Ernährung aktuell

Am Anfang muss Milch her!

Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Das gilt in Punkto Arzneimitteltherapie – und ebenso für die Ernährung. Je nach Alter haben Kinder ihre ganz besonderen Ansprüche und Bedürfnisse, was Essen und Trinken betrifft. In unserer neuen Miniserie "Basiswissen Kinderernährung" wollen wir diese Bedürfnisse ein wenig näher untersuchen. Den Anfang macht die Säuglingsernährung. Sie ist bezüglich der Lebensmittelauswahl noch ganz einfach: Milch, Milch und nochmal Milch. Dass diese Milch am besten von der Mama kommt, wie sie zusammengesetzt ist und welche Alternativen es gibt, falls Stillen nicht geht, erfahren Sie im folgenden Artikel.

Für die Ernährung eines gesunden Säuglings in den ersten Lebensmonaten ist Muttermilch die weitaus beste Nahrungsquelle. In ihrer Zusammensetzung an Energie, Wasser und Nährstoffen ist sie optimal an den Bedarf des Kindes angepasst. Zudem ist sie auf die Kapazität von Verdauung, Stoffwechsel und die Ausscheidung des Säuglings abgestimmt und schützt in den ersten Lebenswochen umfassend vor Infektionen. Aus ernährungsphysiologischer Sicht ist Muttermilch industriell hergestellter Formulanahrung überlegen, denn sie enthält nicht nur alle für das Kind essenziellen Nährstoffe, sondern auch in der Form, die im kindlichen Verdauungstrakt optimal ausgenutzt werden kann.

Stillens hat neben der optimalen Zusammensetzung der Nahrung noch weitere Vorteile: Das Kind kann jederzeit und überall problemlos Nahrung erhalten, die Mutter-Kind-Bindung wird unterstützt und gestillte Kinder werden seltener krank. Mütter können vom Stillen profitieren, da sich die Gebärmutter rascher zurückbildet, die postpartale Gewichtsabnahme erleichtert wird und sich das Risiko für Brust- und Eierstockkrebs reduziert [2; 3]. Nachteilig wirkt sich möglicherweise die zeitliche und körperliche Belastung auf die Stillende aus. Auch Kontaminanten aus der Umwelt sind bis heute in der Muttermilch enthalten, doch im ersten Lebenshalbjahr überwiegen eindeutig die Vorteile des Stillens [2]).

Stillen in Deutschland

Die Ergebnisse des im Jahr 2006 abgeschlossenen Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) haben gezeigt, dass die Stillhäufigkeit in Deutschland zugenommen hat. 76,7 Prozent der zwischen 1986 und 2005 geborenen Kinder wurden gestillt. Im Durchschnitt lag die Stilldauer bei 6,9 Monaten. Im Mittel wurden die Kinder 4,6 Monate vollgestillt. Die Empfehlung der Nationalen Stillkommission, einen Säugling in den ersten sechs Monaten voll zu stillen, wurde allerdings nur von 22,4 Prozent der Studienteilnehmer umgesetzt. Die Stillförderung sollte daher weiter ausgebaut werden. Gerade bei sozial benachteiligen Bevölkerungsgruppen besteht Handlungsbedarf [3]).

Saugen muss gelernt werden

Während des intrauterinen Wachstums wird die Nährstoffzufuhr des Kindes über den mütterlichen Kreislauf sowie die Plazenta geregelt. In den letzten Wochen der Schwangerschaft akkumuliert das Kind durch gezielten Plazentatransfer u. a. Immunglobuline, mehrfach ungesättigte langkettige Fettsäuren und Kohlenhydrate, die für die Hirnentwicklung sowie zahlreiche lebensnotwendige Funktionen wichtig sind. Das intrauterin angelegte Fettdepot umfasst eine Fettreserve von rund 5000 kcal; so ist es möglich, eine gestörte Nahrungszufuhr zu überbrücken, was von lebenswichtiger Bedeutung sein kann. Mit der Abnabelung endet die Nährstoffzufuhr über die Plazenta abrupt. Ein gesundes, reifes Neugeborenes ist auf die Umstellung zur oralen Nahrung sowohl funktionell als auch anatomisch vorbereitet. Es verfügt über den Warzensuchreflex sowie den Saug- und Schluckreflex, die den Zugang zur mütterlichen Brust und somit die Nahrungsaufnahme ermöglichen. Der Saugreiz stimuliert die mütterliche Prolaktin- und Oxytocinsekretion und passt den Milchfluss an den Nahrungsbedarf des Kindes an. Nach der ersten Lebenswoche werden bedarfsdeckende Trinkmengen erreicht. Bis zum 10. Lebenstag wird zudem die physiologische Gewichtsabnahme wieder ausgeglichen. Von nun an nehmen gesunde Säuglinge täglich zwischen 20 und 30 g zu und haben im sechsten Lebensmonat ihr Geburtsgewicht verdoppelt und am Ende des ersten Lebensjahres verdreifacht. Das Größenwachstum beträgt in diesem Zeitraum rund 24 cm.

Schon in den ersten Lebenstagen verfügt das Neugeborene über eine ausreichende digestive und resorptive Kapazität zur Verwertung der täglich aufgenommenen Milchmengen. Zu Beginn ist die Verdauung allerdings aufgrund der fehlenden Darmflora noch unvollständig und die Stühle inhomogen. Nach der ersten Lebenswoche entwickelt sich unter Muttermilchernährung eine charakteristische Dominanz von Bifidusbakterien im Darm. Da diese Milchzucker zu Essig- und Milchsäure abbauen, wird der pH-Wert im Dickdarm in den sauren Bereich gesenkt, wodurch das Wachstum von pathogenen Keimen der Begleitflora gehemmt wird [4].

Allgemein muss bei der Ernährung im Säuglingsalter beachtet werden, dass die Nieren und der Gastrointestinaltrakt physiologisch noch nicht ausgereift sind. Sowohl Verdauung als auch Absorption sind in diesem Alter noch nicht voll entwickelt. Auch das Immunsystem der Darmmukosa und die Darmflora muss sich nach der Geburt erst entwickeln [5].

Säuglinge brauchen viel Energie

Der Bedarf an Nahrungsenergie beträgt beim Säugling etwa 90 bis 120 kcal pro Kilogramm Körpergewicht (Tab. 1). Dies entspricht dem Drei- bis Vierfachen des Bedarfs eines Erwachsenen (30 bis 40 kcal). Durch den hohen Energiebedarf ist eine relativ hohe Zufuhr an Fett (40 bis 50 Prozent der Nahrungsenergie) notwendig. Um den recht hohen Bedarf an essenziellen Fettsäuren zu decken, wird eine Zufuhr von mindestens 45 Prozent der Nahrungsenergie empfohlen. Der Flüssigkeitsbedarf für Säuglinge ist ebenso hoch und beruht auf den höheren Verlusten über Lunge und Haut, dem höheren Grundumsatz und der geringeren Konzentrationsleistung der Nieren, die umso eingeschränkter ist, desto jünger der Säugling ist.

Die gemeinsame Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung sowie der Schweizer und Österreichischen Gesellschaften (D-A-CH) nennt eine Gesamtflüssigkeitszufuhr von 1,5 ml/kcal. Schulkindern und jungen Erwachsenen wird dagegen nur 1 ml/kcal empfohlen. Der Wert entspricht etwa einer Flüssigkeitszufuhr von 110 bis 130 ml/kg Körpergewicht. Ein drei Tage altes Kind hat demzufolge einen Flüssigkeitsbedarf, der zwischen 250 und 300 ml/d liegt, im Alter von drei Monaten liegt der Wert bei 750 bis 850 ml/d. Diese Zufuhrmenge erreichen in der Regel sowohl gestillte als auch mit künstlicher Säuglingsmilchnahrung ernährte Kinder. Kohlenhydrate sollten in der Säuglingsernährung anteilig ca. 45 Prozent der Nahrungsenergiezufuhr betragen.

Der Bedarf an Nahrungsprotein eines Säuglings ist im Vergleich zu einem Erwachsenen höher. Auch der Anteil an essenziellen Aminosäuren ist größer. Zu den essenziellen Aminosäuren zählen Isoleucin, Leucin, Lysin, Methionin, Phenylalanin, Threonin, Tryptophan, Valin und Histidin. Daneben scheinen auch Cystein und Tyrosin für Säuglinge unentbehrlich zu sein. Der Bedarf an Cystein wird angenommen, da bis zum vierten Lebensmonat die Entwicklung des hepatischen Enzyms Cystathionase, das als Schlüsselenzym für die Synthese von Cystein aus Methionin agiert, verzögert ist. Dagegen ist der Grund für den Tyrosinbedarf des Säuglings unklar, denn die Aktivität der Phenylalanin-Hydroxylase, die die Synthese von Tyrosin aus Phenylalanin katalysiert, ist bei der Geburt bereits nahezu ausgereift. Insgesamt begründet sich der relativ hohe Proteinbedarf eines Säuglings in den ersten Lebensmonaten mit ihrem raschen Wachstum. Über die Muttermilch erhalten voll gestillte Kinder 2 g Protein/100 kcal. An diesem Wert orientieren sich auch Formulanahrungen. Der Bedarf für das zweite Lebenshalbjahr wird mittels faktorieller Methode berechnet.

Im Hinblick auf Spurenelemente kann die Versorgung mit Eisen kritisch werden. Üblicherweise verfügt ein reifgeborener Säugling über eine Eisenspeicherkapazität, die eine ausreichende Versorgung in den ersten vier bis sechs Lebensmonaten gewährleistet. Frauenmilch enthält zwar weniger Eisen als industriell hergestellte Säuglingsmilchnahrung, doch bei voll gestillten Kindern ist ein Eisenmangel wesentlich seltener als bei nicht gestillten zu beobachten. Eine prophylaktische Eisenzufuhr sollten Kinder bei Blutverlusten, Absorptionsstörungen und im Falle einer Frühgeburt erhalten.

Vitamin D ist sowohl in Frauen- als auch in Kuhmilch nicht in ausreichender Menge enthalten, um den Bedarf des Kindes zu decken. Allen Säuglingen in Deutschland, unabhängig ob gestillt oder nicht gestillt, wird aufgrund der klimatischen Bedingungen eine zusätzliche Vitamin-D-Zufuhr (von 500 IE/d) in Form eines Präparats zur Rachitisprophylaxe empfohlen. Zusätzlich enthält diese Maßnahme meist eine Fluorsupplementierung von 0,25 mg/d. Vorbeugend gegen hämorrhagische Erkrankungen wird Neugeborenen direkt nach der Geburt 1 mg Vitamin K1 parenteral verabreicht. Neugeborene sind vor allem dann gefährdet, wenn die Ernährung nicht gleich nach der Geburt in ausreichendem Maß beginnen kann [5].

Tab. 1: Empfehlungen für die tägliche Zufuhr an Nahrungsenergie und ausgewählten Nährstoffen für Säuglinge (modifiziert nach D-A-CH, 2000).
Energie/ Nährstoffe
Säuglinge (m/w)
0 bis
< 1 Monat
1 bis
< 2 Monate
2 bis
< 4 Monate
4 bis
< 6 Monate
6 bis
12 Monate
Energie (kcal/kg)
94/ 91
94/ 91
94/ 91
90/ 91
90/ 91
Energie (kcal)
500/450
500/450
500/450
700
700
Fett (% der Energie)
45 – 50
45 – 50
45 – 50
35 – 45
35 – 45
Protein (g/kg/KG)
2,7
2,0
1,5
1,3
1,1
Vitamin C (mg)
50
50
55
55
55
Vitamin D (µg)
10
10
10
10
10
Calcium (mg)
220
220
220
400
400
Fe (mg)
0,5
0,5
0,5
8
8
Zn (mg)
1
1
1
2
2
Wasserzufuhr durch
Getränke (ml)
620
620
620
400
400
Wasserzufuhr durch feste Nahrung (ml)
500
500
Quelle: [5]

Muttermilch ist nicht gleich Muttermilch

Muttermilch verändert sich in ihrer Zusammensetzung. In den ersten drei Tagen nach der Geburt wird die Vormilch bzw. Kolostrum gebildet. Dabei handelt es sich um eine Art Sekret, das besonders hohe Konzentrationen an Abwehrstoffen aufweist. Am ersten Tag liegen die Milchmengen bei 50 ml, am zweiten Tag bei 100 ml. Oft reicht diese Menge nicht aus, um den hohen Energiebedarf des Neugeborenen zu decken. Eine Zufütterung von Glucose- bzw. Glucosepolymerlösungen ist in dieser Zeit dann möglich [5]. Allerdings sieht die Nationale Stillkommission keine Notwendigkeit einer Zufütterung von gestillten Neugeborenen ohne direkten medizinischen Grund, da auch die Milchsekretion in den ersten Lebenstagen an die jeweiligen Bedürfnisse und die Verdauungsleistung des Gastrointestinaltrakts des Kindes angepasst wird. Zudem können solche Zufütterungen die Neugeborenengelbsucht verstärken und die Stillrate herabsetzen [1].

Am dritten Tag wird Übergangsmilch, sog. transitorische Milch, gebildet und es kommt zum Milcheinschuss. Bis nach etwa zwei Wochen reife Frauenmilch gebildet wird, nehmen der Fett- und Kohlenhydratanteil und somit auch der Energiegehalt der transitorischen Milch zu. Gleichzeitig sinkt der Proteingehalt. Die gebildete Milchmenge nimmt ebenso zu und liegt am zehnten Lebenstag bei etwa 500 ml. Aber auch reife Milch ist in ihrer Zusammensetzung variabel [5].

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Milch für das Immunsystem

Ein Teil des Proteins in der Muttermilch hat keinen nutritiven Charakter, vielmehr handelt es um sekretorisches Immunglobulin A und Lactoferrin, das im Kolostrum etwa ein Viertel bzw. 15 Prozent des Proteins ausmacht. Auch andere Enzyme, lebende Zellen, Wachstumsfaktoren und Hormone zählen dazu [2] . Die Eigensynthese der nicht-proteinogenen Aminosäure Taurin ist beim Säugling noch nicht voll entwickelt, lässt sich aber in relativ hohen Konzentrationen in der Muttermilch finden. Taurin beeinflusst die Organentwicklung auf verschiedenen Ebenen und ist für die Fettverdauung relevant, sofern es an Gallensäuren konjugiert ist. Durch die Molkenproteine in der Frauenmilch wird der Säugling mit spezifischen und unspezifischen Faktoren der Immunabwehr versorgt, bis seine eigenen physiologischen Abwehrmechanismen ausgereift sind [5]. Über die wichtigsten Abwehrstoffe in der Frauenmilch gibt Tabelle 2 Auskunft. In Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass gestillte Kinder gegen infektiöse Erkrankungen des Verdauungstrakts, der Atemwege, des Mittelohrs, der Harnwege und der Hirnhäute besser als Flaschenkinder geschützt sind [2; 5]. Weiterhin begünstigt Stillen ein Darmmilieu, das das Wachstum von Lactobacillus bifidus fördert. Wie bereits beschrieben, spalten die Mikroorganismen Lactose, wodurch der pH-Wert ins schwach saure Milieu absinkt und die Infektabwehr des Kindes gestärkt wird. Neben Lactose besteht die Kohlenhydratfraktion in der Frauenmilch zu etwa 20 Prozent aus Oligosacchariden. Ein Teil von ihnen – jene, die aus N-Acetylglucosamin, Fucose, Glucose und Galacatose aufgebaut sind, dienen als Wachstumsfaktoren für Bifidusbakterien. Ein weiterer Vorteil von Frauenmilch ist der Schutz vor allergischen Erkrankungen. In den ersten Monaten nach der Geburt ist die Darmmukosa für natives Protein durchlässiger als im Erwachsenenalter. Gestillten Kindern wird nur arteigenes Protein zugeführt, so dass keine Immunreaktion ausgelöst wird. Säuglinge, die Flaschennahrung erhalten, absorbieren teilweise ungespalten artfremdes Protein, wodurch bei allergischer Veranlagung eine Sensibilisierung ausgelöst werden kann. Ein Beispiel dafür ist das Kuhmilchallergen β-Lactoglobulin. Insgesamt zählen Kuhmilchallergien zu den häufigsten Allergien in dieser Altersgruppe. Auch Linolsäure ist in der Muttermilch ein wichtiger Bestandteil. Die Fettsäure ist z.B. für die Myelinisierung und Entwicklung des Nervensystems von Bedeutung. Weiterhin wird Docosahexaensäure in großen Mengen im sich entwickelnden Gehirn und in der Retina akkumuliert. Für den Fettsäureabbau ist Carnitin von Bedeutung, das in bedarfsdeckenden Mengen enthalten ist [5]. Insgesamt ist der Gehalt an vielen Nährstoffen in der Frauenmilch unabhängig von der Ernährung der Mütter. Dies gilt allerdings nicht für Jod, Selen, Fluorid, Mangan, die Vitamine A, B2 , B6 , B12 und Pantothensäure. Besonders wichtig ist dieser Zusammenhang in Bezug auf den Vitamin B12 -Gehalt der Milch bei Frauen, die sich schon seit mehreren Jahren vegan ernähren und somit über keine oder unzureichende Vitamin-B12 -Speicher verfügen, denn ein Mangel beim voll gestillten Säugling kann zu schweren irreversiblen neurologischen Störungen führen [2].

Tab. 2: Die wichtigsten Abwehrstoffe in Frauenmilch (nach Wachtel 1994).
Abwehrstoffe
Funktionen
Sekretorisches Immunglobulin A (sIgA)
Wichtigstes Ig in Frauenmilch, wird im Gastrointestinaltrakt des Säuglings nur teilweise verdaut; verhindert, dass sich Antigene an der Darmwand festsetzen, beugt damit Infektionen vor
Lysozym (Muramidase)
Beschleunigt den normalerweise langsam verlaufenden Prozess der Auflösung von Zellwänden grampositiver und einiger gramnegativer Bakterien, wirkt dadurch bakteriostatisch
Lactoferrin
Bindet dreiwertiges Eisen und entzieht es dem Bakterienstoffwechsel, wirkt dadurch bakteriostatisch
Lactoperoxidase-System
Stark variable Gehalte, Unterstützung der Infektabwehr im Darm, möglicherweise außer im Darm auch in anderen Organen wirksam
Leukozyten
(zelluläre Komponente)
Phagozytose, zellgebundene Immunität
Produktion von Lysozym, Lactoferrin, Immunglobulinen u. a.
Quelle: [5]

Geringe Schadstoffbelastung

Im Hinblick auf Schadstoffe in der Muttermilch lässt sich erfreulicherweise sagen, dass die vom Kind aufgenommenen Rückstandsmengen nach derzeitigem Wissensstand keine gesundheitliche Beeinträchtigung darstellen. In den letzten Jahren sind aufgrund von zahlreichen Produktions- und Anwendungsverboten, technischen Maßnahmen zur Emissionsverminderung und weiterer Maßnahmen die Gehalte von unerwünschten Rückständen in der Muttermilch, etwa persistenten Organochlorverbindungen und Moschus Xylol, wesentlich herabgesetzt worden. Weitere Maßnahmen werden jedoch gefordert, um diesen Trend auch für andere Kontaminanten fortzusetzen [2].

Es geht auch mit der Flasche

Alternativ zur Muttermilch kann ein Säugling auch mit industriell hergestellter Säuglingsmilchnahrung ernährt werden, doch es gibt nur wenige Ausnahmen, in denen eine Mutter auf jeden Fall auf das Stillen verzichten sollte. Dazu gehören die HIV-Infektion, das Mammakarzinom und die Wochenbettpsychose. Weiterhin gibt es Situationen, in denen das Stillen für kurze Zeit unterbrochen werden muss. Generell sollte bei Stillschwierigkeiten – ehe vorzeitig abgestillt wird – professionelle Hilfe von einer Stillberaterin, Hebamme o. a. zu Rate gezogen werden [2].

Industriell hergestellte Säuglingsmilchnahrung wird überwiegend in Pulverform, selten auch fertig zubereitet in Einzelportionen, im Handel angeboten. Die Nährstoffzusammensetzung ist konstant und aus hygienischer Sicht einwandfrei. Dabei kann zwischen adaptierter und teiladaptierter Säuglingsmilchnahrung sowie Folgemilch unterschieden werden. In der Zusammensetzung richten sich diese Produkte nach der Diätverordnung des Lebensmittelgesetzes sowie den Empfehlungen wissenschaftlicher Gremien (Tab. 3). Dazu zählen die Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde, der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die European Society for Pediatric Gastroenterology and Nutrition. Für die Zubereitung kann sowohl Leitungswasser mit einem Nitratgehalt von maximal 50 mg/l oder Mineralwasser, das den Hinweis trägt "geeignet für Säuglingsnahrung" – hier liegt der Nitratgehalt bei maximal 10 mg/l – verwendet werden. Am besten ist adaptierte Säuglingsmilchnahrung an die Muttermilch angeglichen: die Ausgangsstoffe sind entsalztes Molkenproteinpulver, Lactose, Milchfett, pflanzliche Öle sowie Vitamin- und Mineralstoffmischungen. Teiladaptierte Säuglingsmilchnahrung darf neben Lactose auch einige Mono-, Di- und Polysaccharide enthalten, wobei häufig eine Mischung aus Lactose, Saccharose und Stärkemehl eingesetzt wird. Dagegen sind Folgemilchnahrungen weniger an die Muttermilch angenäherte Produkte. Da sie einen hohen Gehalt an Proteinen und Mineralstoffen aufweisen, sollten sie frühestens ab dem fünften Lebensmonat gefüttert werden. Die ersten beiden Produktgruppen werden unter dem Begriff Säuglingsanfangsnahrung geführt, wobei adaptierte Säuglingsnahrung den Zusatz "Pre" und teiladaptierte Produkte die Ziffer 1 erhalten. Folgemilch trägt die Ziffer 2 oder 3. Gilt ein Säugling als allergieanfällig, kann man auf hypoallergene Säuglingsmilchnahrung zurückgreifen. Bei ihr besteht der Proteinanteil aus hydrolysiertem Molkenprotein und ist somit allergenreduziert [5].

Tab. 3: Anforderungen an adaptierte und teiladaptierte Säuglingsmilchnahrungen, Mengen pro 100 ml Milch (Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde, Ernährungskommission).
Inhaltsstoff
adaptiert
teiladaptiert
Protein
1,2 –1,9 g
1,2 –1,9 g
Fett
3,3 – 3,8 g
3,3 – 3,8 g
Kohlenhydrate
nur Lactose
verschiedene
Asche
bis 0,40 g
bis 0,40 g
Energiegehalt
67 – 72 kcal
(280 – 300 kJ)
67 – 72 kcal
(280 – 300 kJ)
Quelle: [5]

Bitte keine Kuhmilch

Keine andere Säugetiermilch entspricht der Zusammensetzung von Frauenmilch. So hat Kuhmilch einen dreimal so hohen Eiweiß- und niedrigeren Kohlenhydratgehalt (Tab. 4). Stutenmilch ist energieärmer; sie hat zwar einen geringeren Proteingehalt als Kuhmilch, doch der Fettanteil ist sehr hoch. Auch Ziegenmilch eignet sich nicht zur Fütterung von Säuglingen wegen des hohen Proteingehalts und einem zu geringen Anteil an Kohlenhydraten und Folsäure. Insgesamt unterscheiden sich die Proteine der verschiedenen Milchen auch in ihrer Feinstruktur von der Muttermilch, so dass diese Nahrungsquellen eher geeignet sind, Allergien zu induzieren [2]. Das Forschungsinstitut für Kinderernährung (FKE) weist somit auch darauf hin, dass die Selbstherstellung von Säuglingsmilch aus hygienischen und ernährungsphysiologischen Gründen nicht empfehlenswert ist. Zudem sind vegetarische Milchnahrungen wie Reis- oder Mandelmilch keinesfalls für Säuglinge geeignet, da sie den ernährungsphysiologischen Bedürfnissen nicht entsprechen und zum Teil schon zu schweren Gedeihstörungen geführt haben [6].


Tab. 4: Mittlere Gehalte wichtiger Nährstoffe in reifer Frauenmilch und in Kuhmilch (Souci et al. 2000).
Inhaltsstoff
Muttermilch
Kuhmilch
Energie (kcal/100 g)
69
66
Energie (kJ/100 g)
288
276
Wasser (%)
87,5
87,5
Protein (%)
1,13
3,5
Fett (%)
4,0
3,8
Verfügbare Kohlenhydrate (%)
7,0
4,54
Mineralien (%)
0,21
0,74
Der höhere Wert ist fett hervorgehoben (modifiziert K. Aue)
Quelle: [5]

Literatur

[1] Nationale Stillkommission www.bfr.bund.de

[2] BZgA (Hrsg): Stillen und Muttermilchernährung – Grundlagen, Erfahrungen und Empfehlungen. Gesundheitsförderung Konkret Band 3, Köln, 2001.

[3] Lange, C., Schenk, L., Bergmann, R.: Verbreitung, Dauer und zeitlicher Trend des Stillens in Deutschland. Ergebnisse des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGS). Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz 5/6, 624 – 633, 2007.

[4] Biesalski H.-K.; Fürst, P; Kasper, H.; Kluthe, R.; Pölert, W.; Puchstein, C.; Stähelin, B. (Hrsg.): Ernährungsmedizin. Thieme, Stuttgart 3., erweiterte Auflage, 2004.

[5] Elmadfa I, Leitzmann, C: Ernährung des Menschen. 4., korrigierte und aktualisierte Auflage. Verlag Eugen Ulmer Stuttgart, 2004.

[6] Forschungsinstitut für Kinderernährung (Dortmund): www.fke-do.de


Katja Aue

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