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DAZ aktuell
Auch für ausländische Versandapotheken gelten Festpreise
Nach wie vor steht eine höchstrichterliche Entscheidung zu der Frage aus, ob die niederländischen Versandapotheken mit Zuzahlungserlassen oder Boni für eingereichte Rezepte werben und diese gewähren dürfen. So hatte DocMorris für gesetzlich Versicherte "Sofortboni" in Höhe der halben Zuzahlung im Angebot, privat Versicherte sollten pro rezeptpflichtiges Medikament einen "Treuebonus" von drei Euro erhalten. Auch die Europa Apotheek lockte mit einer ähnlich gestrickten "Geld-Spar-Garantie". Der Fall DocMorris war bereits 2004 vor Gericht gelandet – das LG Münster und das OLG Hamm als zweite Instanz hatten keine Bedenken gegen die Preisnachlässe. Die Revision war bereits vor dem Bundesgerichtshof anhängig – doch kurz vor der mündlichen Verhandlung nahm sie der klagende Apotheker aus dem Münsterland zurück und das Urteil wurde rechtskräftig.
Starker Gegenwind für das OLG Hamm
Nun stehen eine Reihe weiterer Urteile zur Verfügung, die eine höchstrichterliche Klärung herbeiführen können. Im letzten Jahr hatten bereits das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt und das LG Berlin sowie 2006 das LG Hamburg gegen die Arzneimittelversender aus Holland entschieden. Hier reihen sich nun die drei aktuellen Urteile des LG München ein. Auch diese jüngsten Urteile, deren Entscheidungsgründe teilweise unterschiedliche Fokusse setzen, haben einen gemeinsamen roten Faden. Sie alle kommen zu dem Ergebnis, dass in den vorliegenden Fällen unproblematisch deutsches Recht anwendbar ist (und dies auch nicht durch eine vertragliche Vereinbarung, dass niederländisches Recht gelte, umgangen werden kann) und die Gutschein- und Bonigewährung ein unzulässiges Abgehen von den gesetzlich vorgeschriebenen Festpreisen für verschreibungspflichtige Arzneimittel bedeutet. Dieser Wettbewerbsverstoß begründe einen Unterlassungsanspruch gemäß § 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 78 Abs. 2 S. 2 AMG und der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV). Zugleich erkannten die Richter auch die von den klagenden deutschen Apotheken begehrten Ansprüche auf Zahlung eines Schadensersatzes an.
Alles spricht für die Anwendbarkeit der AMPreisV
Für keine der Handelskammern ist es ein Problem, die Anwendbarkeit der AMPreisV aus der Verweisungskette § 73 Abs. 1 Nr. 1 a AMG i.V. mit § 11 a ApoG herzuleiten. Die erstgenannte Norm ordnet für den Versand von Arzneimitteln an Endverbraucher durch eine versandberechtigte ausländische Apotheke an, dass der Versand entsprechend den deutschen Vorschriften zum Versandhandel oder zum elektronischen Handel erfolgt. Hierzu zählt auch die genannte Vorschrift aus dem Apothekengesetz, wonach der Versand aus einer Apotheke "zusätzlich zu dem üblichen Apothekenbetrieb und nach den dafür geltenden Vorschriften erfolgen" muss, "soweit für den Versandhandel keine gesonderten Vorschriften bestehen". Zu diesen Regelungen zum üblichen Betrieb gehören nach Auffassung der Richter gerade auch die Festpreise der AMPreisV. Und diese sehen sie durch die angekündigten und gewährten Preisnachlässe zweifelsfrei umgangen. Die Argumentation des OLG Hamm, § 11 a ApoG sage nichts zu Preisen, sondern wolle nur den spezifischen Besonderheiten des Versendens Rechnung tragen, überzeugt die Richter der drei Handelskammer nicht – sie halten den Wortlaut der Norm für eindeutig. Genauso wenig könnten sie den "Indizien" folgen, die das OLG Hamm dafür anführt, dass der Gesetzgeber es klar kodifiziert hätte, wenn er die AMPreisV auch für ausländische Versandapotheke hätte gelten lassen wollen. Aus Sicht der Münchener Richter ist die Kodifizierung ausreichend klar. Überdies spricht für sie der Sinn und Zweck der AMPreisV (Schutz der flächendeckenden Arzneimittelversorgung) sowie die Entstehungsgeschichte der Freigabe des Arzneimittelversandhandels dafür, das Festpreissystem auch auf ausländische Versandapotheken anzuwenden. So betont etwa die 1. Handelskammer, dass der Gesetzgeber bei der Einführung des Versandes ausweislich der Gesetzesbegründung faire Wettbewerbsbedingungen für öffentliche Apotheken und Versandapotheken schaffen wollte. "Die Nichtgeltung der AMPreisV für ausländische Apotheken würde dieses gesetzgeberische Ziel geradezu konterkarieren", heißt es in ihrem Urteil. Es könne nicht unterstellt werden, dass der Gesetzgeber sehenden Auges eine Inländerdiskriminierung in Kauf nehmen wollte.
Kein Verstoß gegen Europarecht
Keine der Kammern sieht zudem einen Verstoß gegen europäisches Recht gegeben. Dabei kann es nach ihrer Auffassung dahin stehen, ob das Verbot von mengenmäßigen Beschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten (Art. 28 EG) tangiert ist (was bereits bezweifelt werden kann), da eine solche Beschränkung jedenfalls nach Art. 30 EG zum Schutz der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt wäre. Europarechtlich ist anerkannt, dass dem Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative eingeräumt ist hinsichtlich der Frage, auf welche Weise er den Gesundheitsschutz seiner Bevölkerung sicherstellen will. Dies kann auch durch die Festsetzung verbindlicher Arzneimittelpreise geschehen, wenn damit verhindert werden soll, dass ein ruinöser Preiswettbewerb zwischen Apotheken stattfindet, der dazu führen kann, dass die flächendeckende Arzneimittelversorgung – gerade in ländlichen Gebieten – gefährdet wird. Genau diese Gefahr bestünde jedoch, wenn ausländische Apotheken dem für inländische Apotheken verbindlichen Festpreissystem nicht unterliegen und deshalb günstigere Preise bieten können. In allen drei Urteilen wird betont, dass es nicht notwendig ist, dass bereits ein Schaden – etwa ein Apothekensterben – eingetreten ist. Ein wirksamer Schutz der öffentlichen Gesundheit erfordere vielmehr gerade präventive Maßnahmen und sei im Übrigen auch verhältnismäßig. Keine der Handelskammern hält es daher für erforderlich, den Rechtsstreit wegen der Frage eines möglichen Verstoßes gegen Art. 28 EG zur Vorabentscheidung vorzulegen, wie es die beklagten Versandapotheken beantragt hatten. Auch eine Verjährung oder Verwirkung der Ansprüche sehen die Richter nicht gegeben.
Warten auf eine Entscheidung des BGH
Nun bleibt abzuwarten, wie die Verfahren in nächster Instanz entschieden werden und wann einer der zahlreicher werdenden Fälle vor dem Bundesgerichtshof landet. Fest steht aber: Bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung ist es DocMorris und der Europa Apotheek auf jeden Fall unter Androhung von Ordnungsgeld oder Ordnungshaft verboten, über ihre beanstandeten Bonussysteme deutsche Kunden zu locken.
Entscheidung im Wortlaut bei DAZ.online:Die hier genannten Urteile können Sie neben anderen apotheken- und arzneimittelrechtlichen Entscheidungen im Wortlaut abrufen bei DAZonline www.deutsche-apotheker-zeitung.de Rubrik: Recht/Urteile
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