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Länderdossier Schweiz
"Es kommt eine neue Generation von Apothekern"
DAZ:
In einem liberalisierten Markt, wie wir ihn in der Schweiz vorfinden, muss doch die Verbandsarbeit einem Balanceakt gleichkommen. Es gilt immer wieder die unterschiedlichen Interessen der verschiedenen konkurrierenden Betriebsformen auszuloten. Wie ist das zu schaffen?
Wyler:
Wir gestalten Rahmenbedingungen für alle Apotheker, das ist a priori unsere Aufgabe. Liberalisierung ist kein Status quo, sondern ein Prozess, der ständig gestaltet werden kann. Wir versuchen, gleich lange Spieße zu schaffen und transparent für alle zu sein. Wir vertreten Apotheker und keine selbstdispensierenden Ärzte, das macht die Interessensvertretung in der Gesundheitspolitik im Zusammenhang mit dem Arzneimittel häufig schwierig.
DAZ:
Sie haben das Stichwort für meine nächste Frage geliefert. Ein Dispensierrecht für Ärzte gibt es bei uns in Deutschland nicht. Für die Apotheker in der Schweiz sind die Ärzte aber eine ernst zu nehmende Konkurrenz. Was tut der Verband zur Stärkung des Apothekenberufes? Wie können Sie Ihre Strategie im Umgang mit dem Dispensierrecht beschreiben?
Wyler:
Wir sind wohl weltweit das einzige Land, welches das Dispensierrecht kennt, Wir werden dazu ständig von der WHO gemahnt, mit der Selbstdispensation sogenannte perverse incentives – falsche Anreizsysteme – zu schaffen und damit das Gesundheitssystem in eine Schieflage zu bringen. Das Dispensierrecht ist ein kantonales Recht und nicht alle Kantone kennen es. Wir als nationaler Verband können deshalb nur beschränkt aktiv werden, hier sind die kantonalen Apothekervereine gefragt. Natürlich unterstützen wir diese und wir sprechen uns ab. Auf der nationalen Ebene versuchen wir, Vorteile und Nutzen der Apotheke herauszustellen. Wenn der Markt spielen soll, muss er kommunizieren.
Die Apotheker vor Ort müssen im Gespräch mit dem Kunden den USP der Apotheke erlebbar machen und ihre Bedeutung manifestieren. Unsere Imagekampagnen und ähnliche Aktivitäten können diese wesentliche Kommunikationsaufgabe vor Ort nur begleitend unterstützen.
DAZ:
Das Problem dabei ist aber doch, dass die Beratung immer mehr vom vergleichbaren Produkt Arzneimittel abgekoppelt wird. Das Arzneimittel gibt es beim Arzt und in der Apotheke wird dann nachgefragt, wie es einzunehmen ist, da der Arzt oft keine Zeit hat. Und hier wird dann die Beratung zum Nulltarif erwartet.
Wyler:
Das stimmt. Was uns aber noch mehr Schmerzen zufügt ist der Satz des Arztes: "Ich lasse es Ihnen zusenden und sie nehmen es dann folgendermaßen ein ..." Kommt das Arzneimittel beim Kunden an, hat er nach ein paar Tagen alle Anweisungen vergessen. Es ist kein Wunder, dass Versandhäuser billige Produkte anbieten können, denn im Zweifelsfalle berät die Vertrauensapotheke. Wir tun dies bisher, aus Überzeugung, da die Sicherheit des Kunden wichtiger ist.
DAZ:
Am 1. Juni haben die Schweizer Stimmberechtigten über den neuen Verfassungsartikel "Für Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Krankenversicherung" entschieden. Der Einfachheit halber benenne ich das Thema dieser Abstimmung jetzt einmal mit "Alle Macht den Krankenkassen". Wie sehen Sie die Entwicklung in diesem Bereich? Werden die Krankenkassen möglicherweise zukünftig Individualverträge mit einzelnen Kooperationen und Ketten dem schweizweiten Einheitsvertrag mit den Apotheken vorziehen? Welche Rolle wird dann pharmaSuisse dabei spielen?
Wyler:
Die Krankenkasse Helsana hat ja bereits öffentlich diese Absicht kundgetan und angekündigt, dass sie direkte Verhandlungen mit den Versendern führen will. Zuerst sah das wirklich nicht gut für uns aus. Inzwischen hat sich die Stimmung geändert, denn wir haben uns auch massiv gewehrt und sind aktiv gewesen. Wir sind z. B. gemeinsam mit den Ärzten vor das Bundeshaus gezogen und haben eine Front in weißen Schürzen aufgebaut. Diese Abstimmung ging nun erst einmal positiv für uns aus. Wir schauen jetzt einmal, wie das weiter geht.
So oder so können und werden wir noch vieles tun, denn die Kampfansagen der Krankenkassen müssen wir ernst nehmen.
DAZ:
Die deutschen Apotheker sind stolz auf ihr Apothekenzeichen in Form des roten A, denn es hat einen Wiedererkennungswert von nahezu 100%. Der Verband hat es gewagt, das grüne Kreuz der schweizerischen Apotheke zu modernisieren, wenngleich es sich ebenfalls eines hohen Bekanntheitsgrades erfreute. Was waren die Beweggründe? Wie waren die Reaktionen und wie entwickelt sich dieser Relaunch?
Wyler:
Wir haben das ja nicht einfach mal so gemacht, sondern dahinter stand natürlich auch eine Strategie. Wir möchten die Apotheken als Dienstleister mit Qualität positionieren. Dabei spielen innovative Dienstleistungen zum Beispiel die Unterstützung der Compliance oder Früherkennung und Prävention eine große Rolle. Der neue Name und das neue Logo stehen für den Aufbruch in diese neue Zeit. Wer dieses Zeichen nutzt, sagt damit auch: Ich wähle eine neue Zukunft. Wir dürfen nicht in Lethargie und Resignation verharren in einer Zeit, in der sich die Prozesse und Systeme grundlegend ändern. Uns war es wichtig, wach zu rütteln. Die Diskussion, die in der Apothekerschaft natürlich einsetzte, war gewollt. Es sollte auch symbolisiert werden, dass an den Grundfesten gerüttelt wird und sich sehr vieles verändert.
DAZ:
Gibt es noch einen Punkt, den Sie gerne ansprechen möchten?
Wyler:
Ja, denn wir haben noch nicht über den Bereich Aus- und Weiterbildung gesprochen. Hier sind wir sehr aktiv. Wir gehen z. B. auch in die Universitäten und dort bereitet sich die Zukunft bereits vor: Es kommt eine neue Generation von Apothekern ohne Angst vor der Zukunft. Das ist eine effektive und neue Garde mit viel Drive. Diese angehenden Apotheker fragen, was ist zu tun, und packen das an, auch als Unternehmer. Für mich ist diese Beobachtung ein Ansporn, mich in dem Verband zu engagieren.
DAZ:
Vielen Dank, Herr Wyler, für das informative Gespräch.
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