Aus der Hochschule

In Hamburg geht es weiter

Das Pharmazeutische Institut an der Universität Hamburg wird mit seiner mittlerweile halbierten Zahl an Studienplätzen bestehen bleiben. Dies war die wichtigste Botschaft beim Hamburger Tag der Pharmazie am 5. November. Die Verabschiedung von Prof. Dr. Detlef Geffken wurde daher nicht mehr durch die Sorge um das Fortbestehen des Instituts belastet.
Detlef Geffken

Bereits beim vorigen Hamburger Tag der Pharmazie im Dezember 2005 war die kurz zuvor erfolgte Neuberufung von Prof. Dr. Claudia Leopold auf den Technologie-Lehrstuhl als Zeichen für das Fortbestehen des Hamburger Pharmaziestandortes gewertet worden. Noch Ende 2007 war dies erneut in Frage gestellt worden, wie Prof. Dr. Chris Meier, Leiter des Departments Chemie, bestätigte. Doch nun sei die Entscheidung für das weitere Bestehen mit der halbierten Studienplatzzahl gefallen. Die Pharmazie muss künftig Ziel-Leistungs-Vereinbarungen eingehen und sich stärker vernetzen, erklärte Meier. Dafür biete sich besonders der in Hamburg neu geschaffene Forschungsschwerpunkt Infektionen an. Für die Pharmazie als Studienfach würden die gute Studienorganisation, die hohe Nachfrage, die geringe Abbrecherquote, der gute Übergang in den Beruf, der hohe Frauenanteil und die Krisensicherheit des Berufes sprechen. Allerdings werde sich das Berufsbild des Apothekers durch Entwicklungen wie den Arzneimittelversandhandel ändern, erwartet Meier.

Heitere Verabschiedung

Zur Neubesetzung des Lehrstuhls Pharmazeutische Chemie wurde bereits eine Berufungskommission eingerichtet. Bis zum Amtsantritt eines Nachfolgers wird Prof. Geffken, der im Oktober in den Ruhestand ging, weiterhin vertretungsweise Vorlesungen halten. Die feierliche Verabschiedung bezog sich damit nur auf seine Entpflichtung von den Verwaltungsaufgaben und konnte daher in heiterer Stimmung stattfinden. So veranstalteten Mitglieder aus Geffkens Arbeitskreis einen "langen Marsch durch die Institute" in Form eines Quizspiels.

Dr. Thomas Meyer, ein ehemaliger Doktorand Geffkens, erinnerte an dessen wichtigste Lebensstationen. Geboren in Rostock und aufgewachsen in Bremerhaven, interessierte er sich schon früh für Musik, Sport und die Natur. Auf das Apothekenpraktikum in Bremerhaven folgten das Pharmaziestudium in Braunschweig, Hochzeit und Familiengründung und die Promotion bei Prof. Dr. Gerwald Zinner. Nach der 1980 erfolgten Habilitation lehrte und forschte Geffken zunächst für kurze Zeit in Hamburg, dann in Bonn und seit 1988 wieder in Hamburg, wo er als langjähriger geschäftsführender Direktor des Pharmazeutischen Instituts besonders mit der Diskussion über den Fortbestand des Instituts und den langen Umbauarbeiten beschäftigt war. Er habe stets in bester wissenschaftlicher Tradition die Liebe zur Erkenntnis in allen Richtungen gezeigt. Das von ihm synthetisierte Famoxadon erwies sich bald als biologisch gut und schnell abbaubares Fungizid. So kann Geffken auf ein höchst erfolgreiches Produkt seiner Arbeit verweisen, das insbesondere vielen Menschen in Entwicklungsländern bei der Sicherung ihrer Ernte hilft.

Glaube und Vernunft

Mit Blick auf Geffkens breites Interessenspektrum war auch das Vortragsprogramm inhaltlich breit angelegt, beginnend mit einem theologisch-philosophischen Thema. Der Theologe und Erziehungswissenschaftler Prof. em. Dr. Fulbert Steffensky, Hamburg, ging den Fragen nach, inwieweit der Glaube auf eine skeptische Vernunft angewiesen ist und inwieweit die Vernunft wiederum den Glauben benötigt. Kritisches Fragen sei nötig, um dem Glauben die Einmaligkeit zu nehmen. Es sei eine Grundgefahr religiöser Systeme, sich selbst als allein seligmachend zu sehen. Doch "Pluralität ist eine Grundbedingung der menschlichen Existenz", so Steffensky. Umgekehrt müsse aber auch die Vernunft relativiert werden: "Verzweckte Vernunft ist krank und braucht Heilung", so Steffensky. Mit technischen Mitteln werde der Mensch immer mehr zum Herren der Natur, der Zeit und ihrer Rhythmen. Doch er brauche mehr als sich selbst und planbare Ereignisse, nämlich die Zugehörigkeit zu einem großen Ganzen. Der Glaube könne die Menschen an das Zuhören, Warten und Schweigen erinnern. Zudem sei Bildung nötig, die mehr als das Aneignen von Faktenwissen, sondern ein Umgang mit den Erfahrungen der Toten ist. Doch die Bildungsinstitutionen, die Erfahrungen aus der Vergangenheit bewahren, würden zunehmend zerfallen.

Frühe Anerkennung der Apotheker

Der Pharmaziehistoriker Prof. i. R. Dr. Fritz Krafft, Marburg, beschäftigte sich mit künstlerischen Darstellungen des Motivs "Christus als Apotheker" und zeigte dessen Ursprung im frühen 17. Jahrhundert auf. Es geht auf Luther zurück, der die Bibel nicht immer wörtlich übersetzt hat, sondern die Sprache und Begriffe seiner Zeit nutzte und dabei den Apotheker in die Bibel einführte. Bilder protestantischer Künstler zeigen Christus bei pharmazeutischen Tätigkeiten, doch die ihn umgebenden Arzneien sind Heilsbringer wie Glaube, Liebe und Hoffnung, die ohne Bezahlung "abgegeben" wurden. Demnach vergibt Gott den Menschen ihre Sünden allein aus göttlicher Gnade und unabhängig von guten Werken oder Ablässen, womit das Motiv Luthers Rechtfertigungslehre widerspiegelt.

Im Zuge der Gegenreformation entstanden auch in katholischen Regionen viele Darstellungen von Christus als Apotheker. Darin finden sich jedoch keine Arzneimittel und kaum Analogien zur Arzneibereitung. Die Waage ohne Gewichte ist dort ein Symbol für Gerechtigkeit oder das Jüngste Gericht.

Darstellungen von Christus als Apotheker setzen eine große gesellschaftliche Anerkennung des Berufs voraus, die auf seiner wissenschaftlichen Aufwertung beruhte. Landgraf Philipp von Hessen gründete 1609 in Marburg die erste Professur für Chemiatrie, wobei die Studenten auch praktische Übungen in einem Labor durchführten. Dies war zunächst sehr erfolgreich, wurde aber wegen des Dreißigjährigen Krieges nicht fortgeführt. Daher habe in den Apotheken weiterhin Krämergeist und Ignoranz gegenüber neuen chemisch definierten Arzneistoffen geherrscht, sodass die wissenschaftliche Pharmazie erst im 18. Jahrhundert einen neuen Anlauf nehmen konnte. Nach Einschätzung von Krafft kann die hohe Wertschätzung für den Apothekerberuf auf der Grundlage seiner wissenschaftlichen Aufwertung auch als Vorbild für die heutige Zeit dienen.

Unerwartete Mechanismen

Dr. Thomas Lauterbach, Monheim, der bei Geffken promoviert wurde, erläuterte die Etablierung einer neuen Substanzklasse am Beispiel des Antiepileptikums Lacosamid (Vimpat®). Das Arzneimittel, das in Europa bereits im Handel ist und kürzlich auch in den USA zugelassen wurde, ist für diejenigen Epileptiker vorgesehen, die anders nicht ausreichend behandelt werden können. Etwa die Hälfte aller Epileptiker kann mit einem einzigen herkömmlichen Arzneimittel und ein weiteres Viertel mit zwei Arzneimitteln ausreichend behandelt werden. Für die übrigen Patienten bietet sich Lacosamid an. In einer Studie an über 1200 Patienten, die bereits ein bis drei Antiepileptika erhielten, senkte die zusätzliche Gabe von täglich 200 bzw. 400 mg Lacosamid die Anfallshäufigkeit um 26 bzw. 39 Prozent. Die Substanz hat eine Halbwertszeit von 13 Stunden und zeigt nach Darstellung von Lauterbach keine Wechselwirkungen mit anderen Antikonvulsiva.

Epileptische Anfälle entstehen durch ein Ungleichgewicht zwischen inhibitorischen und exzitatorischen Einflüssen auf Zellen. Antiepileptika erhöhen an unterschiedlichen Zielstrukturen die inhibitorischen Effekte. Bei der Suche nach dem Wirkungsmechanismus für Lacosamid wurde zunächst keine Bindung an bekannte Rezeptoren anderer Antiepileptika gefunden. Dann stellte sich heraus, dass Natriumkanäle auf mindestens zwei Wegen inaktiviert werden. Nach einer Erregung führt der bisher bekannte Weg schnell zur Inaktivierung, sodass der Kanal vorläufig nicht mehr erregbar ist. Daneben gibt es eine langsame Inaktivierung, die erst nach einigen Erregungspotenzialen wirkt und die Lauterbach als natürlichen Schutzmechanismus gegen Epilepsien betrachtet. Außerdem wird inzwischen diskutiert, ob Lacosamid auch über eine Bindung an das Collapsin-Response-Mediator-Protein-2 wirkt, das an der neuronalen Differenzierung beteiligt ist.

Die ursprüngliche Hypothese, dass Lacosamid eine Transportform für die Aminosäure D-Serin sei, hat sich dagegen nicht bestätigt. Damit sei Lacosamid ein gutes Beispiel dafür, dass ein ursprünglich rationaler Ansatz für die Konzeption eines neuen Arzneistoffes sich ganz anders entwickeln kann, wobei auch Zufälle eine Rolle spielen. Lauterbach hält es für gefährlich, Arzneimittel allein aufgrund ihrer selektiven Bindung an bestimmte Rezeptoren zu entwickeln. "Dahinter steckt die Illusion, ihre Wirkung zu verstehen. Die Erklärungen sind aber nur Modelle, die Wirklichkeit ist viel komplexer," so Lauterbach.

Erfolgsgeschichte von NO

Prof. Dr. Jochen Lehmann, Jena, zeichnete die Geschichte der NO-Donatoren nach, die Mitte des 19. Jahrhunderts mit deren Verwendung als Sprengstoffe begann. Glyceroltrinitrat wurde bereits 1847 therapeutisch genutzt, der Wirkungsmechanismus wurde aber erst in den 1990er-Jahren aufgeklärt. Das Stickstoffmonoxid-Radikal wurde als der zuvor postulierte Endothelium-derived Relaxing Factor erkannt. Später wurden "unzählige" NO-vermittelte Effekte gefunden und diverse NO-Donatoren entwickelt. Relativ neu und meist besonders potent seien Diazeniumdiolate, die auch als "festes NO" bezeichnet werden.

Eine Herausforderung für die praktische Therapie ist die schnelle Toleranzentwicklung beim Einsatz vieler Nitrate. Bei Pentaerythrityltetranitrat wird dieser Effekt nicht oder nur in geringem Maße beobachtet. Zukunftsperspektiven für NO-Donatoren sieht Lehmann besonders in der Entwicklung von NO-Donator-Hybriden, bei denen ein Hybridpartner den Effekt des anderen Teils kompensiert oder verstärkt. So habe ein Hybrid mit Naproxen die Magenschädigung vermindert und ein Hybrid mit Ketoconazol die antifungale Wirkung verstärkt.


tmb

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