Arzneimittel und Therapie

Licht und Melatonin helfen dementen Heimbewohnern

Durch einen gestörten Tag-Nacht-Rhythmus, der durch helles Tageslicht und das Hormon Melatonin reguliert wird, können die mit einer Demenzerkrankung verbundenen Symptome verstärkt werden. In einer praxisnah durchgeführten, randomisierten Doppelblind-Studie verbesserten sich bei dementen Senioren im Altersheim durch den kombinierten Einsatz von Licht und Melatonin einige Verhaltensauffälligkeiten leicht. Die deutlichsten Vorteile ergaben sich jedoch beim alleinigen Einsatz von hellem Licht: Kognition und Stimmung konnten dadurch positiv beeinflusst werden.

Neben dem fortschreitenden Verlust kognitiver Fähigkeiten leiden betagte Patienten mit Demenzerkrankungen häufig an Agitiertheit, Angst- und Erregungszuständen, Aggressivität, motorischer Unruhe und Schlafstörungen. Ein veränderter Tag-Nacht-Rhythmus kann zu diesen Symptomen, die von den Betreuungspersonen häufig als besonders belastend empfunden werden, beitragen. Da der Tag-Nacht-Rhythmus durch helles Tageslicht und das Zirbeldrüsenhormon Melatonin, dessen Konzentration im Laufe des Lebens abnimmt, reguliert wird, wurde in einer multizentrischen, doppelblinden, randomisierten placebokontrollierten Studie untersucht, ob Lichtexposition und/oder die Gabe von Melatonin positive Auswirkungen auf verschiedene Symptome bei Demenzerkrankungen hat.

189 Bewohner von zwölf holländischen Seniorenheimen mit einem durchschnittlichen Alter von 86 Jahren, davon 90% weiblich, nahmen an der Studie teil. Bei 87% dieser Teilnehmer war eine Demenzerkrankung verschiedener Ätiologie (überwiegend Alzheimer-Demenz) diagnostiziert worden. In sechs Pflegeheimen wurden die Gemeinschaftsräume, in denen sich die Bewohner die überwiegende Zeit des Tages aufhielten, von neun Uhr morgens bis sechs Uhr abends mit einer Lichtintensität von 1000 Lux erleuchtet, während die Lichtintensität in den anderen sechs Pflegeheimen auf lediglich 300 Lux eingestellt wurde. Zusätzlich wurden die Patienten randomisiert einer Therapie mit Melatonin zugeteilt, so dass sich vier verschiedene Behandlungsgruppen ergaben:

  • Gruppe 1: keine aktive Therapie (n = 45),
  • Gruppe 2: Melatonin (täglich 2,5 mg am Abend eine Stunde vor dem Zubettgehen) (n = 49),
  • Gruppe 3: Lichttherapie (1000 Lux) (n = 49),
  • Gruppe 4: Licht- und Melatonintherapie (n = 49).

Mittels einer Vielzahl verschiedener Skalen wurden zu Studienbeginn sowie nach sechs Wochen, und im Folgenden jeweils halbjährlich verschiedene krankheitsbezogene Zielgrößen, die den fünf Kategorien Kognition, Stimmung, Verhalten, Alltagskompetenz und Schlafverhalten zuzuordnen waren, abgefragt. Die durchschnittliche Beobachtungszeit betrug 15 Monate, der maximale Beobachtungszeitraum war 3,5 Jahre. Primärer Endpunkt war die Abnahme kognitiver Fähigkeiten, gemessen mittels Mini-Mental-Status Test.

Die alleinige Lichttherapie hatte positive Effekte auf die Abnahme kognitiver Fähigkeiten, auf depressive Symptome und Verrichtungen des täglichen Lebens (siehe Tabelle). Dabei verringerte die Lichttherapie die Abnahme der kognitiven Fähigkeiten um durchschnittlich 0,9 Punkte auf der Skala des Mini Mental Status Tests, die Werte zwischen 0 und 30 umfasst. Als klinisch relevant wird zwar erst eine Veränderung von mindestens drei Punkten angesehen, die allerdings auch von den als Antidementiva eingesetzten Cholinesterasehemmern (Donepezil, Galantamin, Rivastigmin, Tacrin) nicht erreicht werden. Die depressiven Symptome besserten sich in der Gruppe mit Lichttherapie gemessen mittels der 38-Punkte-Cornell-Skala für Depression bei Demenz um durchschnittlich 1,5 Punkte.

Die alleinige Gabe von Melatonin erhöhte lediglich die Schlafneigung, hatte ansonsten aber keine positiven Effekte, sondern verstärkte im Gegenteil sogar Verhaltensauffälligkeiten: Das Affektverhalten gemessen mittels Philadelphia Geriatric Centre Affect Rating Scale und das abweisende Verhalten gemessen mittels Multi Observational Scale for Elderly Subjects waren in der Gruppe, die nur Melatonin erhalten hatte, gesteigert.

Wenn Melatonin- und Lichttherapie dagegen kombiniert wurden, waren Affektverhalten und Agitiertheitszeichen verringert. Auch Schlafeffizienz und nächtliche Unruhe besserten sich bei einer kombinierten Therapie. Etablierte Angaben darüber, ob diese Veränderungen um einen bestimmten Punktwert auf den jeweiligen Skalen für den Patienten oder seine Betreuer tatsächlich eine relevante Verbesserung bedeuten, existieren nach Ansicht der Autoren allerdings nicht.


Signifikante Behandlungseffekte, gemessen anhand von Veränderungen um einen bestimmten Punktwert auf verschiedenen Skalen. Ob die gemessenen Veränderungen für den Patienten bzw. seinen Betreuer eine relevante Verbesserung bedeuten, bleibt offen.
Lichttherapie
Melatonin
Lichttherapie +
Melatonin
kognitive Fähigkeiten

(Mini-Mental-Status Test, Skala von 0 bis 30)
Abnahme um 0,9 Punkte verringert (95%-KI:
0,04 bis 0,71, p = 0,04)
kein Effekt
kein Effekt
depressive Symptome

(38-Punkte-Cornell-Skala für Depressionen bei
Demenz)
um 1,5 Punkte verbessert (95%-KI: 0,24 bis 2,70;
p = 0,02)
kein Effekt
kein Effekt
Verhaltensauffälligkeiten

(Philadelphia Geriatric Centre Affect Rating Skala, Multi Observational Scale for elderly subjects, Cohen-
Mansfield Agitation Index)
kein Effekt
Affektverhalten und
abweisendes Verhalten gesteigert
Affektverhalten und
Agitiertheitszeichen
reduziert
Verrichtungen des
täglichen Lebens
(gemessen mittels 58-Punkte-Skala für Pflegeberufe nach Katz et al.)
günstige Auswirkungen
kein Effekt
kein Effekt
Schlafverhalten
kein Effekt
Einschlafen verbessert, Schlafdauer verlängert
Schlafeffizienz und nächtliche Unruhe verbessert

Fazit

Antidementiva wie Cholinesterasehemmer haben zwar nachweislich einen positiven Einfluss auf die kognitiven Fähigkeiten bei Alzheimer Demenz. Dass sich mithilfe dieser Mittel auch neuropsychiatrische Begleitsymptome der Demenzerkrankung bessern lassen, konnte dagegen bisher in klinischen Studien nicht nachgewiesen werden. Da aber gerade diese Symptome für Patienten und Betreuer eine große Belastung darstellen, sind alternative Behandlungen zur Verbesserung der Lebensqualität von Demenzkranken (und der Belastung ihrer Betreuungspersonen) sehr wünschenswert. Die Hypothese, durch Synchronisierung des bei Demenzkranken häufig gestörten Tag-Nacht-Rhythmus mittels einer Licht- und Melatonintherapie Verbesserungen bei verschiedenen krankheitsbezogenen Symptomen zu erreichen, konnte in einer praxisnah durchgeführten Studie nur zum Teil bestätigt werden. Während eine alleinige Melatonin-Gabe insgesamt keine positiven Effekte hatte, zeigten sich beim kombinierten Einsatz von Licht und Melatonin immerhin positive Effekte bei einigen Verhaltensauffälligkeiten. Ob diese Ergebnisse den kombinierten Einsatz von Licht und Melatonin bei Heimbewohnern rechtfertigen, ist allerdings fraglich. Für die Anwendung von Melatonin bei Demenzkranken liegen bisher erst wenige Erkenntnisse vor, so dass erst entsprechende weitere Studien durchgeführt werden müssten. Eine alleinige Lichttherapie zeigte dagegen sowohl auf der Kognitionsskala und auch bei der Beurteilung depressiver Verstimmungen geringfügige Vorteile, deren klinische Relevanz zwar unklar ist, die aber durchaus im Bereich von pharmakologischen Interventionen liegen.


Quelle

Riemersma-van der Lek RF, et al.: Effect of bright light and melatonin on cognitive and noncognitive function in elderly residents of group care facilities. A randomized controlled trial. JAMA 2008; 299: 2642–2655.

Howard RJ, et al.: Donepezil for the treatment of agitation in Alzheimers disease. N Engl J Med 2007; 357: 1282–1392.


Apothekerin Dr. Birgit Schindler

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