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Feuilleton
Medizinische Versorgung auf Hallig Hooge
Im Gegensatz zu einer Insel, wie Amrum, Föhr oder Sylt, kann eine Hallig von der Nordsee komplett überspült werden. Die Häuser, manchmal nur ein Hof, manchmal auch mehr als zehn Gebäude, der Halligen stehen auf Warften, das sind kleine Hügel, die auch bei "Landunter" (einheimische Bezeichnung für Sturmflut) ausreichend Sicherheit für ihre Bewohner bieten. Diese Warften wurden etwa einen halben Meter höher als der höchste zu erwartende Sturmflutwasserstand in 100 Jahren angelegt. Gelegentlich wird aufgewarftet, also erhöht, im Regelfall aber nur am Rand, sodass die Warft einen kleinen Deich erhält.
Auf der 5,6 km2 großen Hallig Hooge gibt es neun solcher Warften. Neben dem Kaufmann, einer Schule mit derzeit vier Schulkindern und einem Lehrer, einer Kirche mit Pfarrer, zwei Bauernhöfen, der Gemeindeverwaltung, einer Bank können Touristen dort auch zwei Museen sowie das Wattenmeerhaus (Naturschutzzentrum), einige Cafes und Restaurants sowie regelmäßige Aufführungen der Laien-Theatergruppe auf Plattdeutsch besuchen.
Zweimal täglich Sprechstunde
Auf der Hanswarft ist im "Uns Hallig Hus" eine Gemeindepflegestation eingerichtet. Der Krankenpfleger vom Dienst, rund um die Uhr und 365 Tage im Jahr, ist Rolf Meyer. In seinem "Sprechzimmer" neben der Gemeindeverwaltung und dem Touristikbüro ist er montags bis freitags von 9.30 bis 10.30 Uhr und von montags bis donnerstags auch nachmittags von 16.30 bis 17.30 Uhr anzutreffen. Ansonsten ist er jederzeit telefonisch erreichbar und kommt auf Hausbesuch. Meyer, geboren im hessischen Bad Karlshafen, hat es mit seiner Frau vor rund zehn Jahren auf die Hallig verschlagen. Angestellt ist er bei der Diakonie, wobei die Krankenpflegestation finanziell überwiegend durch die Gemeinde und das Land Schleswig-Holstein unterstützt wird. Und geht Herr Meyer einmal selbst in Urlaub, sorgt die Diakonie für seine Vertretung.
Im "Sprechzimmer" befindet sich neben dem Schreibtisch und zwei Stühlen, eine Liege, ein paar Verbandstoffe, ein Blutdruckmessgerät und ein paar Kleinigkeiten, die für die Krankenpflege notwendig sind. Die Einheimischen, erzählt Meyer, machen bei ihm normalerweise individuelle Termine aus: "Wann bist du mal in der Nähe? Dann kiek doch mal vorbei!" In den Fällen, wo er akut gefragt ist, handelt es sich um kleinere Verletzungen, einen umgeknickten Fuß eines Touristen zum Beispiel – Probleme, die er ohne weitere Unterstützung durch das Festland gut vor Ort lösen kann. Durchschnittlich sechs- bis siebenmal täglich wird er angefragt oder angerufen.
Transport ins Krankenhaus
Bei schweren gesundheitlichen Problemen oder einem Beinbruch kümmert Meyer sich um den Patienten und organisiert den Transport mit Fähre oder Schiff zum Festland und dann weiter mit Krankenwagen nach Husum oder Niebüll. "Aber es wird auch schon mal der Rettungshubschrauber bestellt. Meine Aufgabe ist es dann, den Patienten bis zur Übergabe an einen Arzt auf dem Festland zu betreuen und, soweit mir möglich, zu versorgen", fasst Meyer seinen Auftrag zusammen.
Die beiden Krankenhäuser in Husum und Niebüll sind für den Hallig-Krankenpfleger jederzeit Ansprechpartner, wenn ein Bewohner oder Besucher akut größere gesundheitliche Probleme hat. In Kürze wird ihm dafür auch ein ärztlicher Notfallkoffer zur Verfügung stehen. Einen Defibrillator gibt es schon länger auf der Hallig. Auch mit den Hausärzten derjenigen, die er regelmäßig besucht, um zum Beispiel den Blutzuckerspiegel oder den Blutdruck zu messen, steht er im Austausch. Der Kontakt zu den Menschen hier ist intensiv: "Ich habe Zeit, mich um die Menschen zu kümmern, wirklich, da dauert das Blutzuckermessen schon mal eine Stunde, bis dann die Neuigkeiten ausgetauscht sind und die Kanne Tee geleert ist!" Ansonsten unterscheiden sich die Menschen auf der Hallig nicht von denen des Festlands: "Es gibt die gleichen gesundheitlichen Probleme von Diabetes über Rheuma und Infektionskrankheiten bis zur Sucht."
Hooge im 18. JahrhundertIm Jahr 1794 berichtete der Hooger Chronist E. C. Kruse in seinem Aufsatz für die Schleswig-Holsteinischen Provinzialberichte "Beschreibung der Insel Hoge" über einige interessante Beobachtungen zur Gesundheitsversorgung: "Seit dem Jahre 1757 wird das Übergewicht der Mortalität mit einmal sehr merklich. […] Aber ein Hauptgrund in der starken Mortalität liegt gewis in dem ungeheuren Theetrinken. Dieses Getränk hat hier das Bier völlig verdrängt und wird im Durchschnitt 3,4 bis 5 Mal, und kommen Fremde dazu, wohl noch ein paar Mal mehr, täglich in großer Quantität zu sich genommen. Dadurch muss es natürlich den Körper erschlaffen, das Zeugungsvermögen schwächen, die Gesundheit allmählig aufreiben. – Dazu kömt der äußerst nachtheilige Umstand, daß hier kein Arzt ist. Erkrankt jemand und sucht einen Arzt, so mus dieser mit großer Mühe entweder von Föhr oder Pellworm geholet werden. Allein gewöhnlich braucht ein Kranker entweder gar nichts – und dabei fährt er, wenn er doch keinen Arzt haben kann oder haben will, noch am besten; – oder er nimt Medicin, die er von einem marktschreierischen Aufsazkerl (Tabuletkrämer) kaufte, die dann freilich wohl einmal zufällig hilft, aber gewis öfterer als Gift wirkt. Es ist traurig, daß diese Leute, aller Verbothe ungeachtet, noch immer so ungeahndet der Gesundheit und dem Leben des Landmannes gefährlich werden dürfen." "Kaum sollte man es glauben, die Einwohner der Westinseln sind selbst mit dem Opium nicht unbekannt, und geben es vorzüglich den kleinen Kindern, wenn diese unruhig sind und nicht schlafen können. Wodurch sie mit diesem gefährlichen Mittel bekannt geworden? Durch die Dienstfertigkeit der Tabuletkrämer." |
Arzneimittel per Post oder Kurier
Eine Rezeptsammelstelle existiert auf Hallig Hooge nicht. Meyer erzählt: "Die Leute hier haben ihren Arzt ohnehin auf dem Festland in Bredstedt oder auf der Nachbarinsel Amrum. Wenn sie dann beim Arzt waren, holen sie sich dort auch ihre Arzneimittel. Kommen sie zwischendurch nicht aufs Festland, rufen sie ausnahmsweise bei ihrem Arzt an und bestellen dort ein neues Rezept, das dieser dann an die jeweils gewünschte Apotheke weiterleitet. Von dort aus kommt die Ware dann per Post oder Buskurier auf die Hallig. Der Buskurier ermöglicht eine Zustellung von Arzneimitteln innerhalb eines Tages. Mit der Post kann es schon mal drei, vier Tage dauern."
Seitdem Meyer auf der Hallig lebt, war es bei "Landunter" noch niemals notwendig, Hilfe vom Festland zu organisieren – es stünden jedoch Rettungshubschrauber und der Seenotrettungskreuzer zur Verfügung. Bevor es so weit kommt, wird, wie sonst auch, erst mal nachbarschaftlich ausgeholfen.
Dr. Constanze Schäfer
c.schaefer@aknr.de
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