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Viel Ärger mit Rabattverträgen und Retaxationen

WARNEMÜNDE (ks). In den deutschen Apotheken sorgt derzeit vieles für Probleme und Verunsicherung. Bei der Mitgliederversammlung des Apothekerverbands Mecklenburg-Vorpommern am 5. November in Rostock-Warnemünde standen unter anderem die Rabattverträge, Retaxationen und Aut-idem-Probleme zur Diskussion. Ulrich Dietz, Referatsleiter Arzneimittelversorgung im Bundesgesundheitsministerium (BMG), war auch in diesem Jahr als Redner und Diskutant mit von der Partie.

Der Verbandsvorsitzende Axel Pudimat erläuterte eingangs, wo die Apotheker der Schuh drückt: "Das beginnt bei der Arzneimittelsicherheit und endet bei den Zuzahlungsregelungen". So häuften sich etwa Warnungen vor dubiosen Versandapotheken und gefälschten Arzneimittel. Holländischen Versandapotheken warf Pudimat vor, sinnvolle Steuerungsinstrumente ins Gegenteil zu verkehren, wenn sie Patienten auch bei hochpreisigen Arzneien fünf Euro schenkten. Aus seiner Sicht muss die Arzneimittelversorgung vor der schrankenlosen Marktwirtschaft geschützt werden. "Was bei ungezügelter Herrschaft von Konzernen herauskommt, sehen wir jetzt im Finanzsystem", warnte er.

Ärger mit Retaxationen

Das in der Apothekenpraxis beherrschende Thema ist jedoch noch immer die Umsetzung der Rabattverträge. Besondere Probleme verursachten hier einerseits unvollkommene und auslegungsfähige Festlegungen zur Austauschpflicht, andererseits die schlechte oder fehlende Patienteninformation. Darüber hinaus appellierte Pudimat an das BMG, dafür zu sorgen, "dass die unsägliche Retaxationspraxis so schnell wie möglich aufhört". Allein in der Geschäftsstelle des Apothekerverbandes Mecklenburg-Vorpommern seien in den vergangenen zwölf Monaten 1620 Retaxationen eingegangen. Als besonders problematisch schilderte der Verbandsvorsitzende die Retaxationpraxis der DAK. Sie erkenne es etwa nicht an, wenn der Arzt ein ausgedrucktes Rezept handschriftlich konkretisiert – etwa um einen Hinweis zur Packungsgröße oder Anwendung – und dies nicht mit Datum und Unterschrift versieht. Das gleiche gelte für dokumentierte telefonische Einigungen zwischen Arzt und Apotheker. Die Apotheker seien bereit, ihren Beitrag zu leisten, betonte Pudimat, aber nicht wenn sie für diese nervenaufreibende Arbeit auch noch bestraft würden. Er führte eine Reihe von praktischen Beispielen aus dem Apothekenalltag auf, die zeigten, dass "Zeit, Geld und Nerven" gefordert sind. "Dass wir dann eine angemessene Vergütung fordern, sollte niemanden wundern", so Pudimat. Hoffnung besteht nun, dass der Kassenabschlag auf 1,70 Euro abgesenkt wird – doch hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.

Kassenrabatt – Stirnrunzeln in der Politik

Hinsichtlich der von den Apothekern geforderten Absenkung des Kassenrabatts zeigte sich der BMG-Vertreter skeptisch. Die Gesundheitspolitiker der Großen Koalition reagierten auf dieses Ansinnen mit "großem Stirnrunzeln", erklärte Dietz. Er gab zu bedenken, unter welchen Umständen im vergangenen Jahr die Einigung auf den Rabatt von 2,30 Euro gefunden wurde: die Erhöhung sorgte dafür, dass die im GKV-Modernisierungsgesetz zunächst geplante Haftung der Apotheker für Einsparungen aus Rabattverträgen gestrichen wurde. Die Politiker in Berlin erwarteten, dass Kassen und Apotheker nun zu einem "finanzneutralen Gesamtpaket" finden, so Dietz. Was die Rabattverträge betrifft, erklärte er, dass mittlerweile einige Blockaden beseitigt wurden. So sei nun klargestellt, dass das Vergaberecht Anwendung finde. Damit seien Rabattverträge als öffentliche Aufträge zu qualifizieren, die ausgeschrieben werden müssen – außer es handelt sich um Verträge über "Solisten". Der Preis des Vergaberechts sei allerdings, dass pro Los nur noch ein Anbieter den Zuschlag erhält: "Das AOK-Modell gilt nun GKV-weit", betonte Dietz. Sortimentsverträge seien dagegen unter den neuen Bedingungen "absolut unzulässig und tot". Künftig sieht Dietz auch zunehmend Rabattverträge für patentgeschützte Arzneimittel kommen. Hier müsse der Arzt dann das Rabattarzneimittel ausdrücklich verordnen, aut idem sei hier nicht möglich. Hinsichtlich der bestehenden Aut-idem-Probleme bei Rabattverträgen bekräftigte er, dass eine "glasklare Regelung" nötig sei, damit Krankenkassen nicht "fadenscheinig" Null-Retaxationen vornehmen können. Hier müsste auch der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) für Klarstellungen sorgen – doch der habe offenbar "die Lust verloren". Wenn hier in der nächsten Wahlperiode nichts erreicht werde, müsse man gegebenenfalls gesetzlich nachbessern, so der BMG-Vertreter.

Perspektiven für Apotheker

Insgesamt zollte Dietz den Apothekern und ihren Verbänden Respekt für das, was sie in den vergangenen zwei Jahren in der neuen Vertragslandschaft geleistet haben. Auch ihre Zukunft sieht er nicht düster. So werde man über darüber nachdenken, die gesetzlichen Möglichkeiten für ein Medikationsmanagement zu schaffen – er persönlich würde dies begrüßen. Was das anstehende Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Fremd- und Mehrbesitzverbot betrifft, sieht Dietz "gute Chancen, dass wir unser System halten". Zugleich machte er deutlich, dass die Einführung von Ketten nicht das Ende der inhabergeführten Apotheke bedeuten müsse. So seien Apothekenketten beispielsweise in der Schweiz, in Portugal und den Niederlanden erlaubt, jedoch kaum vorhanden. Dietz riet den Apothekern, sich auch weiterhin auf ihre Kernkompetenz – die pharmazeutische Dienstleistung – zu konzentrieren. Dies funktioniere bereits seit 2004 gut. Für die Zukunft kann er es sich zudem vorstellen, dass Apotheker weitere Aufgaben zur Basisversorgung chronisch Kranker übernehmen können – dies nicht zuletzt im Hinblick auf den bevorstehenden Ärztemangel.

AOK auf Schmusekurs

Dass die Zusammenarbeit zwischen einer Krankenkasse und den Apothekern auch gut funktionieren kann, betonte Michael Hewelt, Fachbereichsleiter Ambulante Versorgung der AOK Mecklenburg-Vorpommern. So habe man etwa im Bereich der Zytostatika im Land eine Lösung über Einzelverträge gefunden. Zugleich räumte er ein, dass die bundesweiten AOK-Rabattverträge für schwierige Zeiten sorgen – doch immerhin habe die AOK bislang keine Retaxationen gegenüber Apothekern vorgenommen. Im kommenden Jahr, wenn es für die bundesweiten AOK-Verträge nur noch einen Vertragspartner pro Wirkstoff und Gebietslos geben wird, werde es sicherlich erneut zu Problemen kommen. Doch Hewelt ist sicher, dass auch 2009 keine Retaxationen zu befürchten sind: "Versuchen Sie, die Verträge so gut wie möglich umzusetzen, dann sind wir die letzten, die Sie köpfen werden." Für die Zukunft schwebt der AOK Mecklenburg-Vorpommern vor, Apotheker noch stärker in ihre Vertragsmodelle einzubeziehen. Sie sollen Ärzten als Kooperationspartner beiseite stehen, ihre Verordnungen auf Ungleichmäßigkeiten und Auffälligkeiten durchforsten. Nicht zuletzt machte Hewelt deutlich, dass der Versandhandel für seine AOK "nie Thema" gewesen sei. Ihr Bestreben sei es, die vorhandenen Strukturen in der Region zu nutzen. "Sie bringen die Qualität vor Ort mit – das kann die Versandapotheke nicht".

Probleme der EDV

Einen Überblick über die gegenwärtigen Aut-idem- und Rabattvertrags-Probleme auf EDV-Ebene gab Lutz Boden von der ABDATA-Redaktion. Er zeigte auf, welche Schwierigkeiten von der Software gemeistert werden können und wo sie an ihre Grenzen stößt. Erkannt werde beispielsweise, dass Eryhexal TSA 100 ml und Infectomycin TSA 100 ml nicht substituiert werden können. Zwar enthalten beide Antibiotika die gleiche Menge Erythromycin – den Unterschied macht jedoch das verwendete Salz, das nach der vom G-BA beschlossenen Anlage 5 der Arzneimittelrichtlinien nicht austauschfähig ist. Probleme macht der Software dagegen eine unterschiedliche Dosierung gleicher Wirkstoffe. Zwar werde beispielsweise noch erkannt, dass 1 ml Paspertin- und MCP-1A-Pharma-Tropfen jeweils 3,6 mg Metoclopramid enthalten und damit austauschbar sind – auch wenn diese Menge einmal mit zwölf und einmal mit 16 Tropfen erreicht wird. Unter den Tisch fällt dagegen Gastrosil, weil hier 1 ml 5,1 mg Metoclopramid enthält. Mit einer entsprechenden Dosierungsanpassung wäre im Grunde aber auch hier eine Austauschbarkeit gegeben. Ein weiterer noch zu lösender Konflikt zeigt sich bei Clopidogrel. So sind das Original Plavix und das Generikum Clopidogrel-Hexal nach den Vorgaben des G-BA hinsichtlich ihrer – unterschiedlichen – Salze noch austauschbar. Anders ist dies hinsichtlich der Indikation, denn Plavix ist für die Prävention atherothrombotischer Ereignisse bei zwei weiteren Patientengruppen zugelassen als das Generikum. Das bedeutet: Das Generikum kann zwar gegen das Original ausgetauscht werden, umgekehrt ist die Substitution jedoch nicht möglich. "Das dürfen wir nicht ignorieren, sonst zöge uns der Hersteller juristisch zur Rechenschaft", betonte Boden. Die derzeit laufende Werbeanzeige des Plavix-Herstellers Sanofi-Aventis, in der es heißt, Plavix-Verordnungen ohne Kenntnis der zugrundliegenden Indikation dürften vom Apotheker nicht substituiert werden, schaffe "weniger Aufklärung denn Verwirrung". Mitnichten sei der Apotheker gehalten, sich nach der Indikation zu erkundigen, so Boden. Auch die Packungsgrößen bringen die Software an ihre Grenzen. Paradebeispiel hierfür ist derzeit das Asthma-Mittel Salbutamol. So nennt der Hersteller von Sultanol sein 200 HUB Dosieraerosol "Packung", Salbutamol von Ratiopharm läuft dagegen als "Stück". Eigentlich handelt es sich um das Gleiche, doch formal kann nicht ausgetauscht werden. Boden erklärte, man prüfe derzeit, wie hier die Anbieter herangezogen werden können und ob der ABDATA in solchen Fällen die Möglichkeit eingeräumt werden kann, die Packungsgrößen vergleichbar zu machen.

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