Praxis aktuell

Verblisterung – eine erfolgreiche Nische?

FRANKFURT (ks). Derzeit leben in Deutschland rund 750.000 Menschen in 11.000 Heimen. Angesichts der demografischen Entwicklung wird geschätzt, dass es im Jahr 2020 bereits rund 3 Millionen Pflegebedürftige geben wird. So verwundert es nicht, wenn sich Apotheker überlegen, ob das Neuverblistern von Medikamenten für Heimbewohner ein erfolgversprechendes Nischenangebot sein könnte. Ob sich diese Dienstleistung tatsächlich lohnt, sollte allerdings genau geprüft werden. Was alles zu bedenken ist, erläuterte die Apothekerin Dr. Jutta Degenhardt beim Kongress "Zukunftsmarkt Apotheke", den die Steuerberatungsgesellschaft Treuhand Hannover am 20. und 21. Juni in Frankfurt veranstaltet hat.

Das Neuverpacken zuvor ärztlich verordneter Arzneimittel für Einzelpatienten in Wochenblister verspricht die Compliance zu erhöhen und Einnahmefehler zu vermeiden. Insbesondere Heime reizt es zudem, dass der Pflegeaufwand geringer wird und damit Kosten gespart werden können. Argumentiert wird weiterhin, dass mithilfe von individuellen Blistern Klinikeinwei-

sungen und Arzneimittelmüll vermieden werden können. Ob diese Ziele tatsächlich erfüllt werden können, ist laut Degenhardt teilweise zweifelhaft. So heißt es etwa im Gutachten von Professor Eberhard Wille zur "Neuverblisterung von Arzneimitteln" aus dem Jahr 2006, dass lediglich bei zehn bis maximal 16 Prozent der Patienten durch Wochenblister eine verbesserte Compliance erreicht werden kann. Da es praktisch kaum möglich ist, diese Patienten herauszufiltern, ist eine umfassende (Über-)Versorgung nötig. Dennoch: Politik, Kassen und Heime stellen sich hinter die Verblisterung – und so kann es für Apotheker interessant sein, das Serviceangebot aufzunehmen. Ein solcher Einstieg sollte allerdings reiflich überdacht sein.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Zunächst bestehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten tätig zu werden: So können zum einen "eigene" Heime, mit denen die Apotheke einen Versorgungsauftrag abgeschlossen hat, mit Blistern versorgt werden (§ 12a Apothekengesetz). In diesem Fall erfolgt das Verblistern im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebes und bedarf keiner Erlaubnis (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 Arzneimittelgesetz – AMG). Zum anderen können Apotheken auch im Auftrag für andere Apotheken, die Heime versorgen, verblistern. Hierfür bedarf es nach § 13 AMG Abs. 1 einer Erlaubnis. Zudem muss gemäß § 15 AMG ein Herstellungsleiter bestellt – und vor allem auch bezahlt – werden. Noch ist nicht eindeutig geklärt, ob die Qualitätsanforderungen für beide Verfahren gleich sind. Degenhardt betonte, dass dies eigentlich so sein müsste, doch die Aufsichtsbehörden hätten hier offenbar noch unterschiedliche Auffassungen. Zu bedenken ist weiterhin, dass es wettbewerbs- und berufsrechtlich nicht zulässig ist, die Dienstleistung kostenlos zu erbringen; mindestens ein Euro sollte pro Blister verlangt werden.

Technische Rahmenbedingungen

Neben diesen rechtlichen sind die technischen Rahmenbedingungen zu beachten. Wer maschinell neuverblistern will, muss bedenken, dass die hierzu erforderliche Maschine ein schweres Gerät ist, das Starkstrom und gewisser räumlicher Voraussetzungen – z. B. auch einer besonderen Statik – bedarf. Neuverblistert werden dürfen nur Fertigarzneimittel, Bulkware ist tabu. Vom Entblistern dieser Arzneien bis zur Endkontrolle ist eine aufwändige Prozessbeschreibung und Validierung nötig. Zu kontrollieren ist auch die Reichweite der jeweiligen Wochenblister. Gehen sie ihrem Ende zu, muss die Apotheke neue Rezepte anfordern – dies funktioniert nur, wenn zuvor bereits Vertrauen aufgebaut wurde, so Degenhardt. Nicht unter den Tisch zu kehren ist, dass Rabattverträge das Verblistern nicht vereinfachen und die Abrechnung von Blisterrezepten anders (Ausnahme von der Arzneimittelpreisverordnung) und getrennt von sonstigen Rezepten erfolgen muss.

Manuelle Verblisterung lohnt kaum

Vergegenwärtigen sollte man sich auf jeden Fall die Kostenseite der Verblisterung. Hierzu stellte Degenhardt einige Beispielsrechnungen vor. In diesen geht sie davon aus, dass ein durchschnittlicher Heimpatient jährlich 25 bis 30 verschreibungspflichtige Arzneimittelpackungen zu einem Apothekenverkaufspreis von 50 Euro verordnet bekommt. Dies kann einer Apotheke im Schnitt einen wöchentlichen Rohgewinn von vier bis fünf Euro pro Patient einbringen. Dem stehen nicht zu vernachlässigende Material- und Betriebskosten gegenüber. An die Anschaffung eines Blisterautomaten sollte man erst denken, wenn man wirklich Großes vorhat: Mit einer Investition von 90.000 bis 150.000 Euro kann man Wochenblister für bis zu 900 Patienten in der Woche erstellen. Aber selbst wer nur kleinere Heime beliefert und von Hand verblistert, muss Kosten für sein Personal, Materialien und Fahrten zum Heim einplanen. In Degenhardts erstem Beispiel wird für 100 Heimbewohner von Hand verblistert. Für jeden Blister ist 1 Euro Honorar und ein Einkaufvorteil von drei Prozent vorgesehen. Doch rechnet man die genannten laufenden Kosten mit ein, ergibt sich letztlich in etwa ein Nullsummenspiel: die Einnahmen liegen bei rund 26.000, die Kosten bei rund 26.700 Euro. Wer Personal hat, das ohnehin nicht ausgelastet ist, bei dem kann die Situation etwas günstiger aussehen – doch aus Sicht der Treuhand-Expertin ist das manuelle Verblistern unterm Strich "kaum rentabel".

Rentablere Varianten

Etwas anders sieht es in einer weiteren Beispielsrechnung aus: Hier werden 400 Heimpatienten versorgt und zwar mithilfe eines Blisterautomaten (Kaufpreis 100.000 Euro, über 5 Jahre zu finanzieren und abzuschreiben). Auch hier sind Einkaufsvorteile und ein Honorar von einem Euro je Blister berücksichtigt. Der Zeitbedarf wird auf fünf Minuten pro Patient festgesetzt – damit ist eine Pharmazeutenstelle allein für die Verblisterung nötig. Bei Degenhardt stehen in dieser Rechnung letztlich Einnahmen von gut 102.200 Euro Ausgaben in Höhe von knapp 83.000 Euro gegenüber – "das kann sich lohnen", so die Apothekerin. Eine weitere – möglicherweise gewinnbringende – Variante ist das externe Verblistern im Lohnauftrag. Hier wird die Apotheke als reiner Dienstleister tätig: Sie pflegt als Versorgungsapotheke die Medikations- und Patientendaten, betreut das Heim, erstellt die Reichweitenlisten und erledigt gegebenenfalls die Rezeptbesorgung. Sie versendet die nötigen Daten an ein Blisterzentrum, das die Blister herstellt und der Apotheke liefert. Die Apotheke zahlt dem Blisterzentrum sowohl ein Honorar als auch den Preis für die verblisterten Arzneimittel. Hier rechnet die Treuhand-Expertin wieder mit 100 zu versorgenden Patienten. Die Einnahmen bleiben – wie im Beispiel der manuellen Verblisterung – bei rund 26.000 Euro, die laufenden Kosten sinken jedoch auf unter 20.000 Euro, da das Dienstleistungshonorar für das Blisterzentrum geringer ausfällt als die Kosten für das Verbrauchsmaterial und das eigene Personal bei der Verblisterung per Hand.

Das A&O für den Erfolg

Degenhardts Fazit: Die Verblisterung ist angesichts der demografischen Entwicklung und dem Wunsch vieler Heime nach einem einfacheren Medikationsmanagement sicherlich ein Wachstumsmarkt. Allerdings überschätzen einige Heime ihre Ertragskraft für die Apotheken. Entscheidend für den Erfolg – mithin die Rentabilität der maschinellen Variante – ist aus Sicht der Treuhand, dass eine hohe Patientenzahl von mindestens 400 gegeben ist und eine gewisse Planungssicherheit hinsichtlich der Verträge besteht. Ebenso wichtig sei, an dieser Versorgungsform Spaß zu haben, betonte Degenhardt. Zudem sollten Honorare mit Kassen und Heimen (möglichst mehr als 1 Euro pro Blister) sowie Einkaufsvorteile ausgehandelt werden. Auf jeden Fall rät die Treuhand-Expertin, sich vor der Investition in einen Blisterautomaten bei einem verblisternden Kollegen den Ablauf dieser Versorgungsform vor Ort anzusehen und eine solide Kalkulation anstellen zu lassen.


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