Deutscher Apothekertag 2008

Die Entdeckung der Unsichtbaren

Reinhild Berger

Erinnern Sie sich noch an die Groß-Demos unseres Berufsstandes vor fast zwei Jahren? Damals im Spätherbst 2006, waren sie deutlich sichtbar und den Funktionären in Kammern und Verbänden hochwillkommen: die vielen tausend Apothekenangestellten, die den Demos in Leipzig, Hamburg, Düsseldorf und München "Masse" brachten. Und so der ganzen Aktion die notwendige öffentliche Aufmerksamkeit bescherten. Doch genauso schnell wie sie mobilisiert wurden, waren sie von der berufspolitischen Bühne schon wieder verschwunden. Trauriger Tiefpunkt danach: Dem Apothekertag 2007 in Düsseldorf waren die Mitarbeiter gerade mal eine lächerliche Diskussionsminute wert; als Delegierte blieben sie so gut wie unsichtbar.

Letzte Woche in München kam es nun zu einer Premiere: Barbara Neusetzer, Bundesvorsitzende von Adexa – Die Apothekengewerkschaft, saß in einem Arbeitskreis des Deutschen Apothekertags als Diskussionsteilnehmerin oben auf dem Podium. Mit ihren inhaltlich kompetenten Statements erwarb sie sich schnell den Respekt aller Zuhörer. So konnte sie im Verlauf der Diskussion mehrmals unaufdringlich, aber unüberhörbar auf die Bedeutung der Apothekenmitarbeiter hinweisen. In ihrem Abschluss-Statement forderte Neusetzer, Bewertungsmaßstäbe für pharmazeutische Leistungen zu schaffen, auch als Grundlage für eine zukünftig leistungsorientierte Bezahlung der Mitarbeiter. Damit gelang es ihr, ein ganz wichtiges Anliegen der Apothekengewerkschaft vor den Delegierten des Apothekertags zu platzieren. Vor allem aber auch, ein Signal zu setzen in Richtung zu "noch mehr Qualität" in der Apotheke.

Die Einbindung der Adexa-Vorsitzenden in das offizielle Apothekertags-Programm verdient Beachtung. Ist ein Bewusstseinswandel bei der ABDA in Sicht, kann man gar von einer Erweckung sprechen? Die Entdeckung der Apothekenmitarbeiter kommt zwar spät, aber hoffentlich noch nicht zu spät. "Die Angestellten sind das Gesicht der Apotheke", sagte Barbara Neusetzer in München ganz richtig. Noch nie war es so wichtig wie heute, diesem Gesicht Ausstrahlung zu geben – denn es steht für die inhabergeführte, unabhängige Apotheke. Wer die heilberufliche Seite unseres Berufsstands stärken, vor allem aber sichtbar nach außen tragen möchte, kommt an einer qualitativen Aufrüstung des Fachpersonals nicht vorbei. 80 Prozent aller OTC-Verkäufe werden durch PTA getätigt, ohne approbierte Mitarbeiter läuft in vielen Apotheken nichts – und dabei zeigen sich Gesichter aller Art. Dass manch einem etwas "Make-up" nicht schaden kann, hat auch die Bundesapothekerkammer erkannt, denn sie wirbt zurzeit mit einer Fortbildungsoffensive; für 2009 sind außerdem neue, bundesweite Programme speziell für das nicht approbierte pharmazeutische Personal in Aussicht gestellt.

So wichtig Fort- und Weiterbildung auch sind – sie sind nicht alles. Will man Mitarbeiter motivieren, sich für die unabhängige Apotheke einzusetzen, muss man sie von den Vorteilen des jetzigen Systems überzeugen. Zum Beispiel durch wertschätzende Behandlung innerhalb des Teams, durch persönliche Zuwendung, wie sie nur der Chef/die Chefin eines kleinen, inhabergeführten Unternehmens bieten kann. Und idealerweise durch leistungsorientierte Bezahlung. Aber auch die Apothekenangestellten sind gefordert! Und zwar mehr denn je. Einfach nur jammern, sich möglichst unsichtbar machen, Politik "langweilig" finden, "keine Zeit haben, um seine Interessen zu vertreten" – das ist mega-out. Wer seinen Beruf in der Apotheke mag oder gar liebt und hier eine Zukunft haben will, sollte zumindest einen Berufsverband (Adexa, BVpta) durch seine Mitgliedschaft stärken und aktive Kolleginnen auf diese Weise unterstützen. Oder – als Approbierte(r) – in Kammergremien mitarbeiten.

Man darf gespannt sein, ob der Adexa-Auftritt beim Apothekertag einmalig bleibt oder Fortsetzungen findet. Auf alle Fälle hat die ABDA ein wichtiges Zeichen gesetzt. Denn dass die Hauptversammlung der Deutschen Apotheker so stark von Apothekenleitern dominiert wird (nur 28 Prozent der Delegierten wurden als "angestellt oder beamtet" ausgewiesen), ist nicht von heute auf morgen zu ändern. Es sei denn, die approbierten Mitarbeiter stehen ab sofort Schlange für die nächsten Kammerwahlen in ihren jeweiligen Bundesländern.

Den Mitarbeitern innerhalb des Programms und in der Diskussion einen festen Platz zu geben und sie damit sichtbar zu machen, ist dagegen ganz einfach. Man muss nur dran denken und es wollen.


Reinhild Berger

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