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Wissenswert
Heilen mit dem vierten Aggregatzustand
Neben fest, flüssig und gasförmig stellt das Plasma (griechisch: "das Formbare") den vierten Aggregatzustand dar. Im Plasmazustand befinden sich über 99% der für den Menschen sichtbaren Materie des Weltraums, beispielsweise die Sonne, die Fixsterne und das Nordlicht. Im Alltag begegnet uns Plasma in Energiesparlampen und bestimmten Flachbildschirmen ("Plasma-Fernseher").
Kalt oder heiß
Ein Gas verwandelt sich in ein Plasma, wenn es durch Energiezufuhr stark ionisiert wird; dabei entstehen außer Ionen auch freie Elektronen, angeregte Moleküle und Atome. Letztere sind für die Lichtemission von Plasma verantwortlich, während Ionen und Elektronen seine elektrische Leitfähigkeit bewirken.
Sehr variabel sind die Temperaturen von Plasma. Während das Plasma im Kern der Sonne mehrere Millionen Grad heiß ist, können Leuchtstoffröhren problemlos berührt werden, denn ihre Temperatur liegt bei 28 bis 29 °C – also im Bereich von gesunder, nicht abgedeckter Haut.
Plasma – klassischDie alten Griechen unterschieden vier Elemente, die man als Aggregatzustände ansehen kann: Erde (fest), Wasser (flüssig), Luft (gasförmig) und Feuer (Plasma). |
Plasma in der Medizin
Die Anwendungsmöglichkeiten von Plasma sind sehr vielfältig – auch ein Einsatz in der Medizin erscheint zukunftsträchtig. Vergleichbar mit der Entwicklung der Lasermedizin vor einigen Jahren könnte sich die Plasmamedizin zu einem neuen Fachgebiet entwickeln.
Bereits jetzt gibt es Geräte und Technologien, die Plasma zur Dekontamination von chirurgischen Instrumenten, zur Entfernung von entarteten Zellen oder zur Beschichtung von Implantaten einsetzen. Beispielsweise wurden Geräte entwickelt, die nach dem Prinzip der "Argon Plasma Coagulation" (APC) arbeiten und zur Zerstörung von Gewebe (Tumorzellen) oder zur Aktivierung der Blutgerinnung bei Läsionen dienen. Diese Anwendungen von Plasma sind unter anderem deshalb so vorteilhaft, da es in kleinste Spalten eindringt und auch an sonst schwer erreichbare Stellen gelangt.
Viele weitere Einsatzgebiete
Die Einsatzmöglichkeiten kalter physikalischer Plasmen scheinen jedoch noch weitaus vielfältiger zu sein. Sie eignen sich zum Beispiel
zur antimikrobiellen Behandlung hitze- und feuchtigkeitsempfindlicher Arzneimittel und Medizinprodukte,
zur Dekontamination von Verpackungsmaterial in der pharmazeutischen Industrie,
zur Behandlung von infizierten Wunden.
Die Behandlung infizierter Wunden ist nicht nur ein medizinisches, sondern auch ein volkswirtschaftliches Problem. Denn mit einer Häufigkeit von 3,5 Prozent in Europa und Nordamerika gehören Infektionen zu den wichtigsten Komplikationen offener Verletzungen. Etwa 5 Prozent aller stationär behandelten Patienten in Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen leiden unter schlecht heilenden Wunden. Mit den herkömmlichen Methoden lassen sich nicht immer zufriedenstellende Behandlungserfolge erzielen, und durch den demografischen Wandel ist mit einer Verschärfung dieses Problems zu rechnen. Grund genug, nach neuen Konzepten und Strategien für die Wundbehandlung zu suchen. Erste Versuche zeigen, dass Plasma hier einen Einsatz finden könnte, da es nicht nur kranke Zellen abtöten, sondern auch gesunde Körperzellen stimulieren kann.
Plasma hilft heilen
Heilen mit Plasma – dieser futuristisch anmutende Therapieansatz ist durchaus nicht unrealistisch, wie zahlreiche internationale Forschungsergebnisse zeigen. Es erscheint möglich, kalte physikalische Plasmen als "Universal-Werkzeuge" einzusetzen – sowohl zur Vernichtung von pathogenen Mikroorganismen als auch zur Aktivierung physiologischer Vorgänge in gesunden Zellen. Die größte Herausforderung sehen die Wissenschaftler gegenwärtig darin, die grundlegenden Mechanismen der Interaktion von Plasma mit eukaryontischen Zellen zu verstehen.
Neues Forschungszentrum in Greifswald
Auch deutsche Wissenschaftler forschen auf dem vielversprechenden Gebiet der Plasmamedizin. In der Hansestadt Greifswald untersuchen die Professoren Ulrike Lindequist (Institut für Pharmazie), Axel Kramer (Institut für Hygiene und Umweltmedizin) und Klaus-Dieter Weltmann (Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie, INP) die Wechselwirkungen physikalischer Plasmen mit in vitro kultivierten eukaryontischen Zellen, wobei sie einen speziellen Fokus auf Geweberegeneration und Wundheilung legen. Unter ihrer Leitung ist die Errichtung des Grundlagen-Forschungszentrums "plasmatis" geplant. "Wir wollen nicht nur die Phänomene beobachten, sondern den Prozess auf molekularer und biochemischer Ebene verstehen, um die entsprechenden therapeutischen Ansätze ableiten zu können", erläutert PD Dr. Thomas von Woedtke, Projektleiter am INP.
Derzeit setzen sich international zwar einige wenige Forschungseinrichtungen und Firmen mit Themen der Plasmamedizin auseinander. Es gibt jedoch noch kein Forschungszentrum, das sich speziell dieser Thematik widmet. Daher wäre "plasmatis" nicht nur dem Wissenschaftsstandort Deutschland, sondern allen international auf diesem Gebiet Forschenden von Nutzen.
Innovationsoffensive für die neuen BundesländerDas Potenzial von Plasmen für Anwendungen in der Medizin soll an einem Zentrum für Innovationskompetenz (ZIK) in Greifswald mit dem Namen „plasmatis“ erforscht werden. Beteiligt sind drei Institute: das Leibniz- Institut für Plasmaforschung und Technologie e.V. sowie das Institut für Hygiene und Umweltmedizin und das Institut für Pharmazie der Ernst- Moritz- Arndt-Universität. Der Fokus ist dabei auf den Bereich Geweberegeneration und Wundheilung gerichtet. Bis Ende Februar 2008 haben zwölf ZIK-Initiativen in den neuen Bundesländern (davon zwei in Greifswald) Zeit, ihre Forschungskonzepte vorzustellen. Die Entscheidung über die Vergabe der Fördergelder des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) wird Ende April 2008 bekannt gegeben. Info: www.plasmatis.de Die Initiatoren des geplanten Plasma-Grundlagenforschungszentrums in Greifswald waren: Prof. Dr. Axel Kramer, Institut für Hygiene und Umweltmedizin, Prof. Dr. Ulrike Lindequist, Institut für Pharmazie, beide Ernst-Moritz-Arndt-Universität, und Prof. Dr. Klaus-Dieter Weltmann, Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie. |
Pilotprojekt
Eine kleine Forschergruppe des INP hat im Herbst 2007 unter dem Namen "Plasmasept" mit ersten In-vitro-Versuchen begonnen und im Forscherwettbewerb "venturesail 2007" einen Sieg errungen. Die Forscher infizieren kultivierte Zellen der humanen Keratozyten-Zelllinie HaCaT mit Mikroorganismen und setzen sie dann einem Plasma aus. Ziel dieser Testreihen ist es, die Mikroorganismen zu zerstören, dabei aber die menschlichen Zellen intakt zu lassen, erklärt Apotheker Dr. Kristian Wende vom Institut für Pharmazie der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald.
Dr. Claudia Bruhn
Quelle:
"1st International Workshop on Plasma-Tissue Interactions", Greifswald, 1. – 2. Oktober 2007.
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