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Gut auf Kurs trotz stürmischer Zeiten
Die Noweda ist nach Abschluss des Geschäftsjahres 2007/2008 mit der Kapferer KG handelseinig geworden, die traditionsreiche Pharmagroßhandlung rückwirkend zum 1. April 2008 zu übernehmen. Kapferer ist v. a. im süddeutschen Raum präsent, dort wo die Noweda bisher fehlte. Mit seinem Stammhaus im badischen Mosbach und drei weiteren Niederlassungen bei Saarbrücken, Chemnitz und München hatte Kapferer zuletzt einen Umsatz um 550 Mio. Euro erzielt. Zusammen mit Kapferer wird die Noweda-Gruppe auf einen Umsatz von über 3 Mrd. Euro kommen, dann also auf Platz 4 im Umsatzranking der deutschen Pharmagroßhändler vorrücken. In den Berichten über das Geschäftsjahr 2007/2008, die der Noweda-Vorstandsvorsitzende Wilfried Hollmann in Essen erläuterte, ist der Kapferer-Zukauf naturgemäß noch nicht berücksichtigt.
"Das Profil einer Dachmarken-Apotheke kann nie so scharf sein wie das einer exzellenten Unikat-Apotheke am Ort. " Wilfried Hollmann |
Wilde Zeiten
Die Apothekerschaft und damit auch die Noweda durchlebt wilde Zeiten – so der Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Klaus G. Brauer. So erfreulich es sei, was es über die Noweda zu berichten gebe, so unerfreulich stelle sich derzeit das politische Umfeld dar. Die ins Auge gefasste Senkung des Kassenrabattes drohe zu scheitern. Und Ulla Schmidt nehme bisher die Pick-up-Stellen hin, obwohl damit Apothekenpflicht und Apothekenbetriebsordnung zur Farce zu werden drohten. Dem entfesselten weltweiten Finanzsystem drohe ein Desaster. Trotzdem gebe es auch im Gesundheitssystem den Ruf nach Deregulierung. Der von der EU-Kommission geforderte Wegfall des apothekenrechtlichen Fremd- und Mehrbesitzverbotes würde "den freien Beruf des Apothekers Berufsfremden und anonymen Kapitalgesellschaften zum Fraß vorwerfen". Folge wäre, dass man zum Schutz der Patienten in kurzer Zeit an vielen Stellen neue und schärfere Regulierungen schaffen müsste – in den einzelnen Ländern der EU wegen unterschiedlicher Ausgangssituationen an unterschiedlichen Stellen. Die in dieser Causa anstehende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes würde deshalb nicht nur in Deutschland mit Spannung erwartet. Dabei stelle sich die Frage, ob Artikel 152 des EG-Vertrages die Aufmerksamkeit bekommt, die er verdient: Er sieht explizit vor, dass die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Organisation ihr eigenes Gesundheitswesens "in vollem Umfang gewahrt" bleiben soll.
"Das DTP-Modell orientiert sich nicht an den Bedürfnissen des Apothekers und seiner Patienten. Deshalb bleibt aus ihrer Sicht zu hoffen, dass sich das DTP-Modell in Deutschland nicht durchsetzen wird. " Wilfried Hollmann |
Trotzdem positiv
Trotz großer Probleme im Pharmagroßhandelsmarkt befindet sich die Noweda, wie aus dem Bericht des Vorstandsvorsitzenden deutlich wurde, in unverändert guter Verfassung. Neben der Umsatz- und Ergebnisentwicklung, die sich positiv vom Marktumfeld abhebt, berichtete Hollmann, dass sich auch das Wachstum der Mitgliederzahl fortgesetzt habe – bis auf 6553 Ende Juni 2008. Im neuen Geschäftsjahr seien bislang schon mehr als 200 weitere Mitglieder hinzugekommen. Sehr erfreulich sei zudem der Zuwachs des Eigenkapitals. Dieses stieg von 140,6 Mio. Euro in 2006/2007 um 11,6 Mio. auf 152,2 Mio. Euro. Die Eigenkapitalquote verbesserte sich auf 27,6%. Die positive Entwicklung sowohl der Mitgliederzahlen als auch des Eigenkapitals mache deutlich, dass sich immer mehr Apotheker bewusst seien, dass nicht nur die Stärke eines Unternehmens von Bedeutung sei, sondern auch in wessen Eigentum es sich befinde.
"Die Diskussion über das Distributionssystem für Arzneimittel ist nach wie vor leider stark geprägt von Unkenntnis über den wahren Wert des Arzneimittels und insbesondere über den wahren Wert der Leistungen eines jeden Apothekers in seiner Apotheke. " Wilfried Hollmann |
Aus der Gewinn- und Verlustrechnung lässt sich eine Zunahme des Rohertrags um 6,6 Mio. auf 141,1 Mio. Euro ablesen. Die Steigerung von 4,9% ist, gemessen am Umsatz, ist leicht unterproportional. Als Ursachen nannte Hollmann neben einem ausgeweitetes Direktgeschäft der Industrie (insbesondere mit hochpreisigen Arzneimitteln) ein restriktiveres Verhalten der Lieferanten bezüglich Retouren und, drittens, Lagerwertverluste aufgrund von Preissenkungen.
Unterproportional sind auch die Personalkosten gestiegen. Die Zahl der Mitarbeiter – unter Berücksichtigung der neuen Niederlassung bei Gießen – nahm um 76 auf jetzt 1855 zu. Trotzdem stieg der Umsatz je Mitarbeiter; die Produktivität verbesserte sich um 1,4%.
Das Betriebsergebnis – also der Gewinn vor Beteiligungserträgen, Finanzergebnis und Steuern – stieg von 25,5 auf 31,4 Mio. Euro. Der Jahresüberschuss verbesserte sich von 12,1 auf 13,1 Mio. Euro. Das erlaube, so Hollmann, die Fortsetzung der guten Verzinsung der Geschäftsanteile (siehe Vorspann).
Die Wachstumsraten im angelaufenen neuen Geschäftsjahr liegen nach Aussage von Hollmann "im Rahmen der Erwartungen". Das gelte auch für die vier Kapferer-Häuser.
"Wird es auch für den Gesundheitsmarkt gelten, dass die mahnenden Stimmen erst gehört werden, wenn das Kind und womöglich auch der Patient in den oft zitierten Brunnen gefallen sind? Kann es gelingen, zu lernen, bevor Schadensfälle eintreten und nicht immer erst nachher? " Wilfried Hollmann |
Ruhe bewahren
Sehr kritisch setzte sich Hollmann mit dem Thema "Direct to Pharmacy" (DTP) auseinander. DTP, eine Belieferung der Apotheken durch nur einen vom Hersteller festgelegten Logistiker, ermöglicht zwar eine lückenlose Kontrolle der Warenströme und eine Steigerung des Profits. Aber weder Volkswirtschaft, Gesundheitswesen noch die Patienten profitieren von dieser Vertriebsform. Für die Apotheke bedeute DTP aber, dass sie Arzneimittel eines bestimmten Herstellers nicht mehr bei einem Großhändler eigener Wahl bestellen kann, sie ist einem Lieferanten ausgeliefert.
"Versetzen Sie sich bitte nicht selbst in eine depressive Spirale nach unten. Die Individual-Apotheke wird nicht aus dem Stadtbild verschwinden. " Wilfried Hollmann |
Auch wenn allenthalben von Unternehmensberatern und anderen interessierten Kreisen über den Arzneimittelmarkt und die Apotheken diskutiert werde, sollten die Apothekerinnen und Apotheker, so die Empfehlung Hollmanns, insgesamt zu mehr Besonnenheit finden. Unbedachtheit und Nervosität seien in unruhigen Zeiten schlechte Ratgeber.
Hollmann ermahnte aber auch die Politiker, nicht erst etwas gegen die Folgen eines ungebremsten Liberalismus zu unternehmen, wenn der Patient gewissermaßen schon in den Brunnen gefallen sei. Sie sollten erkennen, welche Vorteile die inhabergeführte Apotheke in der Versorgung der Bevölkerung biete und welche Risiken hinsichtlich der Arzneimittelsicherheit der Versandhandel oder andere Vertriebswege bergen. Der Kampf für die inhabergeführte Apotheke lohne sich unabhängig davon, wie der Europäische Gerichtshof entscheide. Dabei werde die Noweda ihre Mitglieder auch im kommenden Jahr mit einem reichhaltigen Instrumentarium unterstützen. Die inhabergeführte Apotheke liefere eine sozialkompetente Beratung und Betreuung der Patienten und biete Lösungen für die Probleme der Kunden.
Seinen Dank sprach Hollmann all denen aus, die zum Erfolg des Geschäftsjahres 2007/2008 beigetragen haben – angefangen beim Aufsichtsrat, Vorstand, Geschäftsführung, Betriebsräten, allen Mitarbeitern der Noweda und bei Kapferer bis hin zu den Eigentümern und Mitgliedern, die die Noweda durch die Vergabe ihrer Umsätze gestärkt haben.
"Die Apotheke hat geniale Stärken, und die muss sie ausspielen. Mögliche Preisvorteile von Kettenapotheken, wenn es die denn überhaupt gibt, können und werden die Kunden nicht dauerhaft zufrieden stellen. " Wilfried Hollmann |
Alle zufrieden
Bernd Roder bestätigte im Bericht des Aufsichtsrates die gute Zusammenarbeit mit Vorstand und Geschäftsführung. Der genossenschaftliche Förderauftrag wurde während des gesamten Geschäftsjahres konsequent verfolgt. Das Ergebnis der Wirtschaftsprüfer vom Rheinisch-Westfälischen Genossenschaftsverband trug der stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrates, Rudolf Strunk, vor.
Die Mitgliederversammlung hat den vorgelegten Jahresabschluss einstimmig genehmigt. Der Verwendungsvorschlag für die Bilanzgewinne wurde bei einer Gegenstimme angenommen. Vorstand und Aufsichtsrat wurden mit jeweils einer Enthaltung entlastet. Außerdem mussten zwei ordentliche und zwei Ersatzmitglieder turnusgemäß für den Aufsichtsrat gewählt werden. In ihren Ämtern bestätigt wurden Bernd Roder mit 223 und Rudolf Strunk mit 230 von 241 gültigen abgegebenen Stimmen. Als Ersatzmitglieder wurden Dr. Matthias Lempka mit 237 und Dr. Christoph Herrmann mit 209 von 236 abgegebenen gültigen Stimmen wieder beziehungsweise neu gewählt.
Zum Abschluss der Generalversammlung bedankte sich der Aufsichtsratsvorsitzende bei den Brüder Claus und Wolfgang S. Kapferer für die faire Zusammenarbeit mit Geschäftsführung, Vorstand und Aufsichtsrat bei der Zusammenführung der beiden Unternehmen.
Die Entwicklung der Noweda | |||||||
Geschäftsjahr |
1990/91 |
1995/96 |
2000/01 |
2004/05 |
2005/06 |
2006/07 |
2007/08 |
Umsatzerlöse (Tsd. €)
Veränderung (%)
|
557.197
+33,52
|
932.761
+10,71
|
1.307.892
+8,75
|
1.952.177
+13,68
|
2.147.968
+10,03
|
2.283.094
+ 6,29
|
2.456.094
+ 7,57
|
Jahresüberschuss (Tsd. €) |
2821 |
4542 |
6804 |
10.335 |
11.389 |
12.139 |
13.153 |
Bruttorendite auf Mitglieder-Kapital1
1. – 5. Geschäftsanteil (%)
ab 6. Geschäftsanteil (%) |
11,00
13,20
|
11,00
13,20
|
11,00
13,20
|
11,00
13,20
|
11,00
13,20
|
11,00
13,20
|
11,00
13,20
|
Bardividende auf Mitglieder-Kapital2
1. – 5. Geschäftsanteil (%)
ab 6. Geschäftsanteil (%) |
7,04
8,45
|
7,70
9,24
|
7,70
9,24
|
8,25
9,90
|
8,25
9,90
|
8,25
9,90
|
9,35
11,22
|
Bilanzsumme (Tsd. €) |
138.038 |
231.573 |
376.847 |
484.149 |
495.081 |
565.304 |
552.471 |
Eigenkapital (Tsd. €) |
29.361 |
65.601 |
92.779 |
121.615 |
131.611 |
140.598 |
152.236 |
Investitionen (Tsd. €) |
9595 |
8172 |
1805 |
16.994 |
9360 |
16.337 |
7316 |
Mitgliederzahl |
2973 |
4303 |
5402 |
5962 |
6154 |
6356 |
6553 |
Anzahl der Mitarbeiter3 |
834 |
1121 |
1262 |
1403 |
1437 |
1451 |
1540 |
1 Ausschüttung vor Körperschaftssteuer
2 Die Schwankungen resultieren aus mehrfach gesetzlich geänderten Körperschaftssteuersätzen
3 Umgerechnet auf 38,5 Stundenwoche
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