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- DAZ 33/2008
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Arzneimittel und Therapie
Antibiotikabehandlung meist nicht gerechtfertigt
Eine Infektion der oberen Atemwege ist in den USA der dritthäufigste Grund für einen Arztbesuch. Rund ein Drittel der Infektionen wird als eine akute Rhinosinusitis diagnostiziert und in 80% aller Fälle antibiotisch behandelt. Das therapeutische Vorgehen ist in Europa vergleichbar, und zwischen 72 und 92% der Patienten verlassen die Praxis mit einer Antibiotikaverordnung. Die Kritik an diesem Vorgehen ist nicht neu, und Nutzen beziehungsweise Schaden einer antibiotischen Therapie bei einer überwiegend viral verursachten Erkrankung werden schon lange diskutiert. Ein Grund für den häufigen und nicht immer indizierten Einsatz von Antibiotika beruht auf der im Praxisalltag schwierigen Unterscheidung zwischen einer viral oder bakteriell verursachten Erkrankung. Es gibt zwar Richtlinien, die eine nicht antibiotische Therapie während der ersten sieben bis zehn Tage empfehlen, um erst dann im Bedarfsfall eine antibiotische Therapie einzuleiten. Diese Empfehlung beruht aber mehr auf empirischem Wissen als auf der Evidenz randomisierter Studien. Daher wird nach einfachen Parametern gesucht, die auf eine bakterielle Infektion hinweisen und eine sofortige antibiotische Therapie gerechtfertigen. Ob es solche prognostischen Kriterien gibt und wie eine akute Rhinosinusitis sinnvoll therapiert wird, wurde in einer großen Meta-Analyse untersucht.
Geringer Nutzen einer Antibiotikagabe
Eine Datenbankrecherche führte zu neun Studien, in denen bei Vorliegen Rhinosinusitis-ähnlicher Symptome eine Antibiotikatherapie und eine Placebobehandlung miteinander verglichen worden waren. Insgesamt konnten die Daten von 2547 Erwachsenen in einer Metaanalyse erneut ausgewertet werden. Schwerpunkte der Analyse waren die Effekte einer antibiotischen Behandlung (ermittelt durch die Number needed to treat; NNT) und die prognostische Aussagekraft bestimmter Krankheitssymptome.
Dabei zeigte sich, dass 15 Patienten mit einer Rhinosinusitis einer antibiotischen Behandlung bedürfen, damit ein weiterer Patient geheilt wurde (NNT = 15). Bei Patienten mit schleimartigen Absonderungen reduzierte sich die NNT auf 8. Ältere Patienten, die unter länger andauernden oder ernsthafteren Symptomen litten, benötigten zwar mehr Zeit zur Heilung, zogen aber keinen größeren Nutzen aus der antibiotischen Therapie als jüngere Patienten.
Was sagen die deutschen Leitlinien?In den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde finden sich ähnliche Therapieempfehlungen. Auch in ihnen wird betont, dass die überwiegende Mehrzahl akuter Rhinosinusiten viral bedingt und eine Antibiotikatherapie somit nicht indiziert ist. Auch bei einer akuten bakteriellen Rhinosinusitis ist der Einsatz von Antibiotika nur in bestimmten Fällen angezeigt (bei starken Beschwerden, drohenden Komplikationen, bei Patienten mit chronisch entzündlichen Lungenerkrankungen, bei einer Immunsuppression oder beim Vorliegen bestimmter Risikofaktoren). Muss ein Antibiotikum gegeben werden, ist Amoxicillin das Mittel der ersten Wahl. Bei einer chronischen Rhinosinusitis kann eine längerfristige antibiotische Therapie in Kombination mit Steroiden als Alternative zu einer chirurgischen Therapie erwogen werden. Der Einsatz von Sekretolytika wird von den Leitlinien nicht empfohlen. Bei einer akuten, nicht eitrigen Rhinosinusitis ist den Leitlinien zufolge eine symptomlindernde Wirkung von Myrtol, Cineol, Bromelain und Primelextrakten denkbar. Bei einer chronischen Rhinosinusitis können salinische Nasenspülungen oder Nasensprays mit hypertonen gepufferten Salzlösungen die Beschwerden lindern. Dies gilt auch für die Inhalation warmer Dämpfe. Der Zusatz ätherischer Öle bei der Inhalation zeigt keine objektiv nachweisbaren klinischen Effekte. Bei einer akuten Rhinosinusitis sind isotone oder hypertone salinische Nasensprays nicht hilfreich. [Quelle: AWMF online – Leitlinie HNO: Rhinosinusitis; S2-Leitlinie Stand 05/2007]
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Die Autoren schließen aus diesem Ergebnis, dass eine antibiotische Therapie bei Erwachsenen – Kinder, Patienten mit schweren Infektionen und immunsupprimierte Patienten wurden in der Analyse nicht erfasst – wenig sinnvoll ist, zumal diejenigen Patienten, die von einer Antibiose profitieren würden, im Vorfeld nicht erfasst werden können. Dem Nutzen einer Antibiotikatherapie für einige wenige Patienten stehen Kosten und die Gefahr einer Resistenzentwicklung gegenüber. Die Autoren sind der Ansicht, eine Antibiotikagabe sei auch dann nicht gerechtfertigt, wenn die Symptome länger als sieben bis zehn Tage anhalten. Dieser Meinung schließt sich auch ein Kommentator der Studie an. Er merkt allerdings an, dass die ausgewerteten Daten aus Allgemeinarztpraxen stammen und schwere Krankheitsverläufe in der Metaanalyse nicht berücksichtigt wurden. Es kann also durchaus Fälle geben, in denen eine Sanierung der Nebenhöhlen nur antibiotisch möglich ist.
Quelle
Young, J.; et al.: Antibiotics for adults with clinically diagnosed acute rhinosinusitis: a meta-analysis of individual patient data. Lancet 371, 908-9014 (2008).
Lindbaek, M.: et al.: Antibiotics for sinusitis-like symptoms in primary care. Lancet 371, 874-876 (2008).
Apothekerin Dr. Petra Jungmayr
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