Deutscher Apothekertag 2008

Bereit zu mehr Verantwortung

ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf machte bei der Vorstellung des Lageberichts deutlich, dass in der aktuellen Situation, in der viele Entscheidungen anstehen und die Gesundheitslandschaft in Bewegung gerät, für die Apotheker sehr viel auf dem Spiel steht: "Es gilt die großen Weichen für die pharmazeutische Versorgung der kommenden Jahre und Jahrzehnte zu stellen". Die Apotheker seien bereit, eine unabhängige Arzneimittelversorgung zu ermöglichen und mehr Verantwortung zu übernehmen. Sie benötigten dazu jedoch einen klaren Rechtsrahmen und eine langfristige Planungssicherheit.

Zwar verbreite die Entscheidung im Vertragsverletzungsverfahren zur Krankenhausbelieferung, die vor wenigen Tagen auf europäischer Ebene fiel, etwas Zuversicht, doch Entwarnung könne noch lange nicht gegeben werden. Wolf sieht durch das Urteil der obersten Richter in Luxemburg die Auffassung der ABDA den Prophezeiungen kapitalorientierter Kreise und ausländischer Versandapotheken zum Trotz bestätigt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe eindeutig entschieden: "Die Gesundheit der Bevölkerung geht vor Gewinnmaximierung. Arzneimittel und Beratung gehören in eine Hand und sind vor Ort zu leisten". Zu einem klaren Rechtsrahmen gehört Wolf zufolge aber auch, dass der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln auf das vom Europäischen Gerichtshof vorgegebene Maß zurückgeführt wird. Hierbei, so Wolf, gehe es nicht um Standespolitik. Es gehe vielmehr um die Bewahrung einer ordnungsrechtlich sicheren Grundlage für eine hochwertige und patientenorientierte Arzneimittelversorgung durch die öffentliche Apotheke. Wolf kritisierte, dass durch die momentane Regelung des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln Graubereiche geöffnet wurden, die die sichere Arzneimittelversorgung aus der Apotheke umgehen und als Einfallstor für Arzneimittelfälschungen gesehen werden müssen.

Dringenden Handlungsbedarf der Politik sieht Wolf im Zusammenhang mit dem dm-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts: "Es ist höchste Zeit, die Fremdbesitzdiskussion zu beenden und endlich eine Lösung der Versandhandelsproblematik zu erarbeiten". Es könne nicht sein, so Wolf, dass interessierte Kreise versuchen, über die Wettbewerbsschiene der EU die deutsche Arzneimittelversorgung zu amerikanisieren. "Wir sind gegen Großkonzerne und Oligopole im Gesundheitswesen. Wir wollen keine amerikanischen Verhältnisse".

Leistungen in der Offizin überprüfen und verbessern

Wolf bezeichnete einen stabilen und ausbaufähigen Rechtsrahmen auch als eine zwingende Voraussetzung für zusätzliche pharmazeutische Leistungen. Die Apotheker seien bereit, diese Leistungen zu erbringen. Denn die Apotheke sei nicht nur der Platz, an dem kranke Menschen ihr Rezept einlösen. Sie sei vielmehr gesellschaftlicher Mittelpunkt mit öffentlichem Auftrag. "Im besten Falle kann sie eine Servicestelle für kranke Menschen sein, die mit qualifiziertem Fachpersonal besetzt ist, das sich im Gesundheitswesen auskennt, kompetent bei leichten Erkrankungen berät, Tests durchführt, Präventionsmaßnahmen anbietet und Gesundheitsberatung leisten kann", meinte Wolf. Als Modell für die Zukunft nannte der ABDA-Präsident den Ausbau eines Medikationsmanagements. Der Apotheker wird dabei zur Kommunikationsdrehscheibe für multimorbide Menschen. Als Medikationsmanager berät, begleitet und versorgt er Patienten nicht nur in der Apotheke, sondern auch zu Hause, im Heim, stationär oder in unterversorgten Gebieten. Apotheker könnten dabei die Kommunikation für die Patienten mit Krankenhäusern, Ärzten und Krankenkassen übernehmen.

Bundeseinheitlich gültiges Qualitätsmanagement

Wolf betonte, dass die Apotheker aber auch in der Verantwortung seien, die eigenen Leistungen ständig zu überprüfen und zu verbessern. Das sei im gesellschaftlichen Interesse einer sicheren Arzneimittelversorgung und als Beitrag zur Zukunftssicherung des Berufsstandes unabdingbar. Aktuell wird ein bundeseinheitlich gültiges Qualitätsmanagementsystem für alle Apotheken eingerichtet. Es baut auf den bereits bestehenden 17 Qualitätsmanagementsystemen der einzelnen Apothekerkammern auf und harmonisiert diese. So soll die Qualität der Apotheken langfristig auf hohem Niveau gesichert werden. Die Schwerpunkte des Qualitätsmanagements liegen dabei auf pharmazeutischen Leistungen wie der Versorgung, der Herstellung und Prüfung sowie der Information und Beratung. Die Beratungs- und Herstellungsleistungen der Apotheken sollen jährlich überprüft werden. Darüber hinaus reagiert die Bundesapothekerkammer auf die gestiegenen pharmazeutischen Anforderungen an die Apotheken mit einer Qualitätsoffensive: Die BAK setzt sich das Ziel, die Zahl der Fortbildungsteilnehmer mittelfristig zu verdoppeln. Nur so könne die Qualität in der Offizin weiter ausgebaut und auf neue Entwicklungen schnell reagiert werden. Wolfs Forderung: "Regelmäßige Fortbildung muss zur Pflicht werden!"

Forderung nach leistungsgerechter Honorierung

Ein Erhalt und der Ausbau einer sicheren und flächendeckenden Arzneimittelversorgung sind Wolf zufolge nur mit unabhängigen Apotheken möglich. Die freiberuflich geführte Apotheke übernehme Pflichten für das Gemeinwohl und erfülle sie selbstverständlich. Aus diesem Selbstverständnis des freien Heilberufs heraus würden dabei auch unlukrative Leistungen erbracht wie der Nacht- und Notdienst, die Rezepturherstellung sowie die Überwachung und Meldung von arzneimittelbezogenen Problemen. Die freiberuflichen Komponenten der Apotheker wurden durch den deutschen Gesetzgeber mit den zurückliegenden Gesundheitsreformen gestärkt. Mit dem GKV-Modernisierungsgesetz wurde ein neues Vergütungssystem eingeführt, das die Neutralstellung der Apotheken auf der Verkaufsseite bewirkte. Mit dem Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz wurden die Apotheker auch auf der Einkaufsseite neutral gestellt. Seit dem Verbot von Naturalrabatten und der engen Begrenzung von Barrabatten sind auch die Einkaufsvorteile bei Arzneimitteln entfallen. Wolf betonte, dass mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz der Preiswettbewerb auf die richtige Ebene gezwungen wurde, nämlich dorthin, wo die Arzneimittelpreise gemacht werden. Der Apotheker könne jetzt als neutraler Mittler zwischen Krankenkassen, Herstellern, Ärzten und Patienten helfen, entsprechende Verträge abzuschließen und umzusetzen. So wurden die Apotheker bedingt durch die politischen Vorgaben auch flächendeckend Partner der Krankenkassen. "Die Apotheker haben sich der Umsetzung der Rabattverträge gestellt, auch wenn es schwer gefallen ist und erheblichen Aufwand verursacht". Aber, so Wolf weiter "es kann nicht sein, dass die Krankenkassen über Rabattverträge den Reibach machen und wir die Arbeit haben". Zumal die genaue Höhe der erzielten Einsparungen durch Rabattverträge noch immer nicht bekannt sei. Sicher sei jedoch bereits jetzt, dass die Krankenkassen durch die Rabattverträge – nach eigenen Aussagen – erhebliche Einsparungen erreicht haben. Für die Apotheker allerdings bewirken die Rabattverträge einen erheblichen Mehraufwand. Da aber auch eine dem Gemeinwohl verpflichtete Apotheke auf wirtschaftlich soliden Beinen stehen muss, sei eine leistungsgerechte Anpassung des Apothekenhonorars erforderlich, insbesondere des Apothekenabschlages für die GKV.
"Der Abschlag muss deutlich nach unten", forderte Wolf.


ck

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.