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- DAZ 45/2008
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Der neue Apothekenmarkt
Der Markt steht nicht still, auch der Apothekenmarkt nicht. Das alles entscheidende Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Fremd- und Mehrbesitzverbot kommt zwar erst im nächsten Jahr, doch das Karussell der Ideen, Konzepte, Aktivitäten im Apothekenmarkt dreht sich so rasant wie noch nie. Die im Gesundheitsmarkt generierten Milliardenumsätze und der deutliche Trend "Gesundheit als Wachstumsmarkt" – diese beiden Parameter sind einfach zu verlockend als dass hier Ruhe einkehren könnte. Eine zweitägige Konferenz mit dem Titel "Apothekenmarkt 2009" des Veranstalters Euroforum brachte die unterschiedlichsten Bereiche aus dem Gesundheits- und Apothekenwesen zusammen, z. B. innovative Apotheker, Industrie, Großhandel, Krankenkassen, Berater, Verbände, Anwälte und Politiker (siehe Bericht auf Seite 17).
Die CDU, so war dort zu hören, will sich zwar weiterhin für ein Verbot von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln im Versandhandel stark machen und den Antrag von Bayern und Sachsen unterstützen. Doch so schnell dürfte dieser Antrag wohl nicht auf die Tagesordnung des Bundesrates kommen. Auf dem Forum schien kaum jemand noch daran zu glauben, dass diese Anträge von Erfolg gekrönt sein werden. Die Versandapotheken bauen munter ihr Geschäft aus – das schafft Besitzstände. Selbst die niederländische Europa-Apotheek, die in dm-Märkten die PharmaPunkt genannten Pick-up-Stellen unterhält, zeigt sich unbeeindruckt von solchen politischen Intentionen. Derzeit betreibt sie bereits in 208 dm-Filialen eine Abholstelle (siehe auch Beitrag auf Seite 62). Ziel ist es, in kurzer Zeit in 900 von den 1000 dm-Filialen präsent zu sein. Das schafft Fakten. DocMorris baut sein Franchisesystem gezielt weiter aus und nimmt heute bereits für sich in Anspruch, eher ein Edel-Discounter mit viel Beratung und Service zu sein, der zwar noch das günstige Image hat, aber eigentlich nicht mehr zu den billigsten Anbietern gehört. Auch die easyApotheken werden ihr Nischenkonzept weiterfahren: Sie sind stolz darauf, als Discount-Apotheken mit Billig-Einrichtung wahrgenommen zu werden, ohne Zugaben und ohne Kundenzeitschriften. Mittlerweile laufen 24 Apotheken unter dieser grün-blauen Flagge. Ende nächsten Jahres sollen es 100 sein. Schenkt man den Ankündigungen Glauben, wollen sie allerdings keine Kette werden – im Gegensatz zu DocMorris: "Wir wollen Ketten aufbauen", ließ der DocMorris-Versandhandelsvorstand wissen.
Für die inhabergeführte Apotheke und gegen den ausländischen Versandhandel kämpft die Apothekerfamilie Winterfeld im Großraum Bergisches Land mit einem eigenwilligen, nicht unumstrittenen Konzept: die Rezeptsammelstelle in der Apotheke. Statt sich über Europa-Apotheek und DocMorris zu ärgern, eröffnete man im niederländischen Dinxperlo eine eigene Versandapotheke. Von dort werden die Winterfeldschen Apotheken mit deutschen Arzneimitteln aus den Niederlanden beliefert, wenn denn der Kunde einen Versandauftrag erteilt hat. Der Sinn: Für diese importierten Arzneimittel gilt die deutsche Arzneimittelpreisverordnung nicht. Sie können mit ähnlichen Konditionen angeboten werden wie es die anderen ausländischen Versender tun. Der Kunde muss lediglich 24 Stunden Wartezeit in Kauf nehmen und am nächsten Tag seine Arzneimittel abholen. Die Wettbewerbszentrale beobachtet das Geschäftsmodell argwöhnisch.
Ein Münchner Apotheker versucht sich mit Bienen-Premium-Apotheken seine Unabhängigkeit zu bewahren. Sein System, wohl eine Art Franchisekonzept, stützt sich auf (ihm bekannte) Apothekerinnen und Apotheker, die wie er auf das eingängige Logo der Biene setzen wollen. Seine eigene Apobee-GmbH stellt den Bienen-Apotheken Dienstleistungen zur Verfügung, angeschlossen ist ein Apobee-Großhandel. Woher das Geld kommt, blieb offen.
Die Kooperation parmapharm mit den Gesund-ist-bunt-Apotheken geht den Weg der Eigenmarken mit Zusatznutzen. Produziert werden die eigenen Generikamarken von einer eigens gegründeten GmbH, an der wiederum drei Unternehmen beteiligt sind.
Veränderungen wünscht auch der Großhandel. Er strebt ein anderes Vergütungssystem an, nämlich mit Fixzuschlag und prozentualem Aufschlag. Da dürfte kaum noch Spielraum bleiben, um den Apotheken finanzielle Vorteile zu geben; die noch heute gewährten Rabatte für Apotheken dürften wohl purzeln.
Die Krankenkassen haben dazu gelernt und exerzieren das System der Rabattverträge eisern weiter – der Stress mit Rabattarzneimitteln und Retaxationen wird demnach nicht so schnell verschwinden (siehe auch Bericht auf Seite 20).
Mein Fazit: Der neue Apothekenmarkt wird vielfältiger und bunter werden. Aber die inhabergeführte Apotheke hat hervorragende Chancen. Das Besondere, das Individuelle wird übers Überleben entscheiden und das, was der Kunde will – nicht was wir wollen.
Peter Ditzel
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