Länderdossier Schweiz

Zur Rose AG: Noch erhebliches Potenzial

Die Zur Rose AG ist der bedeutendste Ärztegrossist für die selbstdispensierenden Ärzte und mit 1 Mio. Kunden per Ende 2007 eine führende Versandapotheke in der Schweiz mit einem Gesamtumsatz im Jahr 2007 in Höhe von 520 Mio. sFr (über 40% davon im Versandgeschäft). Seit Ende 2004 ist die Zur Rose AG mit Sitz in Halle auch in Deutschland als Versender tätig. Die Zur Rose AG versteht sich als umfassender Dienstleister für die Ärzte und bietet im Versandgeschäft für Endkunden, wie für Ärzte und Krankenkassen, attraktive finanzielle Vergünstigungen. Wir sprachen mit Walter Oberhänsli, Verwaltungsratspräsident der Zur Rose AG, über den deutschen und schweizerischen Apothekenmarkt.

DAZ: Sie sind in beiden Märkten, Deutschland wie auch der Schweiz, tätig und daher interessiert mich natürlich der direkte Vergleich. Wenn Sie die beiden Märkte kurz charakterisieren, vielleicht sogar ein Bild dazu finden, wie würde es für Deutschland, wie für die Schweiz aussehen? Sind die Bilder ähnlich oder unterschiedlich?

 

Oberhänsli:

Die beiden Bilder hätten sicherlich mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Das Gesundheitswesen ist in beiden Ländern gleich strukturiert, mit einer gesetzlichen Krankenversicherung mit Pflichtmitgliedschaft und klar definierten, einheitlichen Grundleistungen sowie einer privaten Krankenversicherung für weiterführende Leistungen. Identisch ist auch die zentrale Rolle, welche Apotheker und Ärzte in diesem System spielen. Und nicht zuletzt haben beide Länder traditionell eine starke Pharmaindustrie. Unterschiede bestehen vor allem in punkto Liberalisierungsgrad. Regelungen wie das Festpreissystem und das Fremdbesitzverbot verhindern in Deutschland einen echten Wettbewerb und damit das Ausschöpfen von Kostensenkungspotenzial. Die Schweiz hat diesbezüglich vier bis fünf Jahre Vorsprung.

 

 


DAZ:

Werden die Apothekerberufe in den beiden Ländern ähnlich gelebt oder wo sehen Sie Unterschiede?

 

 


Oberhänsli:

Genauso wie die deutschen sind auch die schweizerischen Apotheker stolz darauf, eine Tätigkeit im Dienste ihrer Mitmenschen auszuüben, ein jahrhundertealtes Handwerk zu pflegen und nicht zuletzt selbstständige Unternehmer zu sein. Wahrscheinlich sind die Schweizer Apotheker heute etwas beweglicher, da sie dem Liberalisierungsdruck schon länger ausgesetzt sind.

 

 


DAZ:

Wie ist Ihre Meinung zur Entwicklung des deutschen Marktes? Glauben Sie, dass die Liberalisierung noch aufzuhalten ist?

 

 


Oberhänsli:

Nein, die Zeit für die Liberalisierung im deutschen Gesundheitsmarkt ist reif. Den Wettbewerb aufhalten und überholte Strukturen erhalten zu wollen, hat noch nie etwas gebracht. Zudem wäre ein Liberalisierungsstopp eine ganz schlechte Nachricht für den Verbraucher. Denn er profitiert von neuen Angeboten, besseren Dienstleistungen und tieferen Kosten.

 

 


 

Das Dispensierrecht in der Schweiz

 

Arzt und Apotheker im direkten Wettbewerb

Unter dem Dispensierrecht versteht man die gesetzliche Erlaubnis, Medikamente herzustellen, zu mischen, zu lagern und zu verkaufen. Das Dispensierrecht entspricht damit im Grunde dem Recht zum Führen einer Apotheke. In Deutschland haben nur Tierärzte diese Dispensiererlaubnis.

In der Schweiz gilt noch immer in vielen Gebieten ein Dispensierrecht für Ärzte. Damit nicht genug. Im Kanton Zürich ist auf dem Land der Arzneimittelverkauf durch die Ärzte gestattet, in den Städten Winterthur und Zürich nicht. Immer wieder versuchen die Ärzte per Volksinitiative den Verkauf der Arzneimittel in den Praxen zu erreichen und liefern sich hier gerade im Vorfeld der Abstimmungen mit den Apothekern einen rauen Kampf um den Patienten. Regierungsrat und Gesundheitsdirektor des Kantons Zürich unterstützen leider diese Initiative. Immer wieder verschoben, liegt dieses Damoklesschwert über den Zürcher Apotheken und verursacht in mancher Apotheke einen Investitionsstau. Auch andere Städte beobachten diese Entwicklung sehr genau und kritisch, ist doch zu befürchten, dass im Fall der positiven Abstimmung für die Ärzte ein Nachahmerwunsch in anderen Städten entsteht und ein eher obsoletes Recht eine Renaissance erfährt.

Dabei gäbe es noch Beispiele für Win-win: Die Permanence im Hauptbahnhof Zürich, eine Arztstation für dringliche Konsultationen, ist täglich von 7 bis 22 Uhr geöffnet und hat eine Verbindung zur benachbarten Bahnhof Apotheke – Synergie und Convenience für den Kunden.



 

DAZ: Sie haben einmal gesagt: Man sollte aufhören, jedermann glauben zu machen, der Einzug des Wettbewerbs im deutschen Arzneimittelmarkt würde den Untergang des Abendlandes bewirken? Was nährt diesen wohltuenden Optimismus? Was sind Ihrer Meinung nach die Key-Learnings für die deutsche Apotheke?

 

 


Oberhänsli:

Mein Optimismus nährt sich aus den Erfahrungen aus der Schweiz – sie existiert weiter, obschon wettbewerbliche Elemente bereits vor einigen Jahren eingeführt wurden. Im Gegenteil: die Erfahrungen sind sehr positiv. Patientinnen und Patienten profitieren von einem vielfältigeren Angebot, das individuell unterschiedlichen Bedürfnissen besser entspricht, und der Allgemeinheit kommen die Kosteneinsparungen zugute. Natürlich gibt es bei einer Liberalisierung immer auch Verlierer. Viele Schweizer Apotheker haben aber die Herausforderung angenommen und nutzen die Chancen, die ihnen der neue Freiraum bietet, beispielsweise indem sie sich zusammenschließen, zusätzliche Leistungen anbieten oder in den Versand einsteigen.

 

 


 

"Die Zeit für die Liberalisierung im deutschen Gesundheitsmarkt ist reif!"

 


 

Walter Oberhänsli, Verwaltungsratspräsident Zur Rose AG und Vorsitzender der Gruppenleitung



 

DAZ: Ich möchte auf eines Ihrer Kerngeschäfte kommen, den Versandhandel. Der Versandhandel im Apothekenmarkt 2007 in der Schweiz wird mit unter 4% angesetzt. Erwarten Sie hier noch erhebliche Steigerungen und wie sind Ihre Prognosen für den deutschen Markt?

 

 


Oberhänsli:

Ich bin überzeugt, dass der Arzneimittelversand sein Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft hat. Schließlich entspricht er dem Bedürfnis der Patienten nach einem bequemen, sicheren, diskreten und kostengünstigen Medikamentenbezug. In Großbritannien liegt der Anteil des Versands bei circa 5%, in den USA sogar bei etwa 20%. Es gibt keinen Grund, weshalb der Versand in der Schweiz und Deutschland nicht weiter steigen und bis etwa 2010 einen Anteil in der Größenordnung von 8% erreichen sollte. Für Deutschland würde dies immerhin eine Vervierfachung des heutigen Marktvolumens bedeuten.

 

 


 

"Der Versandhandel hat sein Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft!"

 


 

Walter Oberhänsli, Verwaltungsratspräsident Zur Rose AG und Vorsitzender der Gruppenleitung



 

DAZ: Wohin zielt die Strategie der Zur Rose AG – weiteres Wachstum in den bekannten Märkten und Geschäftsfeldern oder Expansion in ausländische Märkte und neue Geschäftsfelder?

 

 


Oberhänsli:

Beides – zum einen sehen wir, wie eben erläutert, in den bestehenden Märkten Schweiz und Deutschland vor allem im Versand noch erhebliches Potenzial. Dieses Potenzial werden wir ausschöpfen. Zum andern werden wir unsere Erfahrung nutzen, um mit unseren Geschäftsfeldern in neue geografische Märkte vorzustoßen. Unsere Vision ist es, langfristig ein Gesundheitsunternehmen von europäischer Dimension zu schaffen.

 

 


DAZ:

Vielen Dank für das Gespräch.

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