patientensicherheit gefährdet
"Hier wird der Verbraucherschutz völlig außer acht gelassen", sagt Josef Kammermeier, 2. Vorsitzender des BAV Bayerischer Apothekerverband e.V. "Zum Arzneimittel gehört Beratung. Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten oder Lebensmitteln bergen große Gefahren für die Gesundheit. Hier gibt es nicht mehr Service, sondern weniger Service. Denn zum Arzneimittel darf im Drogeriemarkt nicht beraten werden", so Kammermeier. "In den dm-Filialen gibt es überhaupt kein Personal, das dafür die hochwertige pharmazeutische Ausbildung hat, die dringend nötig ist", gibt der BAV-Vorsitzende zu Bedenken. Die Rosinenpickerei gefährde zum einen die Sicherheit der Patienten, zum anderen ein seit Jahren bewährtes und sehr sicheres System der Arzneimittelversorgung.
LAK Bad.-Württ.: Politik muss endlich handeln
"Dieses Urteil ist der negative Höhepunkt einer Verwaltungsrechtsprechung, die durch die generelle Öffnung des Versandhandels ausgelöst wurde", kommentiert Dr. Günther Hanke, Präsident der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg, das Urteil. Pillentaschen gleich neben den Fototaschen würden der besonderen Ware Arzneimittel nicht gerecht. Diese Beliebigkeit der Abgabestelle für Arzneimittel könne nicht im Sinne des Gesetzgebers gewesen sein und bringe dem Verbraucher keinerlei Vorteile. Das Gericht eröffne theoretisch mit seiner Begründung jeder Gyros-Bude oder Tankstelle die Möglichkeit, Rezepte für eine Versandapotheke einzusammeln und die gelieferten Arzneimittel auszugeben. Die Arzneimittelsicherheit werde Stück für Stück demontiert. "Für diesen Werbe-Gag gibt es keinerlei Notwendigkeit und daher auch keine Rechtfertigung. dm bietet keinerlei pharmazeutische Dienstleistungen wie individuelle Rezepturen oder gar Notdienste rund um die Uhr", so Hanke. "Deshalb fordern wir den Gesetzgeber erneut auf, endlich auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu berücksichtigen und den Versandhandel mindestens für verschreibungspflichtige Arzneimittel wieder zu verbieten."
Sächsisches Gesundheitsministerium: Regelungen vorlegen
Aus Sicht der sächsischen Gesundheitsministerin Helma Orosz stellt das Urteil zum Versandhandel mit Arzneimitteln über Drogeriemärkte die ausschließliche und unmittelbare Arzneimittelversorgung über Apotheken weitgehend in Frage. Orosz: "Das Bundesverwaltungsgericht hat mit diesem Urteil die Zulässigkeit des Versandhandels mit Arzneimitteln in Deutschland im Detail ausgelegt. In diesem Zusammenhang fällt jedoch auf, dass der seit 2004 in Deutschland zugelassene Versandhandel mit Arzneimitteln zunehmend aus wirtschaftlichem Blickwinkel und nicht so sehr aus Sicht des Patientenschutzes wahrgenommen wird. Es ist nun an der Zeit, dass das Bundesministerium für Gesundheit Regelungen vorlegt, die nach dieser faktischen Ausweitung des Versandhandels mit Arzneimitteln einen effektiven Schutz sowie eine qualitätsgesicherte Beratung der Patientinnen und Patienten sicherstellen." Vor dem Hintergrund des aktuellen Urteils wird das Sächsische Gesundheitsministerium prüfen, ob der seit 2004 erlaubte Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nun noch aufrechterhalten werden kann. Der Europäische Gerichtshof hatte im Dezember 2003 entschieden, dass ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nicht gegen EU-Recht verstößt.
Ursula Sassen: Apotheker sind mehr als Tütenpacker
Die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion im schleswig-holsteinischen Landtag, Ursula Sassen, hat angesichts des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig über die Rechtmäßigkeit des Einsammelns und Aushändigens von Arzneimittelbestellungen durch Drogeriemärkte eine Diskussion über die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung – insbesondere im ländlichen Raum – angeregt: "Apotheker sind mehr als Tütenpacker und Call-Center-Agenten! Sie stellen neben der Beratung der Patienten unter anderem die 24-Stunden-Arzneimittelversorgung sicher, was auch die gesetzliche Pflicht zur Bevorratung einer Grundversorgung beinhaltet. Weiterhin tragen die Apotheker durch Prüfungen zur Arzneimittelsicherheit bei und fertigen nicht industriell hergestellte Arzneimittel an. Gemeinsam unterhalten sie zentrale Notfalldepots für nur selten benötigte Arzneimittel, wie z. B. Gegenmittel für Schlangenbisse. Auch diese Leistungen verursachen Kosten, die durch die wohnortnahen Apotheken mit erwirtschaftet werden müssen, und an denen sich die Versandapotheken und Drogeriemärkte nicht beteiligen", so Sassen. "Bislang wurden die Zusatzleistungen aller Apotheker auf den Arzneimittelpreis mit umgelegt. Bei den neuen Vertriebswegen fällt dieser Aspekt weg. Es ist völlig klar, dass aufgrund dieser geringeren Kosten Versandapotheken und ihre Partner günstiger agieren können, und damit einen Wettbewerbsvorteil haben", so Sassen.
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