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Praxis aktuell
Kein Austausch von Matrix- und Reservoirpflastern
Der Austausch wirkstoffgleicher opiathaltiger Schmerzmittel durch den Apotheker – nach erfolgter ärztlicher Verschreibung auf Betäubungsmittelrezept – ist seit dem Inkrafttreten der Rabattverträge nach § 129 SGB V zum 1. April 2008 kontrovers diskutiert worden:
In diesem Zusammenhang wurde insbesondere die Frage gestellt, ob Pflaster mit unterschiedlicher quantitativer Wirkstoffzusammensetzung bei gleicher Freisetzungsrate als bioäquivalent und damit als "aut-idem-fähig" einzustufen sind.
Das Bundesministerium für Gesundheit hat jetzt fachlich wie rechtlich klargestellt, dass der Austausch von opiathaltigen Schmerzmitteln durch Generika entsprechend den rechtlichen Vorgaben der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) grundsätzlich möglich ist:
Ein Austausch BtM-haltiger Pflaster kommt – bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen –aber nur in Betracht, wenn auch die gesamte Wirkstoffmenge ("Beladungsmenge") der Pflastersysteme identisch ist. Insofern kann ein Austausch BtM-haltiger Pflaster nur vorgenommen werden, wenn die Wirkstärken ("Freisetzungsraten") und die Wirkstoffmengen (Beladungsmenge) der Pflaster übereinstimmen.
1. Die Abgabe durch die Apotheke richtet sich nach § 12 BtMVV. Zwar darf der Apotheker erst nach Rücksprache mit dem verschreibenden Arzt das BtM-Rezept ändern oder ergänzen, wenn ein erkennbarer Irrtum des verschreibenden Arztes vorliegt, das Rezept unleserlich oder unvollständig bzw. falsch ausgefüllt ist. Will der Arzt jedoch aut idem ermöglichen und kreuzt deshalb das Aut-idem-Kästchen gewollt nicht an, so liegt kein Irrtum oder sonstiger Zweifelsfall vor. Der Apotheker darf vielmehr in der Regel davon ausgehen, dass der Arzt mit einem Austausch einverstanden ist. Ein zusätzliches Risiko für die BtM-Sicherheit birgt der Austausch eines BtM durch ein in Wirkstärke identisches nicht.
2. Die gesetzlich geforderte lückenlose Dokumentation (§§ 13, 14 BtMVV) wird gewährleistet. Sie dient dazu, den Verbleib der BtM und die Erfüllung der Pflichten aller Teilnehmer am BtM-Verkehr nachzuweisen. Die Dokumentation beim Arzt soll nachweisen, dass er seine Pflichten erfüllt hat, also u. a. dieses BtM an diesen Patienten in dieser Menge (Höchstmengenregelung) verschreiben durfte. Sie soll nicht belegen, dass die Apotheke das verschriebene Mittel abgegeben hat. Die Abgabe wird mithilfe der Teile 1 und 2 des BtM-Rezeptes dokumentiert, auf dem der Apotheker, im Falle von aut idem, das tatsächlich abgegebene BtM vermerkt.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass im Rahmen der "Aut-idem-Regelung" z. B. transdermale Pflastersysteme insbesondere nur dann ausgetauscht werden können, wenn nicht nur
- die pro Zeiteinheit aus dem System freigesetzte Menge (Freisetzungsrate) sondern auch
- die Gesamtmenge an enthaltenem Wirkstoff (deklarierter Wirkstoffgehalt, Beladungsmenge) identisch ist.
Kommentar
Unter Druck
Am 24. April 2008 ließ das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mitteilen, dass für die Austauschbarkeit von Opioid-haltigen Schmerzpflastern allein die Freisetzungsrate und nicht der Wirkstoff-Gesamtgehalt entscheidend ist. Damit wurden mit einem Federstrich Opioidpflaster mit unterschiedlicher Galenik als bioäquivalent eingestuft und für austauschbar erklärt. Mit dieser gewagten Entscheidung zog sich das BfArM massive Kritik insbesondere von Herstellerseite zu. Jetzt hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) fachlich wie rechtlich klar gestellt, dass aut idem nur möglich ist, wenn die wirkstoffgleichen Schmerzpflaster nicht nur die gleiche Freisetzungsrate aufweisen, sondern auch den gleichen Wirkstoff-Gesamtgehalt. Über die Gründe dieser Rolle rückwärts kann man nur spekulieren. Sie ist wohl am ehesten durch einen drohenden Rechtsstreit zu erklären. Möglicherweise standen Regelungen der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung im Weg, die allerdings durch den Gesetzgeber entsprechend geändert werden könnten. Die Entscheidung ist sicher nicht auf dem Boden neuer Bioäquivalenzstudien getroffen worden und basiert schon gar nicht auf der Erkenntnis, dass die Umstellung gut eingestellter chronisch schmerzkranker Patienten potenzielle Einsparungen mehr als zunichte machen kann.
Denn der grundlegenden Forderung, stark wirksame Analgetika zur Behandlung von chronischen Schmerzen aus der Aut-idem-Regelung herauszunehmen, kommt das Bundesministerium für Gesundheit nicht nach. Generell wird an der Aut-idem-Regelung auch für Betäubungsmittel festgehalten. Ein fehlendes Aut-idem-Kreuz wird als Einverständnis des Arztes für einen Austausch durch den Apotheker gewertet. Ein zusätzliches Risiko sieht das BMG durch den Austausch eines in der Wirkstärke identischen Betäubungsmittels nicht und entzieht sich damit jeder weiteren Diskussion um die Austauschbarkeit anderer Arzneiformen wie die der retardierten Opioide. Nach wie vor werden hier unterschiedliche Retardierungsformen in einen Topf geworfen und als austauschbar eingestuft.
Betrachtet man die schnelle Kehrtwendung bei den transdermalen Systemen, dann besteht allerdings berechtigter Anlass zur Hoffnung, dass auch hier noch die eine oder andere fachliche und rechtliche Klarstellung seitens des BMG erfolgen könnte, wenn der Druck nur groß genug wird. Vielleicht reicht aber auch schon die einfache Einsicht, dass bei schwerstkranken, unter Schmerzen leidenden Patienten mit oft nur noch geringer Lebenserwartung mit solchen Regelungen nicht nur nicht gespart, sondern auch noch unnötiges Leiden verursacht wird.
Doris Uhl
Redakteurin der Deutschen Apotheker Zeitung
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