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Erkältung
Vitamine und Mineralstoffe oft Mangelware
Zu den wesentlichen Faktoren, die den Ernährungszustand im Alter beeinflussen, zählen neben altersbedingten physiologischen Veränderungen das soziale Umfeld sowie Erkrankungen und der damit verbundene Arzneimittelverbrauch. Physiologische Veränderungen des Alterns, die sich auf die Ernährung auswirken, sind
eine Abnahme der fettarmen, stoffwechselaktiven Körpermasse. Davon sind vor allem die Skelettmuskulatur, die inneren Organe und die Knochenmasse betroffen. Mit der Abnahme einher geht eine kompensatorische Zunahme des Körperfettgehaltes.
eine Atrophie der Niere, die zur Verminderung der renalen Durchblutungsrate und Abnahme der glomerulären Filtrationsrate führt. Stoffwechselprodukte werden dadurch langsamer aus dem Blut eliminiert. Gleichzeitig ist die Fähigkeit zur Harnkonzentration vermindert, was zu erhöhten Wasserverlusten führen kann.
eine Atrophie der Magenschleimhaut. Zwischen 20 und 50 Prozent der über 65-Jährigen leiden unter einer chronischen atrophischen Gastritis. Sie führt zu einer reduzierten Säure- und Pepsinsekretion und in der Folge zur verminderten Bildung des Intrinsic-Faktors.
eine Abnahme des Durstempfindens sowie Veränderungen der Hunger- und Sättigungsmechanismen. Das Durstempfinden ist bei Älteren deutlich reduziert. Selbst bei offensichtlichen Dehydratationszuständen haben sie häufig noch kein Verlangen nach Flüssigkeit. Ursächlich dafür sind Veränderungen der Regulation im ZNS. Auch das Hungergefühl nimmt im Alter ab, was in einer Altersanorexie münden kann. Die Ursachen hierfür sind vielschichtig. Eine wichtige Rolle dabei spielt das gastrointestinale Hormon Cholecystokinin, das Sättigung vermittelt und dessen Wirkung im Alter verstärkt ist. Daneben sind abnehmende Geschmacks- und Geruchswahrnehmungen von Bedeutung.
Weniger Energie, aber...
Für gesunde Senioren werden weitgehend die gleichen Mengen an essenziellen Nährstoffen empfohlen wie für jüngere Erwachsene. Der Energiebedarf ist jedoch aufgrund der veränderten Körperzusammensetzung verringert. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) nennt als Richtwerte für über 65-jährige Frauen eine tägliche Energiezufuhr von 1600 kcal, für Männer von 2000 kcal (Angaben für einen PAL-Wert von 1,4). Das sind 300 bis 500 kcal weniger als 25- bis 51-Jährige zu sich nehmen sollen. Um die Nährstoffzufuhr zu gewährleisten und gleichzeitig keine überkalorische Nahrung zuzuführen, müssen Senioren somit auf eine höhere Nährstoffdichte achten. Hierfür ist eine Ernährung, die reich an Obst und Gemüse ist, besonders gut geeignet. Leider sind gerade diese Lebensmittel bei Älteren häufig unterrepräsentiert. So lässt sich auch erklären, dass Senioren oft mit Vitaminen und Mineralstoffen mangelernährt sind.
Supplemente können sinnvoll sein
Zu den kritischen Vitaminen bei älteren Menschen zählen Thiamin, Riboflavin, Cobalamin, Niacin, Folsäure und Vitamin D. Auch die Vitamin-C-Zufuhr ist häufig unbefriedigend. Bei den Mineralstoffen sind vor allem Eisen, Zink, Jod, Magnesium, Calcium und Selen kritisch. Aus Studien ist bekannt, dass die genannten Vitamine und Mineralstoffe teilweise immunologische Parameter beeinflussen. Eine Unterversorgung kann sich daher in einer erhöhten Infektanfälligkeit äußern, die vor allem in der kalten Jahreszeit zum Tragen kommt. Da eine Bedarfsdeckung über die Ernährung häufig nicht gelingt, sollte man die Gabe von Multivitamin-/Mineralstoffpräparaten in Betracht ziehen.
Mangelernährung: Ein unterschätztes ProblemRund 1,5 Millionen Menschen in Deutschland leiden unter Mangelernährung, die meisten davon sind Ältere. Mangelernährung im höheren Alter ist unter Experten schon längere Zeit bekannt, wird aber allgemein unterschätzt oder einfach nicht wahrgenommen. Bei den zu Hause lebenden Älteren wird ihr Anteil mit 15 Prozent angegeben, in Alters- und Pflegeheimen mit bis zu 65 Prozent. Von den Über-65-Jährigen, die in ein Krankenhaus aufgenommen werden, sind mehr als 50 Prozent mangelernährt. Mangelernährung im höheren Alter führt zu einer deutlichen Einbuße an Körperfunktionen wie Muskelkraft (Gewichtsverlust ist Verlust an Muskulatur), Bewegungsabläufen und Immunabwehr und kann unter Umständen lebensbedrohlich sein (Stürze) oder zu Demenz beitragen und die Selbstständigkeit mindern. Die Folgen sind außerdem längere Krankenhausaufenthalte (42,5 Prozent länger als adäquat Ernährte), höhere Komplikationsraten (vor allem auch postoperativ), deutlich höhere Kosten sowie eine mehrfach erhöhte Sterblichkeit und nicht zuletzt eine geringere Lebensqualität. Die Zusatzkosten durch Mangelernährung werden mit ca. neun Mrd. Euro pro Jahr angegeben. Körperliche Anzeichen von Mangelernährung sind schlaffe Hautfalten, hervorstehende Knochen, ein eingefallenes Gesicht, knochige Hände und zu weite Kleidung. Mögliche Methoden zur Erfassung des Ernährungszustandes sind der Body-Mass-Index (BMI), die Erkennung eines unbeabsichtigten Gewichtsverlusts von mehr als fünf bis zehn Prozent in den vergangenen drei bis sechs Monaten oder ein Wadenumfang von < 31 cm. Für Erwachsene gilt allgemein ein BMI < 18,5 als Hinweis auf Mangelernährung. Für ältere Menschen ist diese Grenze zu niedrig angesetzt. Wenn der BMI so weit gesunken ist, ist es schon zu spät für eine erfolgreiche Intervention. Für über 65-Jährige wird daher ein BMI von 20, besser 22 als untere Grenze angesehen. |
Gründe für den Mangel
Es gibt verschiedene Gründe, weshalb Senioren mit einem oder mehreren Nährstoffen unterversorgt sein können. Neben den physiologischen Ursachen, die sich vor allem bei der Versorgung mit den Vitaminen B12 und Folsäure (Folgen der atrophischen Gastritis) sowie bei Vitamin D (verminderte endogene Synthese) negativ auswirken, spielen Faktoren wie Kau- oder Schluckstörungen, Schwierigkeiten bei der Zubereitung sowie beim Einkaufen eine Rolle. Für einen Appetitmangel sind neben der altersbedingten Abnahme des Hungergefühls vor allem psychische Aspekte von Bedeutung. Nicht umsonst sind vor allem alleinstehende Senioren sowie Heimbewohner besonders häufig von einer Mangelernährung betroffen.
Entgegenwirken kann man dem Problem nur, wenn man die Ursache individuell abklärt. So können bei nachlassenden motorischen Fähigkeiten Hilfsmittel wie Schnabeltassen, Besteck mit verdickten Griffen, abgewinkelte Löffel oder Teller mit rutschfestem Boden das Essen erleichtern. Um den Appetit anzuregen, sollten sich ältere Menschen möglichst oft an der frischen Luft bewegen und ihre Mahlzeiten "zelebrieren". Der beste "Appetizer" – nette Gesellschaft beim Essen – lässt sich leider nur bedingt in der Praxis umsetzen. Dennoch kann der Hinweis hilfreich sein, da sich viele Senioren gar nicht bewusst sind, warum es ihnen nicht mehr schmeckt und möglicherweise nur einen kleinen Schubs brauchen, um sich mehr in Gesellschaft zu begeben.
Literatur Hahn, Ströhle, Wolters: Ernährung – Physiologische Grundlagen, Prävention, Therapie. WVG Stuttgart 2005 www.aid.de www.dge.de
Dr. Beatrice Rall
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