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DAZ aktuell
Ulla Schmidt: "Ich brauche Apotheker"
Patient im Mittelpunkt
Das Ziel Nummer 1 der Gesundheitsministerin lautet: Auch in Zukunft soll jeder Patient eine gute medizinische Versorgung erhalten, und zwar möglichst wohnortnah und ohne Rücksicht auf seine finanziellen Verhältnisse. Dies sei nur durch ein solidarisches Gesundheitssystem zu erreichen – und durch eine hohe Effizienz. Mit den Worten der Ministerin heißt dies: "Gesunde zahlen für ihre kranken Mitbürger mit dem Gefühl, dass jeder gezahlte Euro auch gut eingesetzt wird."
Ökonomische Verantwortung im Gesundheitswesen
Hier sind nun die Akteure des Gesundheitswesens in der Pflicht. Da sie sich nicht nur um den Patienten bemühen, sondern natürlich auch ihre eigenen, einander widersprechenden Interessen verfolgen, ist es Aufgabe der Politik, das Gesundheitssystem zu regulieren. Die zu diesem Zweck in den letzten Jahren erlassenen Gesundheitsreformgesetze bezeichnete die Ministerin als einen vollen Erfolg, obwohl sie persönlich sich mit ihren Vorstellungen nicht ganz habe durchsetzen können – eine Gesundheitsreform sei eben immer nur ein Kompromiss, wie alle daran Beteiligten wissen. Neu geschaffene oder noch zu schaffende Elemente, in die sie große Erwartungen setzt, sind das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Kosten-Nutzen-Bewertungen von Arzneimitteln, "faire" Preise für Arzneimittel, Vernetzung der Anbieter von Gesundheitsleistungen, Wettbewerb der Krankenkassen und auch der Gesundheitsfonds, auf den sie erklärtermaßen nicht verzichten möchte.
Auch der Apotheker müsse ökonomische Verantwortung für die Krankenversicherten tragen. Deshalb müsse er bei pharmazeutisch gleichwertigen Präparaten das wirtschaftlich Günstigste abgeben. Schmidt rief den Pharmaziestudierenden zu "Ich brauche Sie als Verbündete!" und kündigte an, dass die Apotheker bei der Arzneimittelsubstitution künftig noch mehr Verantwortung tragen sollen. Das Gesundheitssystem sei derzeit zu "arztlastig"; es wäre gut, wenn die Apotheker im Arzneimittelbereich ein größeres Gewicht bekämen.
Die Transparenz in der Apotheke sei jetzt schon viel größer als in den Arztpraxen. Der Apotheker brauche deshalb die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte, die leider später komme als vorgesehen, nicht zu scheuen.
Viele Chancen für Apotheker
Den Pharmaziestudierenden prophezeite die Ministerin, die kürzlich auch auf einer entsprechenden Verbandstagung der deutschen Medizinstudenten gesprochen hatte, eine sichere Zukunft: "Apotheker und Ärzte werden überall gebraucht." Für Apotheker sah sie gute Chancen auf allen bisherigen Berufsfeldern:
in der öffentlichen Apotheke. Die Tatsache, dass die Anzahl der Apotheken immer noch leicht ansteige, zeige, dass sich der Betrieb einer Apotheke lohne. Auch die Rahmenbedingungen sind günstig: steigender Arzneimittelumsatz, Zunahme der beratungsbedürftigen Patienten und Möglichkeiten zur engeren Kooperation mit anderen Partnern im Gesundheitswesen ("Integrierte Versorgung");
im Krankenhaus. Mehr Krankenhausapotheker würden das Zusammenspiel von stationärer und ambulanter Versorgung verbessern; diese Erkenntniss werde sich hoffentlich auch bei den Krankenhausträgern durchsetzen;
- in der Forschung, im öffentlichen Dienst und in Verbänden.
Für den Erhalt der Präsenzapotheke
Schmidt sprach sich explizit dagegen aus, dass Kapitalgesellschaften Eigentümer von Apotheken werden können. Sie hoffe, dass der Europäische Gerichtshof sie nicht zwinge, in Deutschland Apothekenketten zuzulassen, denn die inhabergeführte Apotheke habe sich bewährt. In dem Arzneimittelversandhandel sieht Schmidt hingegen keine Gefahr für die Präsenzapotheke. Die Klientel, die sich für diese Art der Versorgung entscheidet, sei sehr klein und werde angesichts der demografischen Entwicklung kaum größer werden. Die Belieferung per Post oder über Ausgabestellen, z. B. in Drogeriemärkten, sei für die weitaus meisten Patienten wenig attraktiv, aber sie sei auch nicht zu beanstanden. Die niedergelassenen Apotheker sollten die Herausforderung annehmen, durch kompetente Beratung ihrer Patienten die Konkurrenz des Versandhandels klein zu halten.
Gegen Arzneimittelfälschungen
Deutlich von den legalen Versandhandelsapotheken, die behördlich überwacht werden und laut Schmidt auch gut – teilweise besser als die Präsenzapotheken – beraten, unterschied die Ministerin den illegalen Versandhandel, der als Vehikel zum Import von gefälschten Arzneimitteln dient und eine Form der organisierten Kriminalität darstellt. Das Bundeskriminalamt sei hier aktiv, weil gefälschte Arzneimittel "eine Riesengefahr" sind, das Problem lasse sich jedoch nur auf europäischer Ebene lösen. Experten arbeiten im Auftrag der Politik an einem System, mit dem sich jedes Präparat vom Endverbraucher bis zum Hersteller zurückverfolgen lässt, sodass die Fälscher erkannt werden können.
Pharmazeutische Ausbildung sehr gut
Die pharmazeutische Ausbildung in Deutschland bezeichnete Schmidt im europäischen Vergleich als sehr gut. Deshalb seien die Berufschancen für Apotheker mit einer deutschen Approbation auch im Ausland hervorragend. In der Einführung von Bachelor- und Master-Studiengängen in der Pharmazie sieht sie per se keinen Nutzen. Falls dieses System doch komme, dürfe es keinesfalls zulasten der Ausbildungsqualität gehen. Bezüglich der Inhalte des Studiums wünschte Schmidt eine stärkere Gewichtung der Klinischen Pharmazie.
EU-weites System der Arzneimittelpreisbildung?
Die Studierenden konfrontierten die Ministerin mit der Frage, ob es moralisch sei, dass der Staat sich durch den vollen Mehrwertsteuersatz auf Arzneimittel an der Therapie der Patienten bereichere. Ulla Schmidt antwortete freimütig, sie sei dafür, dass die Arzneimittel sofort von der Mehrwertsteuer befreit werden, doch sei es unmöglich, gegen die Widerstände im Regierungskabinett einen so wichtigen Sektor des Finanzsystems zu reformieren. Hier setzt die Ministerin ihre Hoffnungen abermals auf die EU: In ein paar Jahren sollte die Arzneimittelpreisbildung europaweit harmonisiert werden. Mit vereinten Bemühungen müsse es gelingen, auch die Industrie stärker auf ihre ökonomische Verantwortung im Gesundheitssystem zu verpflichten. Die Herstellerabgabepreise der Arzneimittel sollten in einem vernünftigen Verhältnis zu ihrem Nutzen stehen. Es sei ein Modell vorstellbar, bei dem der Hersteller einen Teil der Einnahmen an die Krankenkassen zurückzahlen muss, wenn eine Kosten-Nutzen-Bewertung einige Zeit nach der Markteinführung ergibt, dass er ein neues Arzneimittel "zu teuer" verkauft hat.
Abschließend ermunterte die Ministerin die Studierenden, sich nicht von den aktuellen Querelen über die Rabattverträge die Vorfreude auf einen interessanten Beruf verderben zu lassen. In diesem Beruf sei die Fähigkeit zur Kommunikation besonders wichtig, um Probleme zu lösen. Und jede Herausforderung sei letztlich auch eine Chance.
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