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Arzneimittel und Therapie
Ist die Cholesterinsenkung doch nicht sinnvoll?
Die kürzlich veröffentlichten Ergebnisse der Enhance-Studie (Enhance = Ezetimibe and simvastatin in hypercholesterolemia enhances athersosclerosis regression) haben die Diskussion, ob die Senkung des Cholesterins im Blut überhaupt sinnvoll ist, wieder einmal in Gang gebracht.
Was ist geschehen?
In der Enhance-Studie wurde bei 720 Patienten mit erblich erhöhtem Cholesterinspiegel, einer sogenannten familiären Hypercholesterinämie, untersucht, ob die zusätzliche Gabe von Ezetimib, die Entstehung bzw. das Fortschreiten einer Arteriosklerose günstig beeinflusst. Ezetimib ist ein Arzneistoff, der durch die Hemmung der Cholesterinaufnahme im Darm den Cholesterinspiegel senkt. Wegen ihrer erblich bedingt hohen Cholesterinspiegel wurden alle Patienten in der Studie mit dem Cholesterinsynthesehemmer Simvastatin behandelt. Eine Hälfte bekam zusätzlich Ezetimib, die andere Hälfte erhielt ein Placebo. Die Arterioskleroseentwicklung wurde mithilfe einer hochauflösenden Ultraschalluntersuchung der Halsschlagadern über einen Zeitraum von zwei Jahren beobachtet.
Niedriger Cholesterinwert
Wie erwartet hatten die Patienten, die zusätzlich zu Simvastatin auch Ezetimib erhielten, mit 141 mg/dl im Mittel einen deutlich niedrigeren Wert für LDL-Cholesterin (schlechtes Cholesterin) als die Patienten, die nur Placebo zusätzlich bekommen hatten und damit bei 193 mg/dl im Mittel lagen.
Keine Auswirkung aufGefäßveränderungen
Unerwartet war, dass die Dickenzunahme der Innenschicht der Halsschlagader, in der sich die Arteriosklerose abspielt, sich nicht zwischen beiden Gruppen unterschied. Am Ende der Studie war diese Schicht in beiden Gruppen im Mittel 0,7 mm dick. Die Zunahme der Dicke über den Zeitraum von zwei Jahren war mit durchschnittlich 6 bzw. 11 tausendstel Millimetern ebenfalls nur minimal aber nicht unterschiedlich zwischen den beiden Gruppen.
Cholesterinhypothesegescheitert?
Dieses Ergebnis legt den Verdacht nahe, dass die weitere Cholesterinsenkung durch Ezetimib nicht hilfreich ist und wurde von manchen Kritikern sogar schon als Beleg für das Scheitern der Cholesterinhypothese angesehen. Ist das so?
Über nunmehr 20 Jahre konnte in zahlreichen Studien gezeigt werden, dass die Senkung erhöhter Cholesterinspiegel und insbesondere eines erhöhten LDL-Cholesterins das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, vermindert. Dabei wurden ganz unterschiedliche Medikamente aber auch chirurgische Eingriffe zur Ausschaltung von Teilen des Dünndarms zur Cholesterinsenkung eingesetzt. Regelmäßig führte die Cholesterinsenkung auch zur Senkung der Herzinfarktrate. Warum hat dieses Prinzip in der Enhance-Studie scheinbar nicht funktioniert?
Die naheliegende Antwort auf diese Frage ergibt sich aus der Auswahl der Patienten in der Studie. Es waren vorwiegend Patienten in mittlerem Alter von etwa 35 bis 55 Jahren. Unbehandelt haben andere Menschen im Alter von 50 Jahren zu einem großen Teil schon den ersten Herzinfarkt hinter sich. Die Studienteilnehmer hatten aber mehrheitlich offenbar ganz normale Halsschlagadern, denn am Ausgangspunkt der Studie war die Innenschicht mit ca. 0,7 mm nicht verdickt. Die wahrscheinlichste Erklärung dafür ist darin zu sehen, dass die Patienten wegen ihrer erblichen Stoffwechselstörung und ihres hohen Risikos seit Jahren mit Cholesterinsynthesehemmern behandelt wurden. Nun kommt aber das eigentliche Problem der Studie, dass das gesamte Kollektiv auch am Ende der Studie noch eine normale Wanddicke aufwies. Ob die minimale Zunahme der Wanddicke innerhalb von zwei Jahren überhaupt etwas mit Arteriosklerose zu tun hat, ist zweifelhaft.
Unzulässige Schlussfolgerung
Man hat also die Situation, dass die Patienten zu Beginn und am Ende der Studie eine normale Wanddicke der Halsschlagader aufwiesen. Daraus den Schluss zu ziehen, dass die weitere Senkung des LDL-Cholesterins durch Ezetimib grundsätzlich sinnlos ist, ist nicht zulässig. Insoweit wurde die Studie auch schon mit dem Versuch verglichen, die Wirksamkeit eines Antibiotikums an Personen ohne bakterielle Infektion nachzuweisen.
Rückschlüsse auf Herzkranzgefäße zulässig?
Ein weiteres Problem liegt darin, dass die Wanddicke der Halsschlagader ein sogenannter Surrogatmarker für die Arteriosklerose ist. Damit wird angenommen, dass Verdickungen der Wand dieses Blutgefäßes repräsentativ für alle Arterien des Körpers und insbesondere für die Herzkranzgefäße sind und dass mit dieser Untersuchung auch das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, besser eingeschätzt werden kann. Es gibt durchaus Hinweise dafür, dass diese Annahme für Patienten mit fortgeschrittener Arteriosklerose richtig ist und die Untersuchung der Halsschlagadern eine einfache, nicht belastende Untersuchung für solche klinischen Studien ist.
Ob diese Annahmen allerdings auch für Patienten ohne Gefäßveränderungen wie in der Enhance-Studie zutreffen, ist nicht klar. Mit anderen Worten, wir wissen nicht genau, ob die fehlende Zunahme der Wanddicke der Halsschlagadern den Schluss zulässt, dass auch die Herzkranzgefäße sich in den zwei Jahren nicht wesentlich verändert haben.
Cholesterinsenkung nicht in Frage stellen!
Insgesamt muss festgestellt werden, dass die Enhance-Studie das erhoffte Ergebnis zweifelsfrei nicht erbracht hat. Die zusätzliche Gabe von Ezetimib hat die Zunahme der Wanddicke der Halsschlagadern nicht aufhalten oder verlangsamen können, obwohl der erwünschte Effekt auf das LDL-Cholesterin erzielt wurde. Allerdings liegt das rückblickend sehr wahrscheinlich daran, dass ein wenig geeignetes Patientenkollektiv mit einer möglicherweise ungeeigneten Methode untersucht wurde. Es wäre fatal, aus dieser Studie mit nicht sehr vielen Patienten und einem vergleichsweise kurzen Beobachtungszeitraum den Schluss zu ziehen, dass das Konzept der Cholesterinsenkung zur Vermeidung von Herzkranzgefäßverengungen und ihren Folgen, das in vielen Studien klar belegt ist, grundsätzlich falsch ist.
Zum WeiterlesenFamiliäre Hypercholesterolämie: Ezetimib ohne Zusatznutzen? |
Quelle
Kastelein, J. J. P.; et al.: Simvastatin with or without Ezetimibe in Familial
Hypercholesterolemia. N. Engl. J. Med. 2008; 358:1431-1443.
Prof. Dr. Karl Lackner, Leiter des Instituts für klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin,
Klinikum der Johannes Gutenberg Universität, Langenbeckstraße 1, 55131 Mainz
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