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Kabinett beschließt Kassenbeitrag von 15,5 Prozent

BERLIN (ks). Der einheitliche Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wird im kommenden Jahr bei 15,5 Prozent liegen. Darauf einigten sich die Spitzen von Union und SPD am 5. Oktober. Das Kabinett hat dem Vorschlag des Ausschusses am 7. Oktober zugestimmt. Die Bundesregierung folgt damit der Mehrheitsprognose des Schätzerkreises beim Bundesversicherungsamt (BVA). Die Krankenkassen halten den Beitragssatz für zu niedrig angesetzt. Vertreter des GKV-Spitzenverbandes hatten im Schätzerkreis 15,8 Prozent gefordert.

Derzeit liegt der durchschnittliche, paritätisch finanzierte GKV-Beitragssatz noch bei 14,02 Prozent. Hinzu kommt der von den Mitgliedern zusätzlich zu tragende Anteil von 0,9 Prozentpunkten – in den künftigen 15,5 Prozent ist dieser Anteil bereits eingerechnet. Für Versicherte, die zurzeit noch in günstigen Kassen Mitglied sind, wird sich der Beitrag somit spürbar erhöhen. Die Bundesregierung will diese zusätzliche Belastung durch eine erneute Absenkung des Arbeitslosenbeitrags mildern: er soll von 3,3 Prozent auf 2,8 Prozent sinken. Die Fraktionschefs der Union und der SPD, Volker Kauder und Peter Struck, betonten, dass somit bei den Lohnzusatzkosten Stabilität erreicht werde. Für 2010 beschloss der Koalitionsausschuss zudem die steuerliche Absetzbarkeit von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung für alle Versicherten.

Umstrittener Beitragsbedarf

BVA-Präsident Josef Hecken betonte nach den viertägigen Beratungen des Schätzerkreises, die nun von der Mehrheit der Mitglieder ausgesprochene Empfehlung sei für die Bundesregierung eine "seriöse und verlässliche Orientierungshilfe für die Festlegung des Beitragssatzes für das Jahr 2009". Der GKV stünden bei einem Beitrag von 15,5 Prozentpunkten im Jahr 2009 mehr als zehn Mrd. Euro mehr an Finanzmitteln zur Verfügung als im laufenden Jahr. Eine hundertprozentige Ausgabendeckungsquote durch den Fonds sei damit im Jahr 2009 gewährleistet. Beim GKV-Spitzenverband sieht man dies anders. Der Beitragssatz müsse so niedrig wie möglich und so hoch wie nötig sein, lautete hier die Devise. Und dazu sind nach Kassenschätzung 15,8 Prozent nötig – anderenfalls würden schon im kommenden Jahr zwangsläufig Zusatzbeiträge für die Versicherten erhoben werden müssen. Der Verband betonte, dass die Beitragssteigerung vor allem durch die von der Politik selbst veranlassten höheren Ausgaben für Ärzte und Krankenhäuser verursacht sei. Gerade bei diesen beiden Ausgabenbereichen gab es im Schätzerkreis jedoch erhebliche Differenzen hinsichtlich der Einschätzung des künftigen Beitragsbedarfs. Hecken erklärte, er halte den vom Spitzenverband geltend gemachten Mehrbedarf "in Übereinstimmung mit der Mehrheit des Schätzerkreises für nicht realistisch".

Kassen warnen vor Unterfinanzierung

Die Kassen bleiben jedoch skeptisch. Nach Bekanntgabe der Beschlüsse im Koalitionsausschuss erklärte der Vizevorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Dr. Herbert Reichelt, die Bundesregierung habe ein "ausgesprochen ehrgeiziges politisches Ziel". Es könne nur dann erreicht werden, wenn im derzeit laufenden Gesetzgebungsverfahren die vorgesehenen Mehrausgaben der Krankenkassen für den Krankenhaussektor deutlich zurückgestutzt würden oder wenn der Zuschuss aus Steuermitteln an die gesetzlichen Krankenkassen deutlich stärker angehoben werde. Ähnlich äußerte sich der Vorstandschef der Ersatzkassenverbände VdAK/AEV, Thomas Ballast. Er ist überzeugt, dass der Beitragssatz von 15,5 Prozent nur 98 Prozent der GKV-Leistungsausgaben decken wird. Um eine 100-prozentige Abdeckung zu erreichen müsse die Politik entweder die Kosten um rund drei Mrd. Euro senken, mehr Steuermittel in den Gesundheitsfonds stecken oder den Beitragssatz höher festlegen. Ballast: "Den Zusatzbeitrag müssen wir im Interesse der Versicherten vermeiden. Dieser würde auch dazu beitragen, dass die Akzeptanz des Gesundheitsfonds seitens der Versicherten auf den Nullpunkt sinken werde." Der BKK-Bundesverband forderte angesichts der bestehenden Ungewissheiten, den Einheitsbeitragssatz um ein Jahr auszusetzen, bis verlässliche und belastbare Daten vorliegen.

Kurzsichtige Milchmädchenrechnung

Auch die Opposition übte Kritik an der Entscheidung der Koalitionsspitzen. Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Daniel Bahr, bezeichnete die "vermeintliche Kompensation" des steigenden Kassenbeitrages durch eine Senkung des Arbeitslosenbeitrages als "kurzsichtig". Sobald die Konjunktur schwächele, werde auch der Arbeitslosenbeitrag wieder steigen – und die Renten-, Pflege- und Krankenkassenbeiträge auf dem hohen Niveau bleiben. Fest stehe nur, dass die Bürger mehr zahlen müssen. Auch der Vize-Fraktionsvorsitzende der Linken, Klaus Ernst, warf Bundeskanzlerin Angela Merkel eine "gefährliche Milchmädchenrechnung" vor. Es sei "verantwortungslos und ökonomisch unsinnig", der Arbeitslosenversicherung angesichts des sich abzeichnenden Abschwungs notwendige Mittel zu entziehen – und das "nur, um den eigenen Murks bei der Gesundheitsreform zu kaschieren". Denn Ernst bleibt dabei: "Dieser Gesundheitsfonds ist eine Sackgasse" – überflüssig, unberechenbar und teuer. Brigitte Pothmer, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, warnte ebenfalls, dass das "Koalitionsgeschacher" die Bundesagentur in eine Schieflage führen könne.

Der Verordnungsentwurf des Bundesgesundheitsministeriums zur Festlegung des allgemeinen Beitragssatzes in der GKV wurde dem Bundeskabinett am 7. Oktober vorgelegt und noch am selben Tag abgesegnet. Nun wird sich noch der Bundestag mit ihm befassen. Die endgültige Entscheidung, die am 29. Oktober fallen soll, obliegt jedoch allein dem Kabinett.

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