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Die ersten studierten Apothekerinnen
Noch im Jahre 1895 war sich die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung sicher, dass die bis dato ausschließlich männlichen Apotheker nicht mit der "Möglichkeit rechnen müssen, dass die edle Weiblichkeit eines Tages die Hand auch nach Mörser und Waage ausstreckt". Deutschland war, was die Öffnung der Universitäten für Frauen anging, im Vergleich mit anderen europäischen Ländern zögerlich – und die Diskussion der "Frauenfrage" in der Apothekerschaft wurde weitgehend traditionalistisch-ablehnend geführt. Letztlich, so Karolien-Maria Reske in ihrer frisch veröffentlichten Dissertation, war nicht die Berufsvertretung, sondern Regierungskreise ausschlaggebend dafür, dass ab April 1899 Frauen zum Studium der Pharmazie zugelassen wurden. Inwieweit dazu die Tatsache beitrug, dass die Tochter des preußischen Kultusministers 1897 ihr Dispensierexamen als Apothekerdiakonissin bestand, ist nicht abschließend geklärt. Offiziell immatrikulieren konnten sich Frauen im preußischen Berlin sogar erst 1908.
Reske stützt sich in ihrer vielschichtigen Untersuchung für den Zeitraum 1908 bis 1937 u. a. auf Quellen aus dem Archiv der Humboldt-Universität Berlin und auf die entsprechenden Jahrgänge der Pharmazeutischen Zeitung, der Apotheker-Zeitung sowie des Zentralblatts für Pharmazie. Außerdem hat sie Interviews mit vier noch lebenden ehemaligen Berliner Pharmaziestudentinnen und einigen Nachfahren geführt und mehr als 50 schriftliche Fragebögen ausgewertet.
Ihre Analyse über den Wandel des Apothekerberufes von der Männerdomäne zu einem mehrheitlich von Frauen ausgeübten Beruf bleibt nicht auf Berlin beschränkt. Mit der Zunahme der Fertigarzneimittel entfiel zum einen der gerade für Männer attraktive Bereich der Herstellung, mit der Folge, dass viele männliche Pharmazeuten in die Industrie abwanderten, wo die Arbeitsbedingungen weniger hart und die Bezahlung besser waren. Frauen, denen in der Diskussion des ausgehenden 19. Jahrhunderts oft unterstellt wurde, für den Apothekerberuf schon körperlich nicht geeignet zu sein, konnten nun in der Apotheke durch ihre kommunikativen und organisatorischen Stärken punkten – und waren in der Regel billigere Arbeitskräfte als ihre männlichen Kollegen.
Reske beleuchtet auch die soziale Herkunft der Studentinnen, ihre spätere berufliche Laufbahn unter dem Aspekt der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sowie den wechselhaften politischen Einfluss während der drei Zeitabschnitte Kaiserzeit, Weimarer Republik und Nationalsozialismus. Je nach vorherrschender Anschauung und wirtschaftlicher Lage wurden Pharmaziestudium und Tätigkeit von Frauen in Apotheken gefördert oder auch erschwert, so z. B. durch das "Gesetz gegen die Überfüllung der deutschen Schulen und Hochschulen" von 1933, das den Anteil der weiblichen Studierenden auf maximal 10% begrenzte.
Wer sich an der Diskussion um die beruflichen und berufspolitischen Chancen von Frauen in Apotheken beteiligen will und dazu den Einfluss der historischen Entwicklung zur "Frauenbranche" nachvollziehen möchte, dem ist dieses Buch sehr zu empfehlen. Es enthält eine Fülle von zeitgenössischen Zitaten, spannende Erinnerungen der noch lebenden Pharmazeutinnen und zahlreiche Fotos und Dokumente. Als besondere Aspekte seien noch die Situation von Pharmaziestudentinnen jüdischer Konfession sowie die Vergleiche mit der Entwicklung im Medizinstudium genannt. 23 Lebensläufe Berliner Apothekerinnen runden die wissenschaftliche Arbeit ab und machen die zuvor dargestellten Fakten und Rahmenbedingungen noch anschaulicher.
Dr. Sigrid Joachimsthaler, Hamburg
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