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- DAZ 40/2008
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Unerwünschte Wirkungen
Behandlung der Antibiotika-assoziierten Diarrhö
Eine Antibiotika-assoziierte Diarrhö liegt vor, wenn der Patient bei oder unmittelbar vor Auftreten der Durchfallsymptomatik eine antibiotische Behandlung erhalten hat und andere Ursachen für die Diarrhö ausscheiden. Eine Antibiotika-assoziierte Diarrhö kann allerdings noch bis zu mehrere Wochen nach Absetzen einer antibiotischen Behandlung auftreten. Der Pathomechanismus einer Diarrhö unter Antibiotikabehandlung ist multifaktoriell. Insbesondere bei einem frühen Auftreten der Durchfälle liegt eine direkte Medikamentennebenwirkung z. B. im Sinne einer prokinetischen Wirkung auf die Darmmotilität vor. Aber auch toxische oder allergische Mechanismen haben eine Bedeutung wie z. B. Hypersensitivitätsreaktion nach Gabe von Penicillin und Penicillinderivaten. Häufig beruht die Entstehung einer Antibiotika-assoziierten Diarrhö jedoch auf einer Störung des Gleichgewichts der normalen Dickdarmflora. Zwischen 300 und 1000 verschiedene Bakterienspezies bevölkern den Dickdarm, mehr als 99% davon sind Anaerobier. Die Zusammensetzung ist dabei interindividuell sehr unterschiedlich, intraindividuell aber über die Zeit weitgehend konstant. Das normalerweise vorherrschende Gleichgewicht der Darmflora beruht auf einer komplexen Interaktion vieler verschiedener Spezies von Mikroorganismen miteinander sowie mit dem Wirt. Die Gabe von Antibiotika kann dabei über zwei Mechanismen zu Durchfallerkrankungen führen:
- Zum einen wird die metabolische Funktion der physiologischen Darmflora verändert, was wiederum den Kohlenhydrat- und Gallensäuremetabolismus beeinflusst und zu einer osmotischen oder sekretorischen Diarrhö oder einer Kombination aus beiden führt.
- Zum anderen kann sich auch ein gegen das Antibiotikum resistenter (opportunistischer) Keim vermehren, während die normale Darmflora durch das Antibiotikum beeinträchtigt wird und es kommt zu einer Überwucherung des Darms mit diesem pathogenen Keimen.
Der unterschiedliche Effekt von Antibiotika auf die Darmflora, und damit ihr spezifisches Risiko für eine Antibiotika-assoziierte Diarrhö, hängt von ihrem jeweiligen Keimspektrum (insbesondere Wirksamkeit gegen Anaerobier) sowie ihrer Wirkstoffkonzentration im Intestinaltrakt ab. Zahlreiche Bakterien sind bereits als Verursacher einer Antibiotika-assoziierten Diarrhö identifiziert worden. Bei immunkompetenten nicht-hospitalisierten Patienten wird im klinischen Alltag allerdings zumeist kein ursächlicher Erreger gefunden. Nach Absetzen oder Austauschen des Antibiotikums ist die Antibiotika-assoziierte Diarrhö bei diesen Patienten meist selbstlimitierend.
Clostridium difficile als Ursache einer Kolitis
Bei hospitalisierten oder immundefizienten Patienten sind Antibiotika-assoziierte Diarrhöen häufig mit dem ubiquitär vorkommenden, anaerob wachsenden, grampositiven, sporulierten StäbchenClostridium difficile assoziiert. Der Erreger ist insbesondere deshalb von klinischer Relevanz, weil er für nahezu alle besonders schwer verlaufenden Formen der Antibiotika-assoziierten Diarrhö verantwortlich ist, die als pseudomembranöse Kolitis bezeichnet werden. Zudem stellt die C.-difficile -assoziierte Diarrhö überwiegend eine nosokomiale Komplikation bei entsprechend morbiden Patienten dar. Unter klinisch-therapeutischen Gesichtspunkten ist daher eine Unterteilung in die unkomplizierte Diarrhö (nicht C.-difficile -assoziiert) und die C.-difficile- positive Diarrhö sinnvoll.
Antibiotika mit fehlender Wirkung gegen Clostridium difficile verursachen eine Selektion und starke Vermehrung dieses Keims. Bezüglich der C.-difficile -positiven Antibiotika-assoziierten Diarrhö wurde insbesondere Antibiotika mit einer Wirksamkeit gegen Anaerobier ein erhöhtes Risiko attestiert. Allerdings liegt eine anaerobe Wirksamkeit nicht bei allen Antibiotika vor, die mit einem hohen Risiko für eine Clostridium-difficile -positive AAD einhergehen. Das Risiko für eine C.-difficile -positive AAD ist insbesondere unmittelbar nach Beendigung der antibiotischen Behandlung hoch, da zu diesem Zeitpunkt die Darmflora (noch) gestört ist. Die pathogene Wirkung von C. difficile wird durch drei Virulenzfaktoren bewirkt: zwei Toxine, Toxin A (TcdA, ein Enterotoxin) und Toxin B (TcdB, ein Zytotoxin), sowie eine Substanz, welche die Darmmotilität inhibiert. Der Wirkmechanismus dieser Pathogenitätsfaktoren ist jedoch nicht vollständig entschlüsselt.
In den letzten fünf Jahren wurden von Nordamerika ausgehend gehäuft Fälle von C.-difficile -AAD beschrieben, die mit einer ungewöhnlich hohen Erkrankungsschwere und auch Letalität einhergingen. Dieser auch als Ribotyp 027 bezeichnete epidemische Stamm produziert deutlich höhere Toxin A- und B-Mengen sowie ein zusätzliches Toxin (Toxin Typ III) und ist weitgehend resistent gegen Erythromycin und neuere Fluorochinolone. Auch in Deutschland traten bereits Fälle von schwerer C.-difficile -Kolitis aufgrund von Infektionen mit dem hypervirulenten Ribotyp 027 auf.
Die Sporen von Clostridium difficile sind außerordentlich verbreitet und umweltresistent. Sie konnten auf Toilettensitzen, Bettpfannen, Fußböden, Telefonen, Klingelknöpfen und an den Händen des Personals nachgewiesen werden. Eine Übertragung von Person zu Person ist entsprechend häufig.
Mögliche Ursachen einer Antibiotika-assoziierten Diarrhö | |
Interaktion |
Mechanismus |
Antibiotikum – Wirt |
direkter Einfluss des Antibiotikums auf die Darmmotilität; toxische Wirkung auf die Darmschleimhaut oder allergische Reaktion auf das Antibiotikum |
Antibiotikum – Darmflora |
Störung der Kolonisationsresistenz mit sekundärer Überwucherung durch opportunistischen oder pathogenen Mikroorganismen (z. B. Clostridium difficile) |
Beeinflussung des intestinalen Kohlenhydrat- und Gallensäuremetabolismus (osmotische oder sekretorische Diarrhö) |
Risikofaktoren
Als Risikofaktoren für eine C.-difficile -positive nosokomiale Diarrhö bzw. Antibiotika-assoziierte Diarrhö gelten insbesondere höheres Lebensalter und langer Krankenhausaufenthalt, aber auch Einweisung aus Gemeinschaftseinrichtungen wie Pflegeheimen sowie die Einnahme von Diuretika, Antihistaminika oder Protonenpumpenhemmern. Prolongierte Antibiotikabehandlung (> 15 Tage) sowie die Gabe von mehr als einem Antibiotikum, aber auch chirurgische Eingriffe erhöhen die Inzidenz der Antibiotika-assoziierten pseudomembranösen Kolitis. Auch Begleiterkrankungen können das Risiko erhöhen. Zwar treffen diese Risikofaktoren überwiegend auf stationäre Patienten zu, finden sich aber auch im ambulanten Bereich. Die pseudomembranöse Kolitis wurde z. B. in Zusammenhang mit der Eradikationstherapie bei Helicobacter-pylori-positiver Gastritis oder der Malariaprophylaxe mit Doxycyclin beschrieben.
Auch wenn bei nahezu allen in klinischer Verwendung befindlichen Antibiotika das Auftreten einer Diarrhö bereits beschrieben wurde, sind die folgenden Antibiotika besonders häufig mit Diarrhö und pseudomembranöser Kolitis assoziiert:
- Cephalosporine: Deutlich höheres Risiko bei Cephalosporinen der dritten Generation (Ceftriaxon, Ceftazidim, Cefpodoximproxetil);
- Breitbandpenicilline: z. B. Ampicillinderivate, Piperacillin (auch in Kombination mit Tazobactam);
- Clindamycin;
- Clarithromycin: vor allem bei hoher Dosierung (3 x 500 mg;)
- Fluorochinolone: bis vor einigen Jahre galt das Risiko für C.-difficile -positive AAD als gering. Es zeigte sich jedoch, dass Chinolone mit einem nicht unerheblichen AAD-Risiko einhergehen. Aufgrund des Auftretens Chinolon-resistenter C.-difficile -Stämme zählen die Chinolone mittlerweile zu den Hochrisikoantibiotika für eine Antibiotika-assoziierte Diarrhö.
Behandlung von Rezidiven
Das Spektrum der Symptomatik bei der Antibiotika-assoziierten Diarrhö reicht von einer unkomplizierten Diarrhö bis hin zur pseudomembranösen Kolitis mit wässriger Diarrhö, Fieber, abdominalen Schmerzen und Krämpfen, Erbrechen, Hypalbuminämie und Leukozytose. Komplizierend können Nierenversagen, schwere Elektrolytentgleisungen wie Hypokaliämie oder seltener ein toxisches Megakolon auftreten. Die häufigste Komplikation der C.-difficile -positiven AAD ist das Rezidiv. Grundsätzlich sollte bei Auftreten einer Antibiotika-assoziierten Diarrhö das ursächliche Antibiotikum nach Möglichkeit abgesetzt bzw. durch ein alternatives Antibiotikum ersetzt werden. Dabei sollten Antibiotika gewählt werden, die seltener mit einer Diarrhö assoziiert sind:
- Aminoglykoside,
- Sulfonamide,
- Makrolide,
- Tetracycline,
- ggf. Vancomycin.
Bei unkomplizierter und C.-difficile -negativer AAD ist dieses Vorgehen zumeist ausreichend. Bei einer schweren Infektion, vorhandener Evidenz für eine Kolitis oder aber trotz Absetzen des ursächlichen Antibiotikums fortbestehendem Durchfall ist eine Antibiotikatherapie indiziert. Dies ist auch dann der Fall, wenn die auslösende antibiotische Behandlung fortgeführt und nicht auf ein alternatives Antibiotikum umgestellt werden kann (z. B. bei einer Endokarditis oder Tuberkulose). Zu den supportiven Maßnahmen zählen insbesondere der Ausgleich von Flüssigkeitsverlusten sowie die Behebung von Elektrolytstörungen, insbesondere einer Hypokaliämie. Mittel der Wahl bei einer notwendigen antibiotischen Therapie der C.-difficile -positiven AAD ist die Gabe von Metronidazol (oral 3 bis 4 x 400 mg, intravenös 3 x 500 mg oder 4 x 250 mg über zehn Tage). In Schwangerschaft und Stillzeit, sowie bei Metronidazol-Unverträglichkeit oder Resistenz des Erregers sollte Vancomycin gegeben werden (oral 4 x 125 mg über zehn Tage). Das Risiko für die Selektion Vancomycin-resistenter Enterokokken spricht gegen Vancomycin als Mittel der ersten Wahl. Die Erfolgsrate ist jedoch in beiden Fällen vergleichbar und liegt bei 90 bis 97%. Falls eine intravenöse Therapie erforderlich ist, kann allerdings nur Metronidazol eingesetzt werden, da intravenöses Vancomycin keine ausreichende Konzentration im Darmlumen erreicht.
Bei einer Clostridium-difficile -positiven Diarrhö kommt es in bis zu einem Viertel aller Fälle nach erfolgter antibiotischer Behandlung zu Rezidiven. Insbesondere abwehrgeschwächte Patienten haben diesbezüglich ein hohes Risiko. Da es im klinischen Alltag schwierig ist, bei Wiederauftreten der Diarrhö und erneutem Nachweis von C. difficile während des gleichen Krankenhausaufenthalts ein Rezidiv von einer Reinfektion mit einem anderen Bakterienstamm zu unterscheiden, sollte bei erneuter Diarrhö zunächst wieder mit dem gleichen Antibiotikum (meist Metronidazol) therapiert werden, allerdings kann die Gabe von Vancomycin angeschlossen werden. Ferner kann auch der Einsatz anderer antimikrobieller Wirkstoffe (Tinidazol, Nitazoxanid oder Rifaximin) sowie eine verlängerte Antibiotikagabe über vier bis sechs Wochen erwogen werden. Neuen Daten zufolge ist insbesondere eine sequenzielle Behandlung vielversprechend. Dabei schließt sich unmittelbar an eine Therapie mit Vancomycin eine zweiwöchige Behandlung mit Rifaximin an. Man nimmt an, dass Rifaximin Vancomycin-resistente Erreger abtötet bzw. eine Rekrudeszenz unterdrückt, während es gleichzeitig den Wiederaufbau der normalen Darmflora zulässt. Über Kombinationstherapien ist bislang wenig bekannt, klare Vorteile zeigen sich bislang jedenfalls nicht.
Weitere Behandlungsansätze
Neben der antimikrobiellen Therapie sind weitere Behandlungsansätze denkbar: Anwendung von Kunstharzen, um das ursächliche Toxin zu absorbieren (z. B. Colestyramin), Gabe von Probiotika oder intravenösen Immunglobulinen. Obwohl Toxin B der führende Virulenzfaktor zu sein scheint, schützen Antikörper gegen das Toxin A vor C.-difficile -assoziierter Diarrhö sowie deren Rezidiven. Der therapeutische Einsatz intravenöser Immunglobuline war daher naheliegend und offenbar auch hilfreich. Allerdings stehen dem Nutzen hohe Kosten und Therapierisiken gegenüber. Gegenwärtig werden monoklonale Antikörper gegen das Toxin A untersucht. Auch eine Anti-Toxin-A-Vakzine befindet sich in der Entwicklung. Nach ersten Ergebnissen ist diese gut verträglich und ausreichend immunogen, um die für eine Protektion erforderlichen Antikörpertiter zu erzeugen. Ergebnisse großer randomisierter Effektivitätsstudien stehen allerdings noch aus.
Schließlich gibt es Therapieansätze, die auf einer Unterstützung der Regeneration der normalen Darmflora beruhen. Generell scheint die Gabe von Probiotika (Saccharomyces, Lactobacillus) einen protektiven Effekt gegen verschiedene Arten von Durchfall zu haben. In Bezug auf die Gabe von Probiotika als Unterstützung einer Therapie der Antibiotika-assoziierten Diarrhö gibt es derzeit nur wenige Untersuchungen, wobei aufgrund der heterogenen Ergebnisse keine generelle Empfehlung ausgesprochen werden kann. Angesichts ihres vorteilhaften Risikoprofils ist der additive Einsatz von Probiotika in der AAD-Therapie möglicherweise aber durchaus gerechtfertigt.
Gute Hygiene als beste Prävention
Die Maßnahmen zur Prävention ergeben sich aus dem oben beschriebenen Pathomechanismus und beruhen im Wesentlichen auf einer Vermeidung von C.-difficile -Infektionen. Außerdem kommt der zurückhaltenden und gezielten Verwendung von Antibiotika im klinischen Alltag eine wesentliche Rolle zu. Da die Übertragung von Clostridium difficile auf dem fäkal-oralen Weg erfolgt, besitzen allgemeine Maßnahmen der Krankenhaushygiene, und hier insbesondere die Händedekontamination des Personals, eine große Bedeutung. Es sind jedoch auch patientenbezogene Maßnahmen zu beachten: Unterbringung symptomatischer Patienten in Einzelzimmern mit eigener Toilette insbesondere bei Stuhlinkontinenz, Verwendung patientenbezogener medizinischer Geräte sowie deren Reinigung mit sporoziden Substanzen. Zudem sind bei direktem Patientenkontakt Einmalhandschuhe und Schutzkittel zu tragen.
QuelleCramer, J. P.; et al.: Altes und Neues zur antibiotikaassoziierten Diarrhö. Med Klin 2008; 103: 325–338.
Anschrift des Verfassers
Apotheker Dr. Andreas Ziegler
Flurstr. 2, 90613 Großhabersdorf
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