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Die eigene Marke stärken

ROSTOCK (tmb). Die Apotheker sollten mit vorsichtiger Zuversicht in die Zukunft blicken und zugleich ihre Apotheken in einem umkämpften wirtschaftlichen Umfeld richtig positionieren – dies waren die Kernbotschaften beim Wirtschaftsseminar des Apothekerverbandes Mecklenburg-Vorpommern am 1. Oktober in Rostock-Warnemünde. Die Referenten waren sich einig, dass die Apotheken auch bei günstigen Entwicklungen künftig vor immer größeren wirtschaftlichen Herausforderungen stehen werden. Neben der Berufspolitik war daher der Umgang mit Marken im Gesundheitsmarkt ein zentrales Thema.

Nach Einschätzung des Vorsitzenden des Apothekerverbandes Mecklenburg-Vorpommern, Axel Pudimat, werden die ethischen Prinzipien der Heilberufler durch die Marktwirtschaft untergraben. "Es muss um die Versorgung gehen, nicht um maximalen Profit", so Pudimat. Noch sei offen, welche politischen Kräfte sich durchsetzen. Beim Deutschen Apothekertag hätten sich die Politiker im Sinne der Heilberufler geäußert. Andererseits werde die Preissensibilität durch Marketingmaßnahmen "in die Leute hineingedrückt": "Dann geht es bald nur noch um den Preis und nicht mehr um die Wirksamkeit von Arzneimitteln", fürchtet Pudimat.

Gegen die Hydra oder gegen einen ihrer Köpfe

ABDA-Justiziar Lutz Tisch erläuterte die rechtlichen und politischen Herausforderungen für die Apotheken. Hinsichtlich des Versandhandels seien die Vorzeichen für das Urteil des Europäischen Gerichtshofes "nicht ganz schlecht". Er rechne mit einer Gerichtsentscheidung noch vor der Sommerpause 2009. Bis dahin riet er den Apothekern: "Bleiben Sie ruhig. Stärken Sie Ihr Profil. Halten Sie sich die Wege offen. Binden Sie sich nicht verfrüht." Anlass für schnelles Handeln sieht Tisch dagegen bei den politischen Bemühungen um ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Das Hauptproblem des Versandhandels sei, dass dieser von einer Ausnahme zu einer zweiten Form der Regelversorgung gemacht wurde. Damit könnten alle apothekenrechtlichen Regelungen in Frage gestellt werden, die nur im Zusammenhang mit einem persönlichen Kontakt zu erfüllen sind. Falls dann auch noch wider Erwarten der Fremdbesitz zugelassen würde, könnten Apothekenketten neue Formen von Arzneimittelabgabestellen entwickeln. Das wiederum würde der Arzneimittelpreisverordnung ihre Grundlage entziehen, so dass Apotheken im heutigen Sinne dann nicht mehr konkurrenzfähig wären.

Tisch ging detailliert auf die Frage ein, ob diese Probleme eher durch eine Reduzierung des Versandhandels auf das europarechtlich gebotene Maß oder durch ein Verbot von Pick-up-Stellen zu verhindern wären. Er verglich die Bedrohung der Apotheken durch den Versand mit einer Hydra – ein Verbot von pick-up-Stellen heiße, der Hydra nur einen Kopf abzuschlagen. Politisch gäbe es einen breiten Konsens gegen Pick-up-Stellen, doch erscheine das Versandhandelsverbot verfassungsrechtlich aussichtsreicher. Gegen das Versandhandelsverbot wird angeführt, dies würde in den Bestandsschutz von Versandapotheken eingreifen. Doch betreffe dies nur etwa 20 Versender, deren Präsenzbetrieb und deren Versand von OTC-Arzneimitteln unberührt bliebe. Der Versand verschreibungspflichtiger Arzneimittel mache nach deren Angaben höchstens 30 Prozent der Umsätze aus. Ein solcher Eingriff sei mit der Sicherheit eines ganzen Versorgungssystems durchaus zu rechtfertigen. Beim Verbot von Pick-up-Stellen müssten diese von diversen anderen Versandformen wie der Abgabe an einen Nachbarn oder Pförtner rechtssicher abgegrenzt werden, was verfassungsrechtlich wohl nicht möglich sei. Daher sehe er viel größere Chancen für ein Versandhandelsverbot. Tisch sprach sich dabei nicht gegen eine kombinierte Strategie aus, wandte sich aber dagegen, "kurz vor der Entscheidungsschlacht" neue Perspektiven zu ergreifen. Denn ein solcher Gesetzesentwurf müsse noch vor Weihnachten im Bundesrat beschlossen werden, um vor dem Bundestagswahlkampf den Bundestag passieren zu können.

OTC-Markt im Umbruch

Neben diesen politischen und juristischen Entwicklungen verändern sich die wirtschaftlichen Bedingungen des Gesundheitsmarktes. Was dies für den OTC-Markt bedeutet, stellte Bernd Wilhelm vom international tätigen Marktforschungsunternehmen A. C. Nielsen dar. Derzeit umfasst der deutsche OTC-Markt ein jährliches Umsatzvolumen von etwa 7,4 Mrd. Euro, davon 6 Mrd. Euro Selbstmedikation – der Rest verteilt sich auf die PKV und die weiterhin zulasten der GKV verordneten OTC-Arzneimittel. Der Anteil der Apotheken an der Selbstmedikation betrug im Juli 2008 gemessen am Wert der Produkte 83,1 Prozent, gemessen an der Packungszahl aber nur noch 56,5 Prozent. Damit finden 43,5 Prozent der Kaufhandlungen für Arzneimittel im Lebensmittelhandel oder in Drogeriemärkten statt. Der langfristige Rückgang der Einwohnerzahl werde das Wachstumspotenzial für viele Produktmärkte begrenzen. Unter den OTC-Arzneimitteln betreffe dies Analgetika, Rhinologika und Antacida. Dagegen würden Zusatznahrung, Geriatrika, Inkontinenzartikel und Diagnostika von der zunehmenden Zahl der Älteren profitieren.

Bei der Verbraucherbefragung von A. C. Nielsen im Jahr 2007 gaben 45 Prozent der Befragten an, sie würden sehr auf ihre Gesundheit achten. Nur 16 Prozent schätzten Markenartikel qualitativ besser als andere Produkte ein. Daher erwartet Wilhelm, dass Handelsmarken, also Eigenmarken des Einzelhandels, künftig auch im OTC-Arzneimittelmarkt ein großes Thema werden, denn "es gibt schon zaghafte Ansätze mit Handelsmarken von Apothekenkooperationen". In der Verbraucherbefragung erklärten 44,7 Prozent der Befragten, sie würden Arzneimittel und Gesundheitsprodukte verstärkt außerhalb der Apotheke kaufen, nur 55,8 Prozent betrachteten Arzneimittel aus der Apotheke als wirksamer, aber 77,5 Prozent gaben an, sich vor einem Arzneimittelkauf von ihrem Apotheker beraten zu lassen.

Der Gesundheitsmarkt ist im Umbruch, konstatierte Wilhelm, Warenströme und Distributionswege werden immer komplexer – doch hohe Qualität, gute Erreichbarkeit und besonders die kompetente Beratung sind Alleinstellungsmerkmale der Apotheken und machen sie einzigartig. Als wertvolles Instrument für den OTC-Markt empfahl Wilhelm den Apothekern das Category Management, das "ist ein gemeinsamer Prozess von Händler und Hersteller, bei dem Warengruppen als strategische Geschäftseinheiten geführt werden, um durch Erhöhung des Kundennutzens Ergebnisverbesserungen zu erzielen". Dabei werden Produktkategorien aus der Perspektive der Kunden definiert, gezielt präsentiert und immer wieder überprüft, womit der Prozess erneut beginnt. Dazu gehört, aussichtsreiche Marken zu fördern, die Kannibalisierung zwischen den Produkten zu vermeiden, die Sortimentsstruktur zu optimieren und stets die Wirkungen auf den Umsatz zu überprüfen. Für die notwendigen Untersuchungen und Vergleiche mit den Daten des Gesamtmarktes benötigen Apotheken einen Partner, der Erfolge nachweisen kann und regelmäßig Erfolgskontrollen seines Catagory Managements durchführt, so Wilhelm. Dies könne beispielsweise eine Großhandlung oder eine Kooperation sein, doch bei der Wahl eines solchen Partners müssten sich die Apotheker fragen: "Bin ich überzeugt? Finde ich mich wieder? Fühle ich mich wohl dabei?".

Apotheke als Marke positionieren

Dr. Andreas Kaapke, Institut für Handelsforschung, Köln, betonte, dass die Apotheken durch Qualität und Kompetenz die leistungsfähigste Form des Arzneimittelhandels darstellen: "Deshalb möchte ich Ihnen Sauerstoff ins Hemd pumpen, die effektivsten sind Sie!" – Kaapke ging der Frage nach, wie dieses Leistungsversprechen in einer Marke präsentiert werden kann. Nach einem modernen Verständnis können Marken nicht nur für Produkte, sondern auch für Handelsgeschäfte stehen. Mittlerweile gehören Handelsgeschäfte sogar zu den bekanntesten Marken, beispielsweise Ebay, Ikea und Aldi. Marken bieten den Verbrauchern Nutzen als Orientierungshilfe und schaffen Vertrauen. Sie ersparen den Kunden, ein Produkt oder eine Leistung zu hinterfragen. Damit nutzen sie auch dem Anbieter, der Kunden an sich bindet und einen preispolitischen Spielraum erhält. Das Packungsdesign, charakteristische Schriftzüge, Farben und Bilder machen Marken erkennbar und unterscheidbar. Dabei lebt eine Marke von ihrer Unverwechselbarkeit und ihrem Wiedererkennungswert. "Entscheidend für Marken ist es, dass man sich in allen relevanten Situationen an sie erinnert und stärker oder eher erinnert als an alternative Marken", erklärte Kaapke – und dabei helfen Assoziationsketten. Eine Marke muss mit Assoziationen "aufgeladen" werden und diese Assoziationen der Kunden müssen immer wieder überprüft werden.

Vor diesem Hintergrund hinterfragte Kaapke die zahlreichen Logos von Apothekenkooperationen. Logos seien noch keine Marken. Vielfach sei nicht klar, wofür die Logos und Kooperationen stehen und welchen Nutzen sie versprechen. Apotheker und ihre Teams müssten eine klare Antwort auf die Frage "Was sage ich dem Kunden?" haben. Zugleich sei zu prüfen, wie viele Marken eine Apotheke überhaupt verträgt: "So viel wie man dem Verbraucher in einer Minute erklären kann," ist für Kaapke die Obergrenze. Dies sei das Apotheken-A, der eigene Apothekenname und mit guten Argumenten eventuell auch noch eine Dachmarke. Kaapke warb dafür, die eigene Apotheke am jeweiligen Standort unverwechselbar zu machen. Genauso wie große Unternehmen sich national oder international positionieren, müsse jede Apotheke ihren Kunden Argumente liefern, gerade diese und nicht eine andere Apotheke aufzusuchen.

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